Das Aichhaldener Logistik-Unternehmen Scheerer hat einen ersten mit Bio-Flüssiggas, im Fachjargon Bio-LNG, betriebenen Lastzug erfolgreich im Einsatz. Firmenchef Achim Scheerer hat das Fahrzeug Vertretern aus der Politik und der IHK jetzt vorgestellt.
Aichhalden. Auf dem großen Hof der Spedition stand am Freitagnachmittag ein Fahrzeug quer: Der erster Volvo FH 460 mit Gasantrieb war der Star für ein Fotoshooting. Seit einiger Zeit ist der erfahrene Fahrer Mike Müller mit dem Lastzug auf Deutschlands Straßen unterwegs: „Ich merke keine Unterschiede zum Diesel“, sagt er. „Weder bei der Leistung noch sonst wie.“
Im Verbrauch günstiger als Diesel
Beim Verbrauch liege man sehr günstig. Müller kommt auf 18 Kilo LNG auf 100 Kilometer. „Herr Müller ist ein sehr erfahrener Fahrer und kann sparsam fahren“, schränkt Scheerer ein. Kalkuliert habe er mit 25 Kilo. Das entspräche etwa 27 Liter Diesel je 100 Kilometer. Die niedrigeren Spritkosten würden längerfristig die etwa 15 Prozent höheren Anschaffungskosten ausgleichen, so Scheerer.

Ein E-Lastwagen sei etwa zweieinhalb Mal so teuer wie ein Diesel, werde aber hoch subventioniert. Weitere Nachteile seien die geringere Reichweite und die erheblich längeren Ladezeiten. Ein LNG-Laster erreiche 800 bis 1200 Kilometer pro Tank, ein E-Laster bis zu 500 Kilometer. Das Tanken daure bei LNG zehn bis 15 Minuten, beim Stromer bis zu anderthalb Stunden.
Umstellung bis 2029
Scheerer möchte im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie den gesamten Fuhrpark von 17 Lastwagen bis 2029 auf Bio-LNG umstellen.
Bio-LNG produzieren Spezialfirmen aus organischen Reststoffen wie Gülle, Lebensmittelabfällen oder Klärschlamm. Diese werden vergoren. Dabei entsteht Biomethan. Das wird gereinigt und auf minus160 Grad heruntergekühlt und so verflüssigt. Es ist chemisch identisch mit fossilem LNG, aber fast klimaneutral.
Negative CO2 Bilanz
Wer Bio-LNG tanke, reduziere nicht nur den CO2- Ausstoß, sondern bei der Nutzung von Gülle entstehe sogar eine negative CO₂-Bilanz von bis zu 200 Prozent. Das begründet die LNG-Industrie damit, dass die Gülle, die sonst auf den Feldern ausgebracht würde, eine hohe Menge an CO2 verursacht („Well-to-Wheel“). An den bundesweit etwa 180 Tankstellen für LNG-Gas komme zu 98 Prozent Bio-LNG aus den Tanks. So auch am Autohof bei Vöhringen, der nächsten für Scheerer erreichbaren LNG-Tankstelle.
„Wir machen nicht etwas ganz Neues, das ist keine Raketentechnologie“, betont Scheerer, “gasbetriebene Lastwagen gab es schon vor der Gaspreiskrise.“ Doch die damals extrem gestiegenen Gaspreise hätten den Trend gestoppt. Heute sind zwischen 3000 und 6000 LNG-Lastzüge in Deutschland unterwegs.

Bei der Vorstellung in Aichhalden waren Philipp Hilsenbeck und Marc Spiegelhalter von der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, der FDP-Landtagsabgeordnete Daniel Karrais, der Grüne Landtagskandidat Artur Eichin sowie für die CDU Lothar Reinhardt dabei. Holger Tenfelde vertrat den Verband des württembergischen Verkehrsgewerbes.
Achim Scheerer stellte den Gästen zunächst sein Unternehmen vor, das sein Großvater 1936 gegründet hatte. Heute beschäftige er 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an vier Standorten. Neben der Transportlogistik betreibt Scheerer auch Lagerlogistik, Maschinenhandling, die Verpackung, den Transport und die Remontage von Maschinen und Anlagen weltweit.
Überangebot an Biogas
Justus Heyen vom Bio-LNG Hersteller ViGoBioenergy versicherte, derzeit gebe es ein Überangebot an Bio-LNG. Es sei aber auch klar, dass es einen Mix aus verschiedenen Antriebstechnologien geben müsse, wenn man die Klimaneutralität erreichen möchte.
Betrachtet man die Gesamtzahl von LKWs in Deutschland, nämlich etwa 3,8 Millionen, dann bewegen sich die Zahlen für die gasbetriebenen Lastzüge (3000 bis 6000) im Promillebereich. Diese 3,8 Millionen ließen sich auch nicht alle mit Strom betreiben, wandte Scheerer ein. „Nichtstun ist auch keine Lösung.“
Wie die LNG-Versorgung in den Nachbarländern Schweiz und Frankreich sei, erkundigte sich der IHK-Vertreter Hilsenbeck. Andere Länder hätten schon länger LNG-Tankstellen, da sei es eher günstiger als in Deutschland, so Scheerer. In Deutschland sollte das Tankstellennetz gerade im Süden noch dichter werden, forderte er.

Heyen versicherte auf Nachfrage des Grünen Kandidaten Artur Eichin, sein Unternehmen verwende ausschließlich Gülle und Vogeltrockenkot zur Biogaserzeugung. Das Ergebnis sei Methangas, Wasser und ein Trockenstoff, den man als Dünger nutzen kann.
Lothar Reinhard vom CDU-Kreisvorstand erkundigte sich, ob auch das Biogas, das Landwirte erzeugen, verwendet werden könne. Diese Produktion könnte man einbinden, so Heyen. Auf diesem Feld gäbe es ein starkes Überangebot an Gas.
Starttechnologie verteuert Fahrzeuge von Volvo
Karrais erkundigte sich, weshalb die Volvo-Gasfahrzeuge teurer als ein vergleichbarer Diesel seien. Das hänge von der Starttechnologie ab. Da verwende Volvo eine Dieseltechnik. Die sei komplizierter als ein Start mit Benzin, wie ihn andere Hersteller verwenden. Dafür könnte man mit dem Dieselstarter im Notfall ein paar Kilometer, etwa von der Autobahn, runterkommen.

Karrais warb dafür, bei der Antriebstechnologie offen für verschiedene Lösungen zu bleiben. Die Unternehmen würden entscheiden, was für sie die Richtige sei. Eichin begrüßte die Umstellung bei Scheerer auf Bio-LNG. Es handle sich aber eher um eine Brückentechnologie. Er fände wichtig, dass die Politik ihre Fördermittel in eine Richtung lenkt, um nicht viele falsche Wege zu beschreiten.
Bis man beim Wasserstoff so weit sei, werde es noch dauern, war sich Scheerer sicher. Schließlich war man sich einig, dass der Ausbau von LNG-Tankstellen in jedem Fall hilfreich wäre. Reinhard lobte das Aichhalder Unternehmen für seine Nachhaltigkeitsstrategie. Solche Impulse seien „entscheidend, um auch andere zu motivieren“.
Unterdessen hatte Mike Müller seinen Biogas-Volvo wieder schön brav in die Reihe zu den anderen LKWs gestellt.
