Faustschlag in der Kneipe: Glatter Freispruch

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„Sie können sich nicht vorstellen, was das für mich bedeutet hat.“ Ein junger Schreiner aus Schramberg ist nach dem für ihn positiven Ausgang eines Strafprozesses immer noch ganz aufgeregt. „Ich hab‘ noch nie auch nur einen Strafzettel wegen falschem Parken gekriegt, und dann kommt so was.“

Vor dem Amtsgericht in Oberndorf war am Montag ein Prozess  gegen den jungen Mann wegen Körperverletzung in die zweite Runde gegangen. Wegen eines Faustschlags am 19. August 2018 in einer Kneipe in Schramberg stand er vor Gericht. Da es am ersten Verhandlungstag vor zwei Wochen für diese Schlägerei keine Zeugen gab, hatte die Richterin einen zweiten Verhandlungstag angesetzt, um weitere Zeugen zu hören.

Zeugen und Opfer, die nichts gesehen haben

Ein Zeuge, ein Bekannter des Opfers, berichtet, er habe die Schlägerei selbst nicht gesehen. Er habe auch „keine Ahnung“, wer dem Opfer den Faustschlag versetzt hatte. Er sei „zu besoffen“ an dem Abend gewesen. Als zweiter Zeuge sagt das damalige Opfer aus. Der erste Zeuge habe ihm erzählt, dass der Angeklagte ihn geschlagen habe. Dieser habe ihm aber das Versprechen abgenommen, seinen Namen nicht zu nennen, weil er Angst vor dem Angeklagten hätte. Er habe den Angeklagten auf einem Bild gleich erkannt, das auf Facebook  veröffentlicht worden war. Da aber auch das Opfer wohl durchaus viel getrunken hatte, hatte auch er keine Erinnerung, wer ihm denn den Fausthieb verpasst hatte.

Die Richterin fragt den Angeklagten nach seinen persönlichen Verhältnissen. Nach der Werksrealschule Schreinerlehre und seit 2016 Schreinergeselle mit 1800 Euro Einkommen, feste Freundin beste Beziehungen zu Eltern und Geschwistern. Keine Vorstrafen.

Die Staatsanwältin meint, am ersten Verhandlungstag sei doch  eine Einstellung des Verfahrens im Raum gestanden? Es ist klar, bei der Anklage wird  nichts herauskommen. Der Verteidiger aus Schramberg lehnt denn auch ab. Er werde auf Freispruch plädieren, kündigt er an.

Staatsanwältin und Verteidiger plädieren auf Freispruch

In ihrem Plädoyer kommt die Staatsanwältin – reichlich spät leider – zur Erkenntnis, dass der Angeklagte mit dem Faustschlag nichts zu tun hatte. Seine Freundin habe bestätigt, dass er an dem Abend zu Hause war, ein Onkel, dass er nicht in der Kneipe war. Dass der Angeklagte der Schläger war, habe kein Zeuge bestätigt. „Keiner hat den Angeklagten am Tatort gesehen.“ Sie beantrage deshalb, den Angeklagten „aus tatsächlichen Gründen“ freizusprechen, die Kosten  des Verfahrens  soll der Staat tragen.

Für den Verteidiger ist damit eigentlich schon alles klar. Er erinnert an den tadellosen Lebenswandel des jungen Mannes. „Es gibt keinerlei Anzeichen, dass er rumschlägert.“ Der Hauptbelastungszeuge sei an diesem Abend betrunken gewesen. Kein einziger Zeuge, weder der Wirt noch die Polizei noch das Rote Kreuz hätten den Angeklagten dort gesehen. Auch habe der Geschädigte erst Wochen nach dem Schlag überhaupt Anzeige erstattet. Auch er fordert Freispruch.

Staat zahlt

Nach zwei Minuten hat auch die Richterin ihr Urteil: Freispruch. Sie glaube dem  Opfer, dass es in der Nacht einen Vorfall gegeben hatte.  Sie vermutet, dass  man den Angeklagten mit jemand anderem verwechselt hat. „Wie er auf Sie gekommen ist, ist nicht sinnvoll nachvollziehbar“, sagt die Richterin zum Angeklagten. Aber niemand anderes habe ihn am Tatort gesehen.  Dass er dem einen Zeugen tatsächlich Angst einflöße, stimme nicht. „Er hat die Wahrheit gesagt.“ Deshalb Freispruch. Mit einem freundlichen „Dankeschön, dass Sie gekommen sind“, verabschiedet sich die Richterin von den Beteiligten.

Ach ja: Die Kosten des Verfahrens und die Auslagen den zu Unrecht Angeklagten übernimmt die Staatskasse Das ist ein schwacher Trost für den Schreinergesellen nach einem im Grunde völlig unnötigen Verfahren. Einem Verfahren, das den jungen Mann und seine Familie zweifellos jahrelang belastet hat.

Das interessiert diese Woche



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Vor dem Amtsgericht in Oberndorf war am Montag ein Prozess  gegen den jungen Mann wegen Körperverletzung in die zweite Runde gegangen. Wegen eines Faustschlags am 19. August 2018 in einer Kneipe in Schramberg stand er vor Gericht. Da es am ersten Verhandlungstag vor zwei Wochen für diese Schlägerei keine Zeugen gab, hatte die Richterin einen zweiten Verhandlungstag angesetzt, um weitere Zeugen zu hören.

Zeugen und Opfer, die nichts gesehen haben

Ein Zeuge, ein Bekannter des Opfers, berichtet, er habe die Schlägerei selbst nicht gesehen. Er habe auch „keine Ahnung“, wer dem Opfer den Faustschlag versetzt hatte. Er sei „zu besoffen“ an dem Abend gewesen. Als zweiter Zeuge sagt das damalige Opfer aus. Der erste Zeuge habe ihm erzählt, dass der Angeklagte ihn geschlagen habe. Dieser habe ihm aber das Versprechen abgenommen, seinen Namen nicht zu nennen, weil er Angst vor dem Angeklagten hätte. Er habe den Angeklagten auf einem Bild gleich erkannt, das auf Facebook  veröffentlicht worden war. Da aber auch das Opfer wohl durchaus viel getrunken hatte, hatte auch er keine Erinnerung, wer ihm denn den Fausthieb verpasst hatte.

Die Richterin fragt den Angeklagten nach seinen persönlichen Verhältnissen. Nach der Werksrealschule Schreinerlehre und seit 2016 Schreinergeselle mit 1800 Euro Einkommen, feste Freundin beste Beziehungen zu Eltern und Geschwistern. Keine Vorstrafen.

Die Staatsanwältin meint, am ersten Verhandlungstag sei doch  eine Einstellung des Verfahrens im Raum gestanden? Es ist klar, bei der Anklage wird  nichts herauskommen. Der Verteidiger aus Schramberg lehnt denn auch ab. Er werde auf Freispruch plädieren, kündigt er an.

Staatsanwältin und Verteidiger plädieren auf Freispruch

In ihrem Plädoyer kommt die Staatsanwältin – reichlich spät leider – zur Erkenntnis, dass der Angeklagte mit dem Faustschlag nichts zu tun hatte. Seine Freundin habe bestätigt, dass er an dem Abend zu Hause war, ein Onkel, dass er nicht in der Kneipe war. Dass der Angeklagte der Schläger war, habe kein Zeuge bestätigt. „Keiner hat den Angeklagten am Tatort gesehen.“ Sie beantrage deshalb, den Angeklagten „aus tatsächlichen Gründen“ freizusprechen, die Kosten  des Verfahrens  soll der Staat tragen.

Für den Verteidiger ist damit eigentlich schon alles klar. Er erinnert an den tadellosen Lebenswandel des jungen Mannes. „Es gibt keinerlei Anzeichen, dass er rumschlägert.“ Der Hauptbelastungszeuge sei an diesem Abend betrunken gewesen. Kein einziger Zeuge, weder der Wirt noch die Polizei noch das Rote Kreuz hätten den Angeklagten dort gesehen. Auch habe der Geschädigte erst Wochen nach dem Schlag überhaupt Anzeige erstattet. Auch er fordert Freispruch.

Staat zahlt

Nach zwei Minuten hat auch die Richterin ihr Urteil: Freispruch. Sie glaube dem  Opfer, dass es in der Nacht einen Vorfall gegeben hatte.  Sie vermutet, dass  man den Angeklagten mit jemand anderem verwechselt hat. „Wie er auf Sie gekommen ist, ist nicht sinnvoll nachvollziehbar“, sagt die Richterin zum Angeklagten. Aber niemand anderes habe ihn am Tatort gesehen.  Dass er dem einen Zeugen tatsächlich Angst einflöße, stimme nicht. „Er hat die Wahrheit gesagt.“ Deshalb Freispruch. Mit einem freundlichen „Dankeschön, dass Sie gekommen sind“, verabschiedet sich die Richterin von den Beteiligten.

Ach ja: Die Kosten des Verfahrens und die Auslagen den zu Unrecht Angeklagten übernimmt die Staatskasse Das ist ein schwacher Trost für den Schreinergesellen nach einem im Grunde völlig unnötigen Verfahren. Einem Verfahren, das den jungen Mann und seine Familie zweifellos jahrelang belastet hat.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.