Windkraftanlagen: Rottweiler Freie Wähler wollen Bürgerbeteiligung erzwingen – aber geht das überhaupt?

Freiflächenfotovoltaikanlagen und Windkrafträder müssen auf der Basis aktueller Bestimmungen und Rahmenbedingungen von Städten und Gemeinden verstärkt betrachtet und geprüft werden. Städte und Gemeinden sind aufgerufen, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Sprich: Sie sollen Flächen zur Verfügung stellen. So auch etwa im Bereich Vaihinger Hof bei Rottweil, auf Gemarkung der Gemeinde Dietingen, das steht seit langem fest. Die Freien Wähler im Rottweiler Gemeinderat begehren nun dagegen auf. Unklar ist, was ihr Protest bewirken kann.
Städte und Gemeinden müssen ihren Beitrag zu leisten, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und Staaten mit großem Rohstoffvorkommen zu verringern und auf Nachhaltigkeit bei der Energiegewinnung setzen. Das Land Baden-Württemberg gibt insofern vor, in den kommenden Jahren einen Flächenanteil für die Produktion von regenerativer Energie bereitzustellen. Im November 2023 bereits hieß es seitens der Gemeinde: „Waren größere Solar- und Windkraftanlagen vor Jahren in unserer Region eher selten, so stehen sie nunmehr im Zentrum politischer Entscheidungen und zukunftsweisender Überlegungen.“
Anfang 2024 hat der Regionalverband Vorranggebiete für Windkraftanlagen festgesetzt – wie es das entsprechende Landesgesetz vorsieht. Zielvorgabe der Landesregierung ist es, zwei Prozent der Fläche in Baden-Württemberg für die Erzeugung von erneuerbarer Energie auszuweisen, hiervon 0,2 Prozent für Solarenergie und 1,8 Prozent für Windkraft. Unter den Gebieten, die nun dafür ins Auge gefasst worden sind, sind auch Flächen auf Rottweiler Gemarkung, auf dem Hochwald, aber auch im Wald zwischen Dietingen, Neukirch und Rottweil.
Die Stadt Rottweil sucht seit März 2025 mittels eines „Interessensbekundungsverfahrens“ Projektentwickler für Windkraftanlagen im Wald zwischen Neukirch und Dietingen. Der Gemeinderat ist eingebunden worden. Es schien, als ginge das Verfahren seinen Gang. Doch haben sich nun die Rottweiler Freien Wähler zu Wort gemeldet. So sehen sie es in einem am heutigen Montag verschickten Schreiben als „schweren Eingriff in unsere kommunale Selbstverwaltung, wenn der Gesetzgeber – die aktuelle Landesregierung – der Stadt Rottweil die Zuständigkeit für Planung und Genehmigung der Windkraftanlagen entzieht“. Auch sehe das Genehmigungsverfahren keine Bürgerbeteiligung vor. „Dies stellt einen einmaligen Vorgang dar, wenn die Landesregierung derart in unsere kommunale Selbstverwaltung eingreift. Sogar bei der Standortsuche neue JVA hat die Landesregierung die Stadt Rottweil mitbestimmen lassen“, schreibt der FWV-Fraktionssprecher Dr. Peter Schellenberg.
Seine Fraktion will die Bürgerbeteiligung nun erzwingen und beantragt daher nicht nur, die zum Windkraftprojekt vorliegenden Informationen öffentlich zu machen, sondern auch, den Regionalverband zusammen mit den Grundstückseigentümern (Auftraggeber der Windkraftanlagen) aufzufordern, eine Bürgerinformation zum aktuellen Stand der Planungen der Windkraftanlagen im Bereich Vaihingerhof/Neukirch zu veranstalten. „Inhaltlich sollten die Bürger über das Genehmigungsverfahren, die Ergebnisse der Windmessungen, die Standorte der Windkraftanlagen und die Zuwegungen für Transport- und Stromtrassen informiert und angehört werden“, so Schellenberg.
Geht das? Kann die Stadt, kann der Rottweiler Gemeinderat hier eine Bürgerbeteiligung erzwingen? Zunächst sei es zur Einordnung wichtig, zu wissen, dass die Ausweisung der Vorrangflächen für Windkraft laut Landesgesetzgebung bei den Regionalverbänden liegt, nicht bei den jeweiligen Kommunalverwaltungen. Das erklärt die Stadt auf Nachfrage. „Wir als Stadtverwaltung haben daher keine Steuerungsmöglichkeit“, legt sich ein Sprecher der Stadt Rottweil fest. Man wolle den Antrag der Freien Wähler wie üblich mit den Fraktionsspitzen besprechen und klären, wann er auf die Tagesordnung des Gemeinderats genommen werden kann. „Bis dahin werden wir mit den zuständigen Fachämtern auch eine Einschätzung zum Antrag abgeben können. Dies betrifft auch die Frage, ob oder inwieweit der Antrag überhaupt um- oder durchsetzbar ist.“
Als gesetzt gilt aktuell dass im Bereich Vaihingerhof/Neukirch auf der Gemarkung Dietingen und Rottweil Windkraftanlagen gebaut werden sollen. Für landeseigenen Flächen wurde bereits das Unternehmen RWE und für die Flächen der Gemeinde Dietingen die EnBW als Investoren beauftragt. Zuletzt sei der Rottweiler Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Sitzung zum Stand der Planungen der beiden Investoren informiert worden. Darunter hätten sich „neue relevante Informationen für unsere Bürgerschaft“ befunden, so Schellenberg weiter.
Die Freien Wähler fühlen sich und das Gremium, dem sie angehören, übergangen. „Bis heute wurde der Rottweiler Gemeinderat von Seiten der Landesregierung beziehungsweise des Regionalverbandes über das gesamte Vorgehen nicht informiert. Der zuständige Regionalverband arbeitet völlig intransparent“, urteilt Schellenberg als Sprecher der FWV-Fraktion. Deren Mitglieder hätten viele Fragen an den Regionalverband. Und er schiebt nach: „Für die beauftragten Energieriesen, die verständlicherweise nur eine Optimierung ihres eingesetzten Kapitals anstreben ist Bürgerinformation nur eine lästige Pflichtaufgabe.“