Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Reibungshitze am leckgeschlagenen Lösungsmittel-Tank: Polizei hat Vermutung zur Brandursache am Toluol-Transporter

Großeinsatz für mehr als 300 Rettungskräfte / Autobahn zwischen Empfingen und Sulz voll gesperrt

Reibungshitze, die entstand, weil der Tanklaster nach einem Fahrfehler seines Lenkers an einer Betonwand entlangschrammte – diese Ursache vermutet die Verkehrspolizei Zimmern ob Rottweil nach dem Großbrand auf der A 81 bei Empfingen. Der 65-jährige Fahrer konnte unverletzt aus seinem verunfallten Lkw aussteigen. Die zwischenzeitlich mehr als 300 Einsatzkräfte hatten dann stundenlang mit dem Feuer zu kämpfen, die Autobahn war über einen großen Zeitraum in beiden Richtungen gesperrt.

Massive Rauchwolke über der Autobahn 81 zwischen Sulz und Empfingen: Dort brannte ab dem Montagnachmittag ein Lastkraftwagen, ein Tanklaster, der Lösungsmittel geladen hatte. Gegen 20 Uhr war das Feuer endlich gelöscht. Es hatte etwa vier Stunden lang gebrannt. Der Einsatz war damit nicht zu Ende. „Das Feuer an der Einsatzstelle ist inzwischen gelöscht. Der Tanklastzug wird aktuell heruntergekühlt“, schrieb der Rottweiler Kreisfeuerwehrsprecher um 3 Uhr in der Nacht auf Dienstag. Und weiter: „Über TUIS wurde eine Unterstützung der Stufe 3 angefordert – die Werkfeuerwehr BASF ist vor Ort eingetroffen.“

TUIS hat die chemische Industrie in Deutschland und Österreich eingerichtet, um Experten bei Transport-Unfällen mit Chemikalien beraten zu können. Und aktiv zu unterstützen. Denn „da das geladene Lösungsmittel nicht vollständig verbrannt ist, muss dieses unter großem Aufwand umgepumpt werden“, so der Feuerwehrsprecher. Für die Einsatzkräfte von Feuerwehr, DRK und Maltesern, THW und Polizei bedeutete es in der Nacht zunächst: „Ein Ende des Einsatzes ist weiterhin nicht absehbar.“ Das galt gegen 3 Uhr, die Sperrung hielt am Morgen gegen 7 Uhr noch an.

Was der Sprecher der Feuerwehr im gleichen Zuge offiziell bestätigte, zuvor war es an der Einsatzstelle kolportiert worden: Der Tanklastzug hatte ein Lösungsmittel geladen. Es handelte sich um das gesundheitsschädliche Toluol. Es ist unter anderem in Benzin enthalten. Was in dem stundenlang anhaltenden Feuer nicht verbrannte, musste dann aufwendig umgepumpt werden.

Vermutete Unfallursache

Zwischenzeitlich hat der Verkehrsunfalldienst der Polizei in Zimmern ob Rottweil die Ermittlungen zur Unfallursache aufgenommen. „Vermutlich kam der 65-jährige Lkw-Fahrer aus dem Landkreis Heilbronn mit seinem Silo-Sattelzug zu weit nach rechts auf die dortige Betonseitenwand, auf der sich der Lkw beziehungsweise der Auflieger in der Folge verkantete und so seitlich umkippte“, berichtet eine Sprecherin des zuständigen Polizeipräsidiums auf Nachfrage der NRWZ am Donnerstag zum Stand der Ermittlungen.

„Mutmaßlich durch die hohen Reibungen et cetera hat sich dadurch das hochentzündliche Toluol – ein organisches Lösungsmittel – in einer der fünf Lagerkammern, die durch den Unfall beschädigt worden war, entzündet“, so die vorläufige Erklärung weiter. So sei es in der Folge dann auch zum Brand des Lkws gekommen. Der Fahrer habe sich selbständig noch aus dem Laster über die zerborstene Seitenscheibe befreien können und erlitt glücklicherweise nur leichtere Verletzungen. Durch Spezialisten wurden die übrigen vier Kammern dann abgepumpt und aus der Gefahrenzone entfernt. Eine weitere Spezialfirma sanierte etwa 200 Quadratmeter Fahrbahn, die durch die hohen Temperaturen beschädigt worden war, sodass beide Fahrtrichtungen am Dienstagabend gegen 22 Uhr wieder für den regulären Verkehr freigegeben werden konnten.

Die Ermittlungen zur Unfallursache sind damit laut der Präsidiumssprecherin nicht abgeschlossen, sie dauern an.

Wie die Polizei damit auch erklärte, ist nur eine von fünf Kammern des Transporters ausgebrannt. Diese sorgte alleine für das stundenlang anhaltende Feuer, das die Einsatzkräfte nur kontrolliert abbrennen lassen konnten.

Foto: Peter Arnegger

Erst umpumpen, dann bergen

Das Umpumpen des unverbrannten Lösungsmittels war am Dienstagmorgen abgeschlossen, der verunfallte „Tankwagen ist nun leer“, vermeldete die Feuerwehr Horb. Die Feuerwehr baute ihre Einsatzinfrastruktur zurück, im Anschluss begann die Bergung des Lkws. „Erst danach können die Reinigungs- und Aufräumarbeiten an der Fahrbahn starten“, so die Feuerwehr Horb.

Die Rauchwolke von Empfingen aus gesehen. Foto: Ralph Munz
Die Unfallstelle am Abend nach Abschluss der Löscharbeiten. Foto: Kreisfeuerwehr Rottweil

Auch eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz bestätigte am späten Dienstagvormittag die Ladung des Lkws. Das Lösungsmittel Toluol habe durch eine Spezialfirma vollständig abgepumpt werden können.

Ursache für den Unfall stand zunächst nicht fest

Der Lastzug war am Montagnachmittag in Brand geraten. Wie der Unfall geschah, war zunächst noch unklar, aber aufbauend auf ersten Zeugenaussagen sah die Polizei es bereits am Montag als wahrscheinlich an, dass der Lastzug ins Schlingern kam, die Mittelleitplanke durchschlug und dann umkippte. Daraufhin habe er zu brennen begonnen. Das Fahrzeug lag quer auf der Fahrbahn.

Das teils ausgebrannte Wrack des verunglückten Lkws. Foto: Peter Arnegger

Der Abschnitt der A 81 Singen-Stuttgart zwischen Sulz und Empfingen ist komplett gesperrt worden. Auch in der Gegenrichtung. Der Einsatz war zunächst recht niedrig als Kfz-Brand alarmiert. Dann wurde er rasch hochgestuft. Es rückten den Nachmittag über immer wieder Kräfte der Feuerwehr nach. Laut dem Sprecher der Kreisfeuerwehr Haberer sind etwa Groß-Tanklöschfahrzeuge aus Tuttlingen und Rottweil nachgefordert worden. Für die Bevölkerung wurde eine Warnmeldung ausgegeben. Im Umkreis von zunächst acht, dann 15 Kilometern sollten Fenster und Türen geschlossen werden. Diese Warnung konnte am Abend aufgehoben werden.

Löschfahrzeuge der Feuerwehren Oberndorf und Sulz waren zunächst vor Ort, außerdem Kräfte der Feuerwehren aus Horb und Empfingen. Gemeinsam kämpften sie gegen das am Nachmittag immer wieder auflodernde Feuer. Später sind weitere Einheiten hinzu alarmiert worden, aus Deißlingen, Freudenstadt, Schiltach, Schramberg, Wurmlingen, beispielsweise. Und Tübingen.

Fotos: Peter Arnegger

Einsatzkräfte stehen zunächst im Stau

Die Einsatzkräfte hatten zunächst Mühe, zur Einsatzstelle vorzudringen. Die Polizei bat ortskundige Autofahrer, das Gebiet weiträumig zu umfahren. Die im Stau wartenden Verkehrsteilnehmer konnten später umkehren. Zugleich wütete das Feuer weiterhin massiv, wurden Kräfte nachgefordert – hauptsächlich zur Löschwasserversorgung. Laut dem Feuerwehrsprecher sind am Nachmittag mehr als 100 Einsatzkräfte in über 30 Fahrzeugen vor Ort eingesetzt. „Zu Spitzenzeiten waren mehr als 300 Einsatzkräfte in über 60 Fahrzeugen von Feuerwehr, THW, DRK und Spezialkräfte von BASF vor Ort“, sagte Haberer am Morgen danach. Der Autobahnabschnitt werde noch für Stunden gesperrt sein, hieß es. Die Straße müsse nach Abschluss der Löscharbeiten, die um 19.20 Uhr immer noch liefen, zunächst hergerichtet werden, ergänzte die Polizei. Dazu werde eine andere laufende Baustelle abgeschlossen, um das Gerät rasch vor Ort zu haben und die Fahrbahn wieder herrichten zu können.

Die Unfallstelle lag in einer Baustelle. Diese ist zweispurig befahrbar und weist keinen Standstreifen auf, weshalb die im Stau stehenden Fahrzeuge den anrückenden Wagen der Feuerwehr anfangs kaum ausweichen konnten. Deshalb standen auch nachrückende Kräfte im Stau. Das löste sich, als Mitarbeiter der Straßenmeisterei Teile der Betonabtrennung zur Fahrbahn der Gegenrichtung frei machten. Über diese, aber auch über die eigentlich gesperrte Fahrbahn der laufenden Baustelle konnten dann die Kräfte von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst zur Unfallstelle vorfahren. Zugleich wurde der Löschwasser-Pendelverkehr so geführt.

Die Einsatzleitung hatte der Empfinger Kommandant Dieter Eger.

Einsatzleiter Eger mit dem Rottweiler Stadtbrandmeister Müller (links). Das Bild entstand mehrere Stunden nach der Alarmierung , als sich die Lage soweit stabilisiert hatte. Foto: Peter Arnegger

Geheimnis um die Ladung des Lkws

Was der Tanklaster genau geladen hat, war zunächst nicht bekannt. Die Feuerwehr hielt sich bedeckt, die Polizei ebenfalls, es war aber von einem Gefahrgut die Rede. Das implizierte: Hier brannte kein Benzin und kein Diesel. An der Einsatzstelle war dann immer wieder zu hören – hinter vorgehaltener Hand und mit dem Hinweis „das haben Sie nicht von mir“ -, dass ein Lösungsmittel gebrannt habe. „Übles Zeug“, sagte ein Feuerwehrmann. Unterhalb der Autobahnbrücke lag ein überwältigender Geruch nach diesem Mittel in der Luft. Am Abend, als die Löscharbeiten abgeschlossen waren, war die Gefahr aber nicht gebannt. Einer der Behälter des Lkws hatte das Feuer überstanden. Damit war unklar, wie sehr er unter Druck steht. Dazu ist die Sondereinheit des Chemieunternehmens BASF angefordert worden. Die regionalen Kräfte zogen sich etwas zurück. Am späten Abend begann das Umpumpen.

Für den Fall der Fälle haben Ehrenamtliche des DRK nahe der Anschlussstelle Empfingen ein Versorgungs- und Betreuungszentrum eingerichtet. Für die Einsatzkräfte auf der Autobahn. Gegen 21.45 Uhr war teilweise Abbau. Auf der Autobahn hat das DRK eine weitere Versorgungsstation aufgebaut, die gut frequentiert war.

Betreuungsstation an der Anschlussstelle Empfingen
Verpflegungsstation auf der A 81. Fotos: Peter Arnegger

Einsatz auch unter der Autobahn

Unter der Fahrbahn und Brücke liegt ein Regenüberlaufbecken. Das dorthin abfließende Löschwasser gilt als verschmutzt und wurde abgepumpt. Dabei half etwa auch die Firma Alba, ein Entsorgungsunternehmen.

Adrian Karrais vom Umweltschutzamt des Rottweiler Landratsamts hat sich ein Bild vor Ort gemacht. Er sieht die Umgebung des Beckens dank des Eingreifens der Einsatzkräfte der Feuerwehr am Abend nicht als gefährdet. Auch ein Fachberater des THW ist vor Ort. Der Fachberater Chemie der Feuerwehr Rottweil, Dr. Michael Sowa, bestätigte die Angaben des Mannes vom Landratsamt. Den brennenden Stoff bezeichnete er nicht als besonders gefährlich, aber beleibe auch nicht unproblematisch. „Nahe daran, als giftig zu gelten“, so Sowa. Zum Brand sagte er, das Feuer flamme immer wieder auf, wenn der Löschschaum, der eingesetzt wird, für einen Moment aussetzt. Die Feuerwehr verwendete Löschschaum, weil Wasser den Brand zwar schneller gelöscht hätte, dann aber Unmengen an Löschwasser angefallen wären, die die Umwelt belastet hätten, hieß es am Mittag.

Den Einsatzabschnitt unterhalb der Brücke leitete der Schiltacher Kommandant und stellvertretende Kreisbrandmeister Markus Fehrenbacher (links).
Fotos vom Einsatzabschnitt unter der Brücke. Auch das THW ist mit Fachleuten vor Ort. Foto: Peter Arnegger

Laut dem Schiltacher Kommandanten Markus Fehrenbacher, der als stellvertretender Kreisbrandmeister den Abschnitt unter der Brücke leitete, lasse man inzwischen das Brandgut oben abbrennen. Die Lage sei statisch, die Löscharbeiten werden ununterbrochen fortgeführt. Dies sagte er gegen 19 Uhr.

Zwischenzeitlich rückte auch der Gefahrgutzug des Landkreises Rottweil, der in Rottweil stationiert ist, an. Weitere vier Fahrzeuge auf Anfahrt. Ihre Aufgabe: auch Messungen in den in Windrichtung liegenden Ortschaften vornehmen. Damit die Einsatzleitung sich ein Bild aus der Luft machen konnte, war die Drohne des Landkreises Rottweil ebenfalls alarmiert worden, so der Kreisfeuerwehrsprecher Sven Haberer zur NRWZ. Über der Unfallstelle schwebte lange Zeit zudem ein Hubschrauber der Polizei.

Das DRK hatte neben dem Rettungswagen auch einen Notarzt und den Organsatorischen Leiter Rettungsdienst sowie den Rottweiler Kreisbereitschaftsleiter an die Unfallstelle entsandt. Dieser konnte die Unfallstelle bald wieder verlassen, die Kameradinnen und Kameraden aus Empfingen übernahmen. Am Abend und in der Nacht war weiterhin ein Notarzt zugegen und mehrere Rettungswagen standen bereit.

Brände im Nahbereich

Aus den benachbarten Gemeinden sind weitere Kräfte der Feuerwehr alarmiert worden. Im Bereich der Unfallstelle kam es zu Vegetationsbränden. Die Kräfte der Feuerwehr Oberndorf hatten sich bereits im Einsatz befunden, hatten gerade ihre Rettungs- und Sicherungsarbeiten nach einem schweren Unfall bei Vöhringen abgeschlossen.

Der Rückstau auf der A 81 war groß. Die Menschen verließen zwischenzeitlich ihre Fahrzeuge, richteten sich auf eine längere Wartezeit ein. Spaziergänger, die sich allzu weit von ihren Wagen wegbewegten, forderte eine anrückende Streife der Polizei auf, zu diesen zurückzukehren. Erste Fahrzeuge kehrten dann um, jemand hatte die Betonplanken beiseitegestellt. An der Einsatzstelle hat die Polizei dann auch gegen 17.45 Uhr das Wenden ermöglicht. Der Stau löste sich auf.

Foto: Peter Arnegger

Der brennende Lkw unterdessen ließ stundenlang unvermindert eine große Rauchwolke aufsteigen. Mitunter mit Unterbrechungen, die auf die laufenden Löscharbeiten hindeuteten. Doch anschließend wurde der Rauch wieder deutlich dichter.

Der Verkehr suchte sich einen Weg durch die angrenzenden Ortschaften, besonders betroffen waren Empfingen und Mühlheim am Bach. Die empfohlene Umleitung: U44.

Die Einsatzstelle, rechts im Hintergrund der verunglückte Lastzug.
Der Einsatzabschnitt unterhalb der Autobahnbrücke.
Einsatzbesprechung der Kräfte des THWs vor Ort.
Alle Fotos: Peter Arnegger

Am Dienstagmorgen hieß es bis auf Weiteres vonseiten der den Einsatz leitenden Feuerwehr:

Ein großer Dank an alle beteiligten Einsatzkräfte und Organisationen für die reibungslose und sehr gute Zusammenarbeit vor Ort!




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Back to top button