Klimawandel wegen CO2: Die Badewanne läuft über

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SCHRAMBERG  – „Erderhitzung – ist sie aufzuhalten oder auszuhalten?“ Auf überaus reges Interesse gestoßen ist der Vortrag des gebürtigen Schrambergers  Franz Baumann, gut 130 Besucher konnte Oberbürgermeister Thomas Herzog im Foyer des Stadtmuseums im Schloss begrüßen.

Nicht nur Produkte sondern auch Menschen exportiere Schramberg in die Welt: Baumann, der  aus einer Bäckersfamilie stamme, sei dafür ein Beispiel und in den Vereinten Nationen weit oben an der Spitze gelandet. Seit seiner Pensionierung arbeite Baumann  als Wissenschaftler. Ein Interview mit ihm zum Thema Klimawandel hatte vergangenes Jahr eine hitzige Leserbriefdebatte ausgelöst. Ein Grund für die Einladung zu diesem Vortrag, den die SPD und die Naturfreunde zusammen mit dem Museum organisiert haben.

Herzog erinnerte an das Klimaschutzkonzept, das Schramberg bereits 1997 beschlossen habe, an die verschiedenen JUKS-Großspielprojekte zum Thema Klimawandel und an die Klimabotschafter.

Für Baumann war damit die Bühne angerichtet, und er entfaltete mit zahlreichen Tabellen und Grafiken ein großes Bild vom Wandel auf unserem Planeten. Zuvor machte er aber deutlich, dass für ihn eine Diskussion mit Leugnern eines von Menschen verursachten Klimawandels sinnlos sei: “Wenn jemand denkt, es gibt keinen Klimawandel, der sollte jetzt lieber ins Rino gehen.“

Phänomen lange bekannt

Seit etwa 200 Jahren kenne die Wissenschaft den Zusammenhang von CO2-Ausstoß und Erderwärmung. Schon 1995 gab es die erste Klimakonferenz in Kattowitz. Damals war Angela Merkel Umweltministerin. “Seither hat sich nichts bewegt.“ 2017 erklärte Merkel als Bundeskanzlerin, die Menschheit stehe vor einem zentralen Problem. Aber immer noch geschehe wenig.

Der Klimawandel, so Baumann, sei mit keinem bisherigen Problem wie den Welt-Kriegen vergleichbar. Er sei nicht lokal begrenzt sondern global. Das Problem sei auch, dass die Ursachen in der Vergangenheit lägen, wie bei einem Flugzeugträger dauere es sehr lange, bis eine Richtungsänderung wirksam werde.

„Es gibt unter Wissenschaftlern seit 30 Jahren keine Unsicherheit, dass wir einen Klimawandel erleben.“ Schon 1987 habe der Bundestag ein Papier verabschiedet. „Da stand schon drin, welche Probleme wir haben.“ Es sei ähnlich wie bei einer Badewanne, bei der der Abfluss verstopft sei, aber immer weiter Wasser rein läuft: „Entweder wir kriegen den Abfluss frei, oder wir müssen den Hahn zudrehen, sonst läuft die Wanne über.“

Zeit vergeudet 

Für Baumann ist die Erderhitzung ein so großes Problem, „dass es keinen Unterschied macht, was jeder individuell tut“. Es sei zu viel Zeit vergeudet worden. Seit 1960 sei der CO2-Anstieg weltweit erschreckend stark gewesen. Seit Mai dieses Jahres seien es erstmals 400 Parts per Million.

Verursacht durch den enormen Verbrauch an fossilen Brennstoffen. „Die Menschheit hat in den vergangenen 35 Jahren mehr verbraucht als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor.“

Ein weiteres Problem ist der rasante Zuwachs an Menschen auf diesem Planeten. Es daure immer weniger Jahre, bis die nächste Milliarde erreicht sei. Die Demographen rechneten mit einer Zunahme der Bevölkerung in Afrika von derzeit 1,3 Milliarden auf fünf Milliarden bis zum Ende des Jahrhunderts.

Beim CO2-Verbrauch gebe es extreme Ungleichheiten zwischen den Industrienationen und den anderen Ländern. In den USA liegt der Pro-Kopf-Verbrauch an CO2 pro Jahr bei 18 Tonnen, in der EU bei acht, in China bei fünf  und in Ghana bei 0,3 Tonnen. „Zehn Prozent der Weltbevölkerung verursachen etwa die Hälfte des CO2- Ausstoßes.“

Insolvenzverschleppung

Das Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei kaum zu schaffen. „Wir sind schon bei 1,2 Grad. Aber je länger wir warten, desto größer wird der Schaden“, so Baumann. Es sei so etwas wie eine Insolvenzverschleppung, was da weltweit gerade geschehe. Es sei ausgeschlossen, dass elf Milliarden Menschen genauso weiter leben können wie wir heute. „Der Planet ist nicht in Gefahr, aber die Menschen und die Natur.“

Eine Begrenzung des CO2 Ausstoßes wäre technisch und finanziell machbar, es brauche aber Entscheidungen, und die Wirtschaft bleibe weiter auf Wachstumskurs. Jeder denke: „Wir machen‘s wie die anderen, also nix.“ Baumann bezweifelte, ob unsere politischen Systeme für dieses Problem passen.

Lebhafte Debatte

In der angeregten Diskussion, die Herbert O. Zinell leitete, fragte OB-Kandidatin Dorothee Eisenlohr, was auf kommunaler Ebene geschehen müsste. Andere hinterfragten Baumanns These, individuelles Handeln ändere nichts. Ansgar Fehrenbacher wollte wissen, welches politische System Baumann denn vorschwebe.

Baumann sah beim Klimawandel das Ende der Leistungsfähigkeit unserer politischen Systeme. Die Demokratie mit ihrer Transparenz sei wunderbar, aber ob wir den Politikwechsel bem Klimawandel schaffen, da sei er sich nicht sicher. Kommunalpolitik könne beim ÖPNV, beim Wohnungsbau viel tun. Natürlich gehe es auch um individuelles Handeln. „Ich bilde mir aber nicht ein, damit die Welt zu retten“, warnte Baumann vor Fanatismus.

Gefragt, was denn konkret zu tun sei, forderte Baumann die „Decarbonisierung“, also das Ende der Kohle-, Öl- und Gasverbrennung. „Wir müssen umstellen auf erneuerbare Energien.“ Ein Weg sei, Kosten auf den CO2-Gebrauch zu erheben, als Steuer, als Abgabe, als Preis. Das könnte den Verbrauch wirksam senken. Eine Tonne CO2 verursache etwa 180 Euro Schaden. Wenn man stufenweise den Preis auf 300 Euro pro Tonne ansteigen lasse, dann werde die Industrie Wege finden, den CO2-Verbrauch drastisch zu senken. Aber wahrscheinlich sei es schon zu spät: „Alle Opfer müssten wir sofort bringen.“

Zur „Fridays-for-future“-Bewegung und Greta Thunberg betonte Baumann, die Wissenschaftler seien froh über diese Bewegung als „Lautsprecher“. Eine internationale Wissenschaftlergruppe, der auch er angehöre, unterstütze die Schüler und beantworte deren Fragen, so Baumann.

Auf die Frage, weshalb die Physikerin Merkel nicht engagierter das Thema Klimawandel bearbeitete, meinte Baumann, jeder Politiker habe „zig Probleme gleichzeitig zu bewältigen“. Politik sei immer noch national ausgerichtet, während die Wirtschaft global agiere. Dank Greta sei das Thema aber  endlich bei allen Parteien angelangt.

Nach zweieinhalb Stunden Information und engagierter Debatte  kam der gemütliche Teil mit Brezeln  und Rotwein im Museumscafé.

Franz Baumann mit seiner Klima-Krawatte. Fotos: him

 

Das interessiert diese Woche



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SCHRAMBERG  – „Erderhitzung – ist sie aufzuhalten oder auszuhalten?“ Auf überaus reges Interesse gestoßen ist der Vortrag des gebürtigen Schrambergers  Franz Baumann, gut 130 Besucher konnte Oberbürgermeister Thomas Herzog im Foyer des Stadtmuseums im Schloss begrüßen.

Nicht nur Produkte sondern auch Menschen exportiere Schramberg in die Welt: Baumann, der  aus einer Bäckersfamilie stamme, sei dafür ein Beispiel und in den Vereinten Nationen weit oben an der Spitze gelandet. Seit seiner Pensionierung arbeite Baumann  als Wissenschaftler. Ein Interview mit ihm zum Thema Klimawandel hatte vergangenes Jahr eine hitzige Leserbriefdebatte ausgelöst. Ein Grund für die Einladung zu diesem Vortrag, den die SPD und die Naturfreunde zusammen mit dem Museum organisiert haben.

Herzog erinnerte an das Klimaschutzkonzept, das Schramberg bereits 1997 beschlossen habe, an die verschiedenen JUKS-Großspielprojekte zum Thema Klimawandel und an die Klimabotschafter.

Für Baumann war damit die Bühne angerichtet, und er entfaltete mit zahlreichen Tabellen und Grafiken ein großes Bild vom Wandel auf unserem Planeten. Zuvor machte er aber deutlich, dass für ihn eine Diskussion mit Leugnern eines von Menschen verursachten Klimawandels sinnlos sei: “Wenn jemand denkt, es gibt keinen Klimawandel, der sollte jetzt lieber ins Rino gehen.“

Phänomen lange bekannt

Seit etwa 200 Jahren kenne die Wissenschaft den Zusammenhang von CO2-Ausstoß und Erderwärmung. Schon 1995 gab es die erste Klimakonferenz in Kattowitz. Damals war Angela Merkel Umweltministerin. “Seither hat sich nichts bewegt.“ 2017 erklärte Merkel als Bundeskanzlerin, die Menschheit stehe vor einem zentralen Problem. Aber immer noch geschehe wenig.

Der Klimawandel, so Baumann, sei mit keinem bisherigen Problem wie den Welt-Kriegen vergleichbar. Er sei nicht lokal begrenzt sondern global. Das Problem sei auch, dass die Ursachen in der Vergangenheit lägen, wie bei einem Flugzeugträger dauere es sehr lange, bis eine Richtungsänderung wirksam werde.

„Es gibt unter Wissenschaftlern seit 30 Jahren keine Unsicherheit, dass wir einen Klimawandel erleben.“ Schon 1987 habe der Bundestag ein Papier verabschiedet. „Da stand schon drin, welche Probleme wir haben.“ Es sei ähnlich wie bei einer Badewanne, bei der der Abfluss verstopft sei, aber immer weiter Wasser rein läuft: „Entweder wir kriegen den Abfluss frei, oder wir müssen den Hahn zudrehen, sonst läuft die Wanne über.“

Zeit vergeudet 

Für Baumann ist die Erderhitzung ein so großes Problem, „dass es keinen Unterschied macht, was jeder individuell tut“. Es sei zu viel Zeit vergeudet worden. Seit 1960 sei der CO2-Anstieg weltweit erschreckend stark gewesen. Seit Mai dieses Jahres seien es erstmals 400 Parts per Million.

Verursacht durch den enormen Verbrauch an fossilen Brennstoffen. „Die Menschheit hat in den vergangenen 35 Jahren mehr verbraucht als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor.“

Ein weiteres Problem ist der rasante Zuwachs an Menschen auf diesem Planeten. Es daure immer weniger Jahre, bis die nächste Milliarde erreicht sei. Die Demographen rechneten mit einer Zunahme der Bevölkerung in Afrika von derzeit 1,3 Milliarden auf fünf Milliarden bis zum Ende des Jahrhunderts.

Beim CO2-Verbrauch gebe es extreme Ungleichheiten zwischen den Industrienationen und den anderen Ländern. In den USA liegt der Pro-Kopf-Verbrauch an CO2 pro Jahr bei 18 Tonnen, in der EU bei acht, in China bei fünf  und in Ghana bei 0,3 Tonnen. „Zehn Prozent der Weltbevölkerung verursachen etwa die Hälfte des CO2- Ausstoßes.“

Insolvenzverschleppung

Das Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei kaum zu schaffen. „Wir sind schon bei 1,2 Grad. Aber je länger wir warten, desto größer wird der Schaden“, so Baumann. Es sei so etwas wie eine Insolvenzverschleppung, was da weltweit gerade geschehe. Es sei ausgeschlossen, dass elf Milliarden Menschen genauso weiter leben können wie wir heute. „Der Planet ist nicht in Gefahr, aber die Menschen und die Natur.“

Eine Begrenzung des CO2 Ausstoßes wäre technisch und finanziell machbar, es brauche aber Entscheidungen, und die Wirtschaft bleibe weiter auf Wachstumskurs. Jeder denke: „Wir machen‘s wie die anderen, also nix.“ Baumann bezweifelte, ob unsere politischen Systeme für dieses Problem passen.

Lebhafte Debatte

In der angeregten Diskussion, die Herbert O. Zinell leitete, fragte OB-Kandidatin Dorothee Eisenlohr, was auf kommunaler Ebene geschehen müsste. Andere hinterfragten Baumanns These, individuelles Handeln ändere nichts. Ansgar Fehrenbacher wollte wissen, welches politische System Baumann denn vorschwebe.

Baumann sah beim Klimawandel das Ende der Leistungsfähigkeit unserer politischen Systeme. Die Demokratie mit ihrer Transparenz sei wunderbar, aber ob wir den Politikwechsel bem Klimawandel schaffen, da sei er sich nicht sicher. Kommunalpolitik könne beim ÖPNV, beim Wohnungsbau viel tun. Natürlich gehe es auch um individuelles Handeln. „Ich bilde mir aber nicht ein, damit die Welt zu retten“, warnte Baumann vor Fanatismus.

Gefragt, was denn konkret zu tun sei, forderte Baumann die „Decarbonisierung“, also das Ende der Kohle-, Öl- und Gasverbrennung. „Wir müssen umstellen auf erneuerbare Energien.“ Ein Weg sei, Kosten auf den CO2-Gebrauch zu erheben, als Steuer, als Abgabe, als Preis. Das könnte den Verbrauch wirksam senken. Eine Tonne CO2 verursache etwa 180 Euro Schaden. Wenn man stufenweise den Preis auf 300 Euro pro Tonne ansteigen lasse, dann werde die Industrie Wege finden, den CO2-Verbrauch drastisch zu senken. Aber wahrscheinlich sei es schon zu spät: „Alle Opfer müssten wir sofort bringen.“

Zur „Fridays-for-future“-Bewegung und Greta Thunberg betonte Baumann, die Wissenschaftler seien froh über diese Bewegung als „Lautsprecher“. Eine internationale Wissenschaftlergruppe, der auch er angehöre, unterstütze die Schüler und beantworte deren Fragen, so Baumann.

Auf die Frage, weshalb die Physikerin Merkel nicht engagierter das Thema Klimawandel bearbeitete, meinte Baumann, jeder Politiker habe „zig Probleme gleichzeitig zu bewältigen“. Politik sei immer noch national ausgerichtet, während die Wirtschaft global agiere. Dank Greta sei das Thema aber  endlich bei allen Parteien angelangt.

Nach zweieinhalb Stunden Information und engagierter Debatte  kam der gemütliche Teil mit Brezeln  und Rotwein im Museumscafé.

Franz Baumann mit seiner Klima-Krawatte. Fotos: him

 

Das interessiert diese Woche

Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.