Nach 26 Jahren erst im Tennenbronner und dann im Schramberger Gemeinderat hat sich am Donnerstagabend Reinhard Günter aus dem Gremium verabschiedet. Seine Ratskolleginnen und Kollegen verabschiedeten ihn mit „standing ovations“.
Schramberg. Ganz am Ende der langen Tagesordnung stand sein Antrag auf Ausscheiden aus dem Rat. Fachbereichsleiter Christian Birkle erläuterte, es gebe keinen Grund, Günters Antrag abzulehnen. Folgerichtig stimmte alle Ratskolleginnen und -kollegen zu.
Ärger über Gersbachkanal als Auslöser
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr war für die Verabschiedung aufgestanden. „Mit Ihnen verabschieden wir heute einen Menschen, der über ein Vierteljahrhundert in kommunalpolitischen Gremien mitgewirkt und sich über noch längere Zeit politisch engagiert hat“, so Eisenlohr. Der 1960 geborene Günter habe sich 1980 über die Kanalisierung des Gersbach in Tennenbronn geärgert und sei danach aktiv geworden.

Schon in den 80er Jahren, als Umweltthemen noch längst nicht Trend waren und Umweltaktivisten oft belächelt wurden, habe er sich für Biolebensmittel und Müllvermeidung und gegen Flächenverbrauch, Smog und Atomkraftwerke eingesetzt. Nach Tschernobyl 1986 war er einer der Mitgründer der Tennenbronner Umweltgruppe.
Eingemeindung mitgestaltet
1999 erstmals in den Tennenbronner Gemeinderat gewählt, habe er „die herausfordernden Jahre der Eingemeindung nach Schramberg“ miterlebt und mitgestaltet. Dass die damals entstandenen Gräben überwunden werden konnten, sei auch Günters Gesprächsbereitschaft und sachlichen Art zu verdanken. Nach der Eingemeindung war Günter Ortschaftsrat bis 2011 und dann wieder ab 2019 bis jetzt.
Bei den Debatten im Gemeinderat sei er nie der Lauteste im Raum gewesen, aber immer präsent, gut vorbereitet und sehr bei der Sache: „Eine ruhige, verlässliche Stimme mit einem gesamtstädtischen Blick – auf jeden Fall auch über die Grenzen Tennenbronns hinaus.“
Ein echter Lichtblick in etlichen Ratssitzungen sei sein Satz gewesen: „Also, ich vertrau‘ da der Verwaltung“, zitierte Eisenlohr den scheidenden Stadtrat. Das habe ihr persönlich und dem Team der Stadtverwaltung oft gut getan.
Alle im Rat und der Verwaltung würden ihn mit seiner angenehmen, freundlichen Art vermissen. „Sie haben viel zum positiven Umgang mit einander beigetragen und jede Debatte mit Ihrer gut begründeten Argumentation bereichert“, betonte Eisenlohr. Sie dankte Günter „für alles, was Sie für Tennenbronn, für Schramberg und für unsere kommunale Demokratie getan haben.“
Thomas Brantner: Verbundenheit mit dem Gemeinwohl
Im Namen der Gemeinderatskolleginnen und -Kollegen sprach Thomas Brantner. Der Sprecher der CDU-Fraktion zitierte Günters Leitspruch in der Politik: „Ich möchte mich mit aller Kraft für den Erhalt unserer demokratischen Strukturen, den Schutz von Minderheiten und unserer ökologischen Vielfalt einsetzen.“ Als langjähriges Mitglied im Kolping „wäre sicherlich auch eine andere politische Heimat denkbar gewesen“, scherzte Brantner. Doch die drängenden Themen der 80er hätten Günter geprägt.

Er berichtete, dass Reinhard und der ebenfalls langjährige Josef Günter Vettern seien, die am selben Tag mit wenigen Minuten Abstand auf die Welt gekommen seien. Vielleicht hätten die beiden damals schon beschlossen, gemeinsam in die Kommunalpolitik einzusteigen. Später hätten sie zusammen Fußball gespielt und Musik gemacht.
Er beschrieb Reinhard Günters berufliche Entwicklung vom Fahrradmechaniker zum Gitarrelehrer. Dass Günter als selbständiger Lehrer für die vielen Sitzungen seine Unterrichtsstunden auf Samstage verlegt habe, das zeuge „von einer tiefen Verbundenheit mit dem Gemeinwohl“, so Brantner.
Er erinnerte an den autofreien Sonntag im Sommer 2011 im Bernecktal, den Günter mitorganisiert habe, ein Fest, dass die Menschen aus allen Stadtteilen zusammenbrachte. „Schade, dass es nie eine Wiederholung gab.“
Günter habe eine klare Haltung: Er höre sich erst die Argumente der anderen an: „Es könnte ja sein, dass sie auch recht haben.“ Dann bilde er sich seine Meinung, melde sich zu Wort – und stimme auch öfters nicht mit der eigenen Fraktion.
Kein Rückzug in den Schmollwinkel
Sie seien sich “über viele Jahre Auge in Auge gegenübergesessen“, so Brantner Er habe Günters Wortmeldungen stets mit großem Respekt verfolgt. Wenn Günter sich zu Wort gemeldet habe, habe im Sitzungssaal eine besondere Ruhe geherrscht.
Günter sage von sich, er sei wohl derjenige Gemeinderat mit den meisten abgelehnten Anträgen. „Deine Reaktion darauf war aber nie Verärgerung oder Rückzug in einen Schmollwinkel. Für Dich ist dies gelebte Demokratie“, lobte Brantner.
Günter: Der richtige Zeitpunkt aufzuhören
Es sei eine „sehr schöne und wichtige Zeit“ für ihn gewesen, bedankte sich Reinhard Günter für die ehrenden Worte. „Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt für mich, auszuscheiden.“ Zu Beginn seiner Ratstätigkeit habe er 35 Minuten gebraucht, um von Schramberger Rathaus nach der Sitzung durchs Bernecktal zu sich nach Hause in Tennenbronn zu radeln. „Jetzt sind es gut 45 Minuten. Ich wollte nicht warten, bis es 60 sind…“
Er dankte den Ratskolleginnen und Kollegen, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung. Er sei Mechaniker und Gitarrelehrer und deshalb auf die Beratung durch die Fachleute angewiesen. Deren ausführliche Erklärung der Themen habe ihm sehr geholfen, Entscheidungen zu treffen.

Ein großer Dank ging an seine Frau Melanie, die ihm immer den Rücken gestärkt habe. „Die Belastung durch die vielen Pflichttermine war teilweise schon massiv.“ Er erinnerte daran, dass er es auch umgekehrt gemacht habe, als Melanie Günter im Tennenbronner Gemeinderat saß. „… und da waren unsere Kinder noch klein“, ergänzte er lachend.
Heimat bei den Buntspechten
Günter bedankte sich bei seiner Fraktion und den „Buntspechten“. Er sei ein politischer Mensch, den ökologische und soziale Themen besonders beschäftigten. In der Fraktion und bei den Buntspechten habe er viele Freunde gefunden, mit denen er habe reden und diskutieren können. „Ohne diesen Hintergrund wäre ich nicht so lange im Rat geblieben.“ Er plädierte dafür, sich in Parteien oder Gruppen zu engagieren. Das sei für die Demokratie wichtig.
Unter den Besucherinnen war auch Altstadträtin Elke Brezger, die bei der Eingemeindung Tennenbronns für die Buntspechte stark engagiert war. „Elke hat mich bei dem Prozess wahrscheinlich als ‚Buntspecht‘ erkannt und wollte mich werben. Aber da war das für mich schon entschieden.“ Monika Kaltenbach und Josef Günter von der gemeinsamen BDU-Liste hätten sich damals für die SPD entschieden – und seien dann wieder in der gemeinsamen Fraktion gelandet. Günter schloss: „Es war eine wichtige und schöne Zeit. Das war‘s.“
Der Rat, die Oberbürgermeisterin und die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter erhoben sich und applaudierten lange ihrem scheidenden Kollegen.



