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„In Summe konfliktfrei“: Parkplätze in Rottweil vorübergehend besetzt – nun läuft die Diskussion

Ein bisschen Improvisation zu Beginn, dann konnte der „Park(ing) Day“ am Samstag in Rottweil starten. In den meist belebtesten Stunden der Woche, während des Samstagmarkts, besetzten Radfahrfreunde und engagierte Bürgerinnen und Bürger öffentlichen Parkraum. Das ging „in Summe konfliktfrei“ vonstatten, wie es hieß. Allerdings läuft jetzt, im Nachgang, die Diskussion.

Ein SUV, ausgerechnet, parkte am Morgen noch rasch einen der eigentlich für die Aktion per Ausschilderung gesperrten Stellplätze zu. Wie mehrere Teilnehmende an der Aktion berichteten und wie der Ordnungsdienst der Stadt bestätigte, habe eine der reservierten Flächen verlegt werden müssen. Das sei aber das einzige kleine Problem gewesen. Insofern sei die Aktion „Park(ing) Day“ in Rottweil an diesem Samstag „in Summe konfliktfrei“ verlaufen, wie der ehrenamtliche Radfahrbeauftragte Gunnar Link der NRWZ vor Ort erzählte. Sein radfahrbegeisterter Mitstreiter Michael Bach vom ADFC bestätigte das. Unterdessen reparierten Teilnehmende Fahrräder, stellte ein Cartoonist seine Zeichnungen aus, lud das Forum für Rottweil zu Gesprächen ein und gab es mehrere Sitzgelegenheiten statt Platz für einzelne Blechkisten. Fünf solcher Stellplätze waren in der Hochbrücktorstraße reserviert und für ein paar Stunden besetzt worden.

Update: Radbeauftragter wehrt sich gegen Kritik.

Auf der Facebook-Seite der NRWZ äußern Nutzer Kritik an der Aktion. Sie wird als „völlig sinnfrei“ bezeichnet, jemand mahnt auch die Ungleichbehandlung von Radfahrern und Autofahrern an – erstere zahlten keine Steuern für den Straßenunterhalt (tatsächlich haben Experten einen volkswirtschaftlichen Nutzen des Rad- gegenüber dem Autofahren errechnen können). Eine Nutzerin erklärt:

Ich verstehe nicht, warum man als Autofahrer immer und überall drangsaliert wird. Man zahlt jede Menge Steuern, muss teuer tanken und bezahlt doch fürs Parken. Was würden denn die ganzen Geschäfte noch einnehmen, wenn kein Autofahrer mehr in die Stadt fahren und dort einkaufen kommen würde. Es kann nunmal nicht jeder mit dem Rad fahren. Dafür gibt es 100 verschiedene Gründe. Warum kann man sich nicht einfach gegenseitig akzeptieren und in Ruhe lassen.

Hierauf antwortet der ehrenamtliche Radbeauftragte Gunnar Link ebenfalls auf der NRWZ-Facebook-Seite wie folgt:

Eine kurze sachliche Einordnung dieser Aktion: Für 4 Stunden wurden 5 Parkplätze temporär „umgenutzt“. Das entspricht ungefähr einer größeren Umzugsaktion mit LKW. Oder wenn zwei, drei Verkaufswägen oder Foodtrucks Parkplätze belegen. Nichts Dramatisches, genehmigt und alles war entspannt. — Ziel der Aktion: Sich über die Nutzung von öffentlichem Raum Gedanken zu machen. Einen Diskurs anregen und anbieten. Manche haben dies genutzt. Mein subjektiver Eindruck heute: Solch eine Aktion zeigt wie lebendig der öffentliche Raum genutzt sein kann. Begegnung, Austausch, fröhliche Menschen, die zudem vor Ort konsumieren. Denn wer in der Stadt länger verweilt, kauft auch dort ein. Ein entspannter Vormittag.

Auch ein in der Hochbrücktorstraße angesiedelter Einzelhändler meldet sich zu Wort. Er lobt die Aktion des Parkraum-Besetzens ausdrücklich, lenkt den Fokus auf etwas anderes. So schreibt Modehändler Tobias Rützel, und erhält dafür viel Zustimmung:

Vielen Dank für das Beleben der Innenstadt, für diesen kurzen Zeitraum an den ADFC. Der Dank ist durchaus ernst gemeint. Weil es unter immer weniger Händlerkollegen durchaus herausfordernd ist, die üppigen Freiräume in der Hochbrücktorstraße kontinuierlich zu bespielen.

Heute haben viele Personen ehrenamtlich etwas Nettes auf die Beine gestellt. Dafür Parkplätze zu nutzen, ist natürlich nicht in meinem Sinne (klar, meine Befangenheit), Freiflächen gäbe es reichlich.

Kurzer Geschichtsexkurs:

Vor der Umgestaltung Rottweil Mitte 2010 gab es Wenzler, Max, Holland, Sanitätshaus Philipp, Café Lythi, Max, Becher und Blumen Zink, Commerzbank, BW-Bank, Drogeriemarkt Müller …

Durchweg alle dieser Kollegen mussten sich ohne Übertreibung 1000fach anhören, dass es bei der Stammkundschaft gar nicht gut ankommt, dass die Parkmöglichkeiten damals derart stark dezimiert wurden. Man gab sich jedoch kooperativ und nutzte die neu gewonnene Freifläche für Warenauslage und Bestuhlung.

Heute: Keines der Geschäfte existiert mehr! Davon 1 aus Altersgründen. Der Rest aus Frequenzmangel, trotz Tempo 20 und reichlich räumlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Und immer noch glauben einige Mitglieder des Gemeinderats, dass in einer Kleinstadt ohne soliden ÖPNV, insbesondere bei der Topografie Rottweils Verkehrsberuhigung zu Belebung führt.

Mindestens 250 Tage im Jahr ist unsere Fußgängerzone leer und man will es einfach nicht sehen, oder behauptet fahrlässig das Gegenteil. 

Die Diskussion auf Facebook

Bildergalerie

Zum Hintergrund: Park(ing) Day in Rottweil: Aus Parkplätzen werden grüne Begegnungsräume

Am Samstag, 28. Juni, fand in Rottweil erstmals der internationale Park(ing) Day statt. Ab 9 Uhr sollten Bürgerinnen und Bürger, Initiativen und Vereine ein paar der Parkplätze in der Hochbrücktorstraße in grüne Oasen und lebendige Begegnungsräume verwandeln, hieß es in einer Pressemitteilung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC).

Der Park(ing) Day ist ein weltweiter Aktionstag, der seit 2005 jährlich stattfindet und zeigt, wie aus monotonen Parkflächen kreative und kommunikative Räume entstehen können. Statt Autos sollen an diesem Tag Pflanzen, Sitzgelegenheiten und Gemeinschaftsgefühl die Straßen prägen.

„Unser Ziel ist es, Rottweil noch lebenswerter zu machen und zu zeigen, welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn wir den öffentlichen Raum neu denken“, erklärte der ADFC Rottweil im Vorfeld. Die Aktion sollte Bürgerinnen und Bürgern verdeutlichen, wie viel Platz tatsächlich für Autos reserviert ist und welche Alternativen möglich wären.

Die Organisatoren luden alle Interessierten herzlich zur Teilnahme ein. Mitgebracht werden konnten etwa Pflanzen und Blumen, Klappstühle oder Picknickdecken, kreative Ideen und vor allem gute Laune. Neben Informationsständen sollte die Veranstaltung Gelegenheit bieten, ins Gespräch zu kommen und gemeinsam zu erleben, wie sich das Stadtbild durch weniger Autoverkehr verändern könnte.




Pressemitteilung (pm)

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7 Kommentare

  1. Wetten, dass auch noch so viele Radfahrer
    den seit der Eiszeit waltenden natürlichen Klimawandel nicht ausbremsen können.
    Das können auch alle anderen Aktivitäten nicht verhindern.

  2. Wer den Hinweis in dem Artikel , das Fahrrad habe gegenüber dem Auto eine größeren volkswirtschaftlichen Nutzen, glaubt, glaubt auch noch an den Weihnachtsmann . Was ist mit den ganzen Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie und ihren Zulieferern. Was mit den vielen Menschen die “rund ums Auto” arbeiten ? Aber das Ergebnis dieser angeblichen Berechnung passt in die Zeit. Nur wird dies alles mangels Steuereinnahmen unseren Sozialstaat in den Ruin treiben wie sich ja schon abzeichnet. Gerade die Hochbrücktorstrasse die soviel Raum bietet sollte ein auskömmliches Nebeneinander aller Beteiligter ermöglichen!

    1. Die paar Arbeitsplätze …… dafür kann man schön chillen und rumhocken. Das ist das Leben wovon diese Menschen träumen. Im Grunde schade dass es nicht geregnet hat…… Dann hätten wir genau diese Menschen im Ostfriesennerz plaudernd und chillend gesehen ….. Sarkasmus Ende

  3. Witzig, es haben mal wieder alle recht, aber ich fürchte, wir kulturkämpfen wieder nur und reden so komplett aneinander vorbei.
    Mit dem Fahrrad fahr ich nicht gern nach Rottweil rein, weil ich zwar mit 1,5m Abstand nur überholt werden darf, dies aber meist gar nicht möglich ist (Einmündungen, Kreuzungen, Überquerungshilfen) und auch nicht von den Autofahrenden so praktiziert wird. Die drängelnde Meute über weite Strecken hinter sich zu haben, ist auch nicht witzig, vor allem nicht für mich, als gelegenheitsradelnden Autofahrer.
    Mit dem Auto ist es eine Müh, denn familiär vorbelastet, ist für mich der einzig richtige Parkplatz der „direkt vorm Loch“ und ja, man läuft dann zwischen den Geschäften noch rum, also was soll’s, aber nein, der Erste muss passen, sonst passt es gefühlt halt nicht.
    Mit dem ÖPNV ist es so eine Sache, ich komm ja, gut geplant, so einigermaßen hin und zurück, braucht aber irre Zeit, darf also nur zum Spaß sein, wo diese nichts ausmacht und am Wochenende, bzw. sonst nach 19 Uhr, wird es zum Staatsakt (sorry lieber Anrufbus, du bist wichtig und lieb gemeint, aber nur, wenn es nicht anders ginge… tut es aber immer und im ländlichen Raum braucht es stets ein Auto… also eher nicht).
    Das ist für mich alles weit Jenseits von „Autofahrende sind böse und Fahrradfahrende sind böse“, somit ungeeignet für die üblichen plakativen Streits bis hin zu „Ich zahl Steuern, Verbrennerverbot und E-Bike Rentner, oder Team-Telekom Pedaleuren, mit eingebauter Vorfahrt“.
    Im Mittelalter hätte man wohl eine Häuserzeile abgebrochen und alles verbreitert, damit die größer gewordenen Ochsengespanne ungestreift aneinander vorbeikommen, aber heute… wer wollte das historische Ensemble missen? Es kann also nie so viele attraktive Parkplätze geben, als das durch deren schiere Menge und Attraktivität, sich der Besucherstrom so drastisch erhöht, als dass es neuen wirtschaftlichen Konsumschwung und die City trägt. Mit einer ausschließlichen reinen und breitspurigen Fahrradwelt aber auch nicht. Wirklich wohl fühlt sich jeweils ohne 100%, aber keine der beiden Welten – es wird also keinen Ausgleich geben.
    Ich kann aber auch nicht sagen, ob diese Stadtgröße, mit den heute üblichen elektronischen Einkaufsmöglichkeiten, über Wochenmarkt und Sonderereignisse hinaus, überhaupt als renditefähiger Geschäftsort gehalten werden kann.
    Also, nette Aktion, stimmt alles, gut, dass wir das jetzt nochmal aufgezeigt bekommen haben, aber weiter hat es uns jetzt auch nicht gebracht.

  4. Keine Anmerkung zu „Für 4 Stunden wurden 5 Parkplätze temporär „umgenutzt“. Das entspricht ungefähr einer größeren Umzugsaktion mit LKW. Oder wenn zwei, drei Verkaufswägen oder Foodtrucks Parkplätze belegen. Nichts Dramatisches, genehmigt“. Was muss ich als Geschäftsinhaber oder als Bürger an die Stadt für eine solche Aktion bezahlen? Und was haben diese Aktivisten dafür bezahlen müssen? Wenn Herr Rützel das toll findet ….. dann bitte nicht jammern wenn man nicht bei ihm einkauft!

  5. Da muss ich doch Schuttigbiss uneingeschränkt zustimmen!

    (ironisch): Was für ein eindrucksvoller Parking Day in Rottweil!
    Aus meiner (Autofahrer)Sicht wurde mit dieser Aktion und dem eindrücklichen Zuspruch seitens der Bevölkerung einmal mehr belegt, dass es sich ganz eindeutig um eine gesellschaftliche Minderheit handelt, welche den Autoverkehr aus unseren Innenstädten verbannen will.

    Schade nur, dass die hierzu schweigende Mehrheit, die solchem Aktionismus kritisch begegnet, nicht gleichermaßen Aufmerksamkeit erfährt.

  6. Wenn das eine tolle Sache war …… na dann weiß ich auch nichts mehr. Wenn ich als Mitglied des GHV’s keine Intervention des Verbandes sehen würde, würde ich mir den Mitgliedsbeitrag sparen und ggf. mir Gedanken auf einen Standort außerhalb Rottweil suchen.
    Als Kunde der Händler der Stadt werde ich mich ebenfalls umorientieren. Was soll’s anderswo gibt es auch gute Bäcker und Metzger …..
    Vielleicht wird es Zeit, dass sich die Autofahrer die Straße zurückerobern. Radfahrer verbotenerweise entgegen der Einbahnstraße …… ach so sind die besseren Menschen!

    Bin mal gespannt wer für diese Modelle dann die Finanzierung zum Erhalt übernehmen. Frau F. Bott sicher nicht.

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