An Weihnachten 1925 war in Rottweil und der Region von den später sprichwörtlichen „goldenen Zwanzigerjahren“ noch nichts zu spüren. Zwar herrschten frühlingshafte Temperaturen, die Stimmung aber war frostig.
Das zeigt ein Blick in die damals erscheinenden Tageszeitungen: den „Schwarzwälder Volksfreund“, der der in Rottweil starken katholischen Zentrumspartei nahestand und die „Schwarzwälder Bürger-Zeitung“, das von der Familie Rotschild herausgegebene, in liberaler Richtung geführte Bezirksamtsblatt.
In Zeiten vor Radio, Fernsehen, Internet und sozialen Medien, waren sie die zentralen Informationsquellen nicht nur für das Geschehen vor Ort, sondern auch für Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene. Die große Politik wurde breit beleuchtet – Lokales nahm im Vergleich weniger Raum ein.
Mit Blick auf das Weihnachtsfest 1925 und den anstehenden Jahreswechsel waren beide Zeitungen aber bemüht, in der Rolle als stete Beobachter eine Bilanz der vergangenen zehn Monate für die Stadt und die Region zu ziehen. Blättert man die entsprechenden Ausgaben durch, ergibt sich ein gemischtes Bild: Zwar war der erst sieben Jahre zurückliegende Erste Weltkrieg – in dem 279 Männer, die bei Kriegsausbruch Einwohner der Stadt gewesen waren, sowie weitere 31 mit familiären Wurzeln in der Stadt, ihr Leben verloren hatten – nicht mehr der wichtigste Bezugsrahmen. Aber nach wie vor bestimmten seine Auswirkungen das Leben der Menschen in der Region.
Das zeigte sich vor allem wirtschaftlich. Nachdem im Januar 1923 französische und belgische Truppen im Zusammenhang mit Reparationsleistungen das Ruhrgebiet besetzt hatten, war es zu einer rasenden Inflation gekommen, die die Ersparnisse breiter Schichten vernichtete. Erst im November 1923 konnte dies durch eine Währungsreform gestoppt werden. Die danach erhoffte wirtschaftliche Erholung ließ jedoch auf sich warten. Es wollte bei allem guten Willen nicht aufwärts gehen.
Rückschauend auf das Jahr 1925 schrieb die „Bürgerzeitung“ am 22. Dezember von einem „zermürbenden Alltag“ und einer „schweren, wirtschaftlich notleidenden Zeit“. Auch der „Volksfreund“, obwohl als katholisches Blatt immer für tatkräftige Hoffnung plädierend, fasste das Jahr resigniert unter mit den Schlagworten „Geldmangel“ und „Arbeitslosigkeit“ zusammen.

Erstaunlicherweise war es die wenig religiös ausgerichtete „Bürgerzeitung“, die am 22. Dezember den Gedanken stark zu machen versuchten, dass an Weihnachten nicht Geschenke und leibliches Wohl im Vordergrund stehen sollten. Schon vor dem Krieg habe es eine Fehlentwicklung gegeben, das Fest „äußerlicher und materieller“ zu verstehen, war da zu lesen. Die „Kriegs- und Entbehrungsjahren“, bis hin zu den „Einlichtweihnachten“, bei denen es nur für eine Kerze gereicht habe, hätten diese Entwicklung nur kurz gebremst.
Aber Weihnachten sei „kein Fest des Genusses, sonders des Gemütes“, schrieb die „Bürgerzeitung“. Es gelte, die „tiefere Weihnacht“ zu feiern, „wie es unsere Väter noch verstanden“. „Wenigstens an diesem Tag“ solle man mit inneren statt äußeren Werten gegen „den bösen Drachen“ der Hoffnungslosigkeit zu Felde ziehen, appellierte das Blatt: „Lasst Weihnachten in Eure Herzen!“ „Wahre Feierstimmung ist unabhängig von eitlem Tand und goldenem Firlefanz“, lautete das flammende Plädoyer der „Bürgerzeitung“.
Immerhin ließen es sich die Menschen in Rottweil und der Region nicht nehmen, in Vereinen und Verbänden zahlreiche Weihnachtsfeiern und Theateraufführungen zu organisieren. Davon berichteten, beide Zeitungen – zum Beispiel der „Volksfreund“, der in der Ausgabe vom 30. Dezember auf die Feier im Rottenmünster, bei der sich um die 700 Menschen drängten, zurückschaute: „Nicht leicht wird irgendwo Weihnachten so schön und so feierlich festlich, so feinsinnig und lieblich begangen als im Kloster der barmherzigen Schwestern in Rottenmünster“, hieß es da hochgestimmt.

Freilich fanden auch sehr alltägliche Themen wie die Kälberpreise auf dem – insgesamt schlecht laufenden –Rottweiler Viehmarkt oder das Dauerthema Wetter ihren Niederschlag in den Rottweiler Zeitungen. So vermeldete der „Volksfreund“ am 30. Dezember eine geradezu „abnorme Witterung“: Statt einer winterlichen Kälte mit Eis und Schnee herrschten „Temperaturen wie im Frühling“. Gemessen wurden am 29. Dezember 1925 zur Mittagszeit in Rottweil stattliche 17 Grad. Laue Lüfte sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen: Die Stimmung war in Rottweil und der Region beim Jahreswechsel 1925/26 frostig.



