Donnerstag, 28. März 2024

Der Schiri aus Schanghai

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Wolf-Dieter Bojus
... war 2004 Mitbegründer der NRWZ und deren erster Redakteur. Mehr über ihn auf unserer Autoren-Seite.
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Seit Kurzem hat die TG Altstadt einen neuen Schiedsrichter aus einem fernen Land: Yicheng Zhao aus Schanghai in China studiert an der Hochschule in Schwenningen und leitet seit Ende der Winterpause Fußballspiele.

Seit drei Jahren ist Zhao Fußball-Schiedsrichter. Unser National-Sport wird im Reich der Mitte oft in Schulen und Universitäten gespielt, diese haben eigene Mannschaften und auch eigene Ligen. Zhao ist in Schanghai in der College League als Schiri tätig. Nun hat sein Maschinenbau-Studium den 23-Jährigen an den Rand des Schwarzwalds geführt.

Foto: wede

Fußball ist international – so hat er übers Internet nach den Zuständigen gesucht, die ihm sein Hobby ermöglichen konnten, und ist auf den damaligen Schiedsrichter-Obmann Dietbert Spadinger gestoßen. Der hat Zhao an die TG Altstadt vermittelt. Mit der Lizenz gab es keine Probleme – die ist zwar auf Chinesisch abgefasst, aber eine Bescheinigung in deutscher Sprache konnte Zhao vorweisen.

Neu für ihn war, dass er Spiele in der Kreisliga und bei der Jugend allein leiten musste. „Ich China pfeifen wir zu dritt oder viert”, berichtet er – in der deutschen Kreisliga gibt es eben keine Assistenten, da ist er auf sich allein gestellt. Offensichtlich hat er aber auch damit keine Probleme: Proteste oder Geschimpfe musste er sich aber noch nicht anhören – weder von Spielern noch von Zuschauern.

Kreisliga – das bedeutet Einsatz auch in kleinen Gemeinden. Natürlich kennt Zhao noch nicht jede Gemeinde im Bezirk und der Nachbarschaft. So muss er erst ermitteln, wo denn sein Einsatzort liegt und wie er dort hinkommt – mit dem öffentlichen Nahverkehr, denn Auto hat er keins. So kennt er inzwischen den Anrufbus des Kreises. Und wenn kein Bus fährt, muss er das Taxi nehmen. Fahrspesen bekommt er zwar, aber fürs Taxi reichen die 30 Cent je Kilometer natürlich nicht aus.

Dafür kann er auch einen Vorteil des Schiedsrichter-Daseins genießen: Freier Eintritt zu allen Fußballspielen in Deutschland. Zwei Mal war er schon bei den Bayern in München und je einmal in Freiburg und Stuttgart, berichtet er.

Ein 23-Jähriger rund 9000 Kilometer von daheim – wie steht es da mit Heimweh? Nein, das hat er nicht, aber „ich vermisse das Essen von China”. So kocht er selbst jeden Tag für sich und seinen ebenfalls aus China kommenden Mitbewohner. Die Zutaten bekommt er meist in Schwenningen, aber „manchmal fahren wir auch nach Stuttgart zum Einkaufen.” In ein Geschäft, „dort gibt es alles, auch chinesisches Bier!” Wobei: Eigentlich ist ihm das deutsche lieber.

Außer Fußball gehört Schlagzeug spielen zu seinen Leidenschaften. Er spielt in einer Band japanische Anime-Musik.

Beruflich möchte er nach seinem Auslandsjahr noch bei der HFU in Schwenningen weiter studieren, den Master ablegen. Und dann würde er gern bei einer deutschen Firma arbeiten, von denen es in China ja viele gibt – sein Praktikum hat er bei Bosch in Schanghai gemacht.

Einmal hat Zhao doch als Teil eines Trios ein Fußballspiel geleitet: Am vorigen Samstag in der Landesliga, als die SpVgg Freudenstadt gegen die SpVgg Holzgerlingen mit 4:1 gewann. Da stand er im Team von Benjamin Kammerer, dem neuen Schiedsrichter-Obmann.

Im nächsten Spiel ist er wieder alleiniger Schiedsrichter: Am Sonntag, 27. Mai, ab 15 Uhr leitet er das Kreisliga-A-Spiel TG Schömberg gegen TSV Frommern.

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