Die von Tierschützern befürchtete Abgabewelle von „Corona-Tieren“ findet offenbar statt: Immer mehr Tierheime nehmen Tiere auf, die während der Pandemie unüberlegt im Internet, beim Züchter oder im Zoofachhandel angeschafft wurden. Auch der illegale Welpenhandel, der durch die Corona-Krise einen Aufschwung erfuhr, führt mancherorts zu überfüllten Tierheimen. Das Rottweiler meldet auf Nachfrage der NRWZ: „Unser Hundehaus ist belegt.“
„Die aktuelle Entwicklung lässt uns mit Sorge in die Zukunft blicken“, sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, schon vor Wochen. Auch wenn Tierheime zuletzt nur vereinzelt mit vermehrten Abgaben zu kämpfen hatten, rechneten sie mit einer Flut von Neuaufnahmen. „Die Kapazitäten könnten dann irgendwann erschöpft sein“, befürchtete Schröder.
Das ist nun etwa in Rottweil der Fall. „Ja, die Abgabeanfragen haben in der letzten Zeit massiv zugenommen“, so Vanessa Schreiber, Leiterin des Rottweiler Tierheims, auf Nachfrage der NRWZ. Ganz besonders für Hunde, die während der Pandemie angeschafft wurden, werde die Einrichtung nun in Anspruch genommen. „Aktuell ist in unserem Hundehaus auch restlos jede Box belegt und wir haben keine Aufnahmekapazität mehr“, ergänzt Schreiber.
Vor dieser Situation hätten sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter „in der Form schon lange nicht mehr“ gehabt. Betrachte man die aktuelle Entwicklung, „wird sich das auch in nächster Zeit nicht ändern“, befürchtet sie.
Während die meisten der Tierheime in der Corona-Zeit dank der großen Nachfrage viele ihrer Schützlinge in gute Hände vermitteln konnten, schlägt das Pendel also längst in die andere Richtung aus. Die Heime füllen sich stetig. Schon vor Wochen hatten erste Tierheime bereits einen Aufnahmestopp verkündet, so der Deutsche Tierschutzbund. Um Rückgaben von adoptierten Tierheimtieren handelt es sich demzufolge bei den aufgenommenen Tieren aber in den seltensten Fällen – denn die Vermittlung in ein passendes „Zuhause-für-immer“ stehe für jedes Tierheim an erster Stelle.
Vielmehr gehen die Tierschützer davon aus, dass viele Tiere als „Pandemie-Projekt“ unüberlegt und leichtfertig im Internet, im Zoofachhandel oder beim Züchter angeschafft worden seien. Überforderung, die Unvereinbarkeit von Tier und Alltag oder die Tatsache, dass das Tier nicht so „funktioniert“ wie erwartet, führten dann dazu, dass Tierbesitzer ihre „Neuanschaffung“ im Tierheim abgeben oder im schlimmsten Fall sogar aussetzen.
„Bei Schwierigkeiten ist es immer ratsam, einen kompetenten Trainer zu kontaktieren, und in manchen Fällen ist auch eine tierärztliche Untersuchung ratsam“, so die Rottweiler Tierheimleiterin Schreiber weiter.
„Viele Menschen haben die Corona-Krise genutzt, um ihren lang gehegten Traum nach einem Tier endlich in die Tat umzusetzen. Wir befürchten jedoch, dass sich mindestens genauso viele spontan für einen tierischen Mitbewohner entschieden und sich zu wenige Gedanken gemacht haben, was nach Lockdown, Homeoffice und Homeschooling mit einem Tier auf sie zukommt. Was passiert, wenn man weniger Zeit hat, weil man seinen Hobbys wieder nachgehen, Freunde treffen oder Bars und Cafés besuchen möchte und der nächste Urlaub ansteht. In der Corona-Zeit gilt daher mehr als je zuvor: Die Anschaffung eines Tieres muss gut durchdacht sein“, erklärt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Sich ein Tier ausschließlich aus Langeweile, Einsamkeit oder als Beschäftigungsmaßnahme zuzulegen, ist keine gute Idee.“
Weil Veranstaltungen und Feste in den Tierheimen seit Beginn der Corona-Krise ausfallen und damit wichtige Einnahmequellen wegbrechen, stehen viele Tierheime derzeit finanziell schlecht da. Wichtige Neuerungen und lange geplante Ausbauten mussten verschoben werden. Aufgrund der andauernden massiven Anfrage nach Tieren – und teilweise auch wegen vieler beschlagnahmter Tiere aus dem boomenden illegalen Handel – haben Tierheime alle Hände voll zu tun. Eine Abgabewelle nach der Pandemie könnte viele an ihre Kapazitäts- und Leistungsgrenzen bringen.
Info: Mit der Kampagne „Tierheime helfen. Helft Tierheimen!“ (www.tierheime-helfen.de) klärt der Deutsche Tierschutzbund als Dachverband von über 740 Tierschutzvereinen und rund 550 Tierheimen über die wertvolle Arbeit der Tierheime und ihre aktuelle Situation auf. Der Verband rät, sich im Vorfeld immer gut zu überlegen, ob ein Tier ins eigene Leben passt. Wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, sollte das Tierheim immer die erste Anlaufstelle sein.
Die Betreiber des Rottweiler Tierheims haben auf dieser Seite alles Wissenswerte rund um die Unterstützungsmöglichkeiten für ihre Einrichtung aufgelistet.