Freitag, 19. April 2024

Pandemiebeauftragter: Ferienzauber funktionierte dank Erfahrung, Kompetenz und einem Quäntchen Glück

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Dass der Rottweiler Ferienzauber, eine Open-Air-Veranstaltung mit bis zu 1500 Besuchern gleichzeitig, ein coronakonformes Biergarten-Festival wurde und allem Anschein nach kein Corona-Hotspot, das hatten schon das Gesundheitsamt und Rottweils Oberbürgermeister erklärt. Die NRWZ hat nun auch den Pandemiebeauftragten des Landkreises Rottweil, Dr. Bernhard Schönemann, befragen können. Er erklärt: Das kleine Sommerfestival habe dank erfahrener Veranstalter, eines kompetenten Gesundheitsamts und doch auch dem notwendigen Quäntchen Glück funktioniert. Es werde Zeit, zu einem normalen Leben zurückzufinden, sagt er, „wir haben die Pandemie im Griff“. Zugleich rät der Arzt aktuell von einer dritten Impfung gegen das Coronavirus ab.

Misstrauisch haben manche das Treiben unter dem Rottweiler Wasserturm beäugt. So viele Menschen auf einem Fleck – das kann nur ein möglicher Corona-Hotspot sein, befürchteten sie. Die NRWZ ist dem nachgegangen, hat mit Veranstalter Mike Wutta und mit Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß gesprochen. Außerdem haben wir das Gesundheitsamt um eine Einschätzung gebeten. Die Behörde und Broß gaben Entwarnung, es sei kein Coronafall im Zusammen mit der Veranstaltung bekannt. Das Erfolgsrezept: die 3G-Regeln. Strenge Einlasskontrollen stellten sicher, dass sich auf dem Festgelände selbst nur Geimpfte, Genesene oder Getestete begegnen. Zudem gab es eine Maskenpflicht auf den Wegen und an den Ständen. Das alles funktionierte so gut, dass es für ein Konzert nach den ab heute geltenden landesweiten Bestimmungen in die Verlängerung gehen wird.

Neben dem Oberbürgermeister und dem Gesundheitsamt hatte die NRWZ auch den Pandemiebeauftragten der Kassenärztlichen Vereinigung für den Landkreis Rottweil, Dr. Bernhard Schönemann, um seine Einschätzung gebeten. Er war just da, nach eigenen Angaben zum ersten Mal seit einem Jahr überhaupt, in einem fünftägigen Urlaub. Daher reichen wir seine Antworten nun nach. Er liefert zudem eine Einschätzung zu den ab 1. September anstehenden dritten Impfungen. Und erklärt, dass die Corona-Tests nicht weiter kostenlos sein müssten.

NRWZ: Haben Sie aus Sicht des Pandemiebeauftragten die (Groß-)Veranstaltung Ferienzauber beobachtet oder gar inhaltlich im Vorfeld begleitet?

Dr. Bernhard Schönemann: Natürlich habe ich die Veranstaltung beobachtet, weil jede Großveranstaltung Einfluss auf das Infektgeschehen im Kreis haben kann und damit unmittelbar Auswirkung auf die ambulante Versorgung. Eine inhaltliche Begleitung erfolgte nicht, da hier das Gesundheitsamt zuständig und kompetent ist.

NRWZ: Hatten oder haben Sie Bedenken, was eine mögliche Ausbreitung des Coronavirus betrifft?

Schönemann: Nachdem ein Großteil der Landkreisbevölkerung geimpft ist (halte die Impfquote für höher als offiziell festgestellt), ein streng lokaler Bezug da ist und es sich um eine Außenveranstaltung handelt, hatte ich bei Einhaltung der 3G-Regel keine großen Befürchtungen, dass sich das SARS-CoV-2-Virus ausbreitet. Es wird Zeit, zu einem normalen Leben zurückzufinden.

NRWZ: Zeigt die Entwicklung der Inzidenz im Landkreis Rottweil aus Ihrer Sicht, dass die Veranstaltung Ferienzauber funktioniert? Oder dass sie vielmehr Gefahren birgt?

Schönemann: Die Entwicklung zeigt, dass alles bei der Veranstaltung Ferienzauber funktioniert hat und lässt damit zu, weitere Veranstaltungen ähnlicher Art und Größe zuzulassen.

NRWZ: Halten Sie es für Glück oder Ergebnis der Bemühungen, dass der Ferienzauber wenigstens bisher nicht zu einem Corona-Hotspot geworden ist?

Ergebnis der Bemühungen von erfahrenen Veranstaltern unter der Aufsicht eines bestens funktionierenden und sehr kompetenten Gesundheitsamtes und gepaart mit dem immer notwenigen Quäntchen Glück

NRWZ: Welche Gedanken haben Sie im Hinblick auf mögliche (Groß-) Veranstaltungen im kommenden Herbst und Winter?

Halte diese aufgrund der vorherigen Ausführungen für möglich und für die psychosoziale Gesundheit auch notwendig. Meinem Dafürhalten nach haben wir die Pandemie im Griff und wir sollten uns von ihr nicht mehr allzu viel fremdbestimmen lassen. Die neue Coronaverordnung für Baden-Württemberg ab am 16.08.2021 trägt dem ja bereits Rechnung.

Unabhängig vom Ferienzauber erklärt Schönemann: „Gerne hätte ich noch Ausführungen zu den ab 1. September 2021 anstehenden dritte Impfungen gemacht.“ Stand der Dinge sei, dass die Gesundheitsminister und -ministerinnen eine dritte Impfung in Pflegeheimen „empfehlen“, frühestens sechs Monate nach der zweiten Impfung und beginnend ab 1. September. Priorisiert werden sollen über 70-Jährige und Risikogruppen. Dazu der Pandemiebeauftragte des Landkreises:

Da viele finanzschwächere Länder bisher eine relativ niedrige Impfquote wegen fehlendem Impfstoff aufweisen und damit letztendlich auch eine Gefahr für alle Urlauber in diesen Ländern darstellen, ist die zeitliche Umsetzung der 3. Impfung in Europa nicht ganz schlüssig zumal es rein praktische Gründe gibt, diese noch zu schieben. Der Impfstoff Comirnaty von Biontech hat nachgewiesenermaßen die beste Wirkung gegen die Delta-Variante. Allerdings raten das Robert Koch-Institut und die STIKO von einer „Impfung unter Zeitdruck“ ab, und auch die Firma Biontech empfiehlt im Moment keine 3. Impfung. Zum einen wird gerade bei der EMA (Europäische Arzneimittelbehörde) erst jetzt eine Zulassung für diese 3. Impfung beantragt, zum anderen kommt von Biontech dann (wird schon produziert) ein bzgl. der Delta-Variante optimierter Impfstoff, sodass Biontech erst ab Mitte/Ende Oktober von einer Drittimpfung ausgeht. Dieser Impfstoff wird dann auch als Fertiglösung kommen, sodass nicht mehr verdünnt werden muss. Die aufwendige Rekonstitution entfällt. Daneben wird es Anfang nächsten Jahres die Einmal-Fertigspritze geben, sodass jederzeit geimpft werden kann und man nicht immer mindestens sechs Impflinge pro Vial benötigt, um keinen Impfstoff zu verschwenden. Nichtsdestotrotz werden die Ärzte diese 3. Impfung auf Wunsch der Behörde anbieten, da es doch eine große Zahl verunsicherter Personen gibt, die sich diese dritte Impfung für Ihre eigene Sicherheit wünschen. Aufgrund der Ausführungen rate ich eher noch zu warten.

Da nun ein Impfangebot für alle besteht, wird es Zeit die Antigentests nicht länger dem Steuerzahler aufzuerlegen. Auch dies ist ja ab Mitte Oktober vorgesehen.

Dr. Bernhard Schönemann
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Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.