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    Ein paar Anmerkungen

    Herzlichen Glückwunsch

    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    Mit zwölf Jahren stand ich in den Redaktionsräumen des „Schwarzwälder Boten“, Redaktion Schramberg, um meine Dienste als freier Mitarbeiter anzubieten. Ein Mann, der so aussah, als würde er sich manchmal eine Zigarette anzünden, nur um dann festzustellen, dass bereits eine in seinem Mundwinkel steckte, hörte sich meine kurze Ansprache an.

    Ich sagte, dass ich Journalist werden wolle, und dass ich mich gut auskenne in unserer kleinen Stadt, dass ich bestimmt von Nutzen sei, schon deshalb, weil ich so klein sei, weil ich also viel sähe und wenig auffalle. Dass man mir also jetzt doch bitte zeigen solle, wie das geht mit dem Schreiben, und Geld, ja, das wolle ich dafür auch haben, wie viel es denn sei, so pro Text?

    Der Mann nickte kurz, murmelte so was wie: Traut-sich-was-der-kleine-Stinker und scheuchte mich nach draußen. Ich überquerte die Straße, trat in die Redaktionsräume der „Schwäbischen Zeitung“, Redaktion Schramberg, ein, die damals links neben dem Rathaus ihren Platz hatte. Es roch besser. Eine Dame sprach mich an: „Was willst du denn hier?“ Im Hintergrund fluchte irgendwer über unterbelichtete Bilder. Ich hielt meine kurze Ansprache. Sie lächelte. „Du bist noch ziemlich jung?“ Ich betonte, dass ich schon ins Gymnasium gehe. Bruchrechnen könne ich schon, wenn auch erst seit Kurzem. Und dass man „Rhythmus“ mit „Rh“ und „th“ schreibe, wisse ich auch. Nur so zum Beispiel. Sie stellte mich dem Redaktionsleiter vor. Und der gab mir einen Job. Als Zeitungsausträger des Wochenblatts.

    Es war nicht genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Aber immerhin. Damals spürte ich zum ersten Mal den Zauber und die Kraft des Medienpluralismus: die Möglichkeit, die Straßenseite zu wechseln und eine weitere Gelegenheit zu haben, dass sich jemand für deine Geschichte interessiert, ist eine Möglichkeit von großem Wert. Städte wie Schramberg oder Rottweil sind nichts anderes als das große Ganze einer Republik – abgebildet im kleinen Ganzen einer Gemeinde. Das macht Lokalpolitik und Lokaljournalismus für mich so faszinierend: Die Diskussion um die Politikerdiäten im Bundestag? Zeigt sich ebenso gut am eben gekürzten Sitzungsgeld der Schramberger Gemeinderäte. Die Wirtschaftskrise im Land? Findet sich in den Bemühungen ortsansässiger Firmen, zu sparen, ohne Mitarbeiter zu entlassen. Die Bewahrung historischer Bauten? Dazu kann man nach Berlin blicken und die nervtötende Debatte über das Stadtschloss verfolgen – oder die Engel am Rottweiler Münster zählen. Die ehrenwerten Versuche des Bundes, mit Entwicklungshilfe Gutes zu tun? Mindestens so ehrenwert wie die jahrelangen Mühen der Schramberger „Haiti-Hilfe“ – einem der nobelsten Vereine, die ich kenne.

    All die diesige Unübersichtlichkeit unseres komplizierten Lebens klart plötzlich auf, wenn man die Dinge aus der Nähe einer überschaubaren Gemeinde betrachtet. Das bedeutet leider nicht, dass die Dinge in ihrer Klarheit auch immer angenehmer werden. Aber wenigstens weiß man, woran man ist. Sieht die Wirkung von Aktion und Reaktion. Spricht statt über die namen- und zahlenlose Größe einer „Bevölkerung“ über Menschen. Über dich. Über mich.

    Voraussetzung für diesen klaren Blick ist ehrliches Interesse an Ereignissen und Hintergründen. Es war keine gute Nachricht, als sich die beiden großen Verlage des Landeskreises vor Jahren mutmaßlich aus Kostengründen entschlossen, ihre Verbreitungsgebiete zu verändern. Nur noch eine Lokalzeitung im Ort bedeutet das Ende von Konkurrenz und Meinungsvielfalt. Der klare Blick, den man auf die Zustände in einer Kleinstadt haben kann, trübt sich fast automatisch durch einen Mangel an Wettbewerb. Nicht mehr über die Straße gehen zu können, um seine Geschichte anderswo zu erzählen … oder um die Hintergründe einer Nachricht anderswo lesen zu können, ist ungefähr so, als käme an der Fasnet nur noch ein Hansel mit seinen Brezeln aus dem Rathaus. Das kann niemand wollen.

    Ich habe die Wochenzeitungen gerne ausgetragen. Ich mag den Geruch von frisch gedrucktem Papier bisher. Aber natürlich wollte ich weiterhin selbst schreiben. Und schließlich durfte ich auch Artikel in der „Schwäbischen Zeitung“ verfassen, erst als freier Mitarbeiter in der großartigen Redaktion Schramberg, Jahre später als Volontär, unter anderem in Rottweil. Eine großartige Zeit. Vor allem, weil ich bei den Kollegen immer echtes Interesse spüren konnte: die wollten wirklich wissen, welchen Quatsch der Gemeinderat da in der Abwasser-Problematik wieder beschlossen hat. Die mussten herausfinden, wer beim „Bach-na-Fahrer-Ball“ an der Sektbar geknutscht hat. Ob dieser seltsame Gymnasiums-Lehrer jetzt wirklich schon wieder im Unterricht die Evolutionstheorie widerlegen wollte.

    Die Redakteure gaben sich jeden Tag Mühe, ihre Zeitung so schlau, schick und spannend wie möglich zu machen. Bei der Neuen Rottweiler Wochenzeitung spüre ich dieses ehrliche Interesse an den Dingen auch, deshalb mag ich die Zeitung und ihren Online-Auftritt.

    Natürlich bin ich befangen. Ich geb’s zu. Ich kenne und schätze den Boss des ganzen Ladens. Ich kenne auch ein paar Geschichten über ihn … Leute, die würde mir niemand glauben, deshalb erzähl’ ich sie gar nicht erst. Aber ich war zum Beispiel live dabei, als der heutige NRWZ-Herausgeber Peter Arnegger ebenso wie ich seine Bewerbungsreportage für das begehrte Volontariat bei der „Schwäbischen Zeitung“ auf einer Schreibmaschine schrieb. Ich saß ihm gegenüber, als er sie tippte. Seinen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen: eine Mischung aus Qual, Lust, Angst, Stress, Spaß und Leidenschaft. Alles, was einem guten Journalisten ins Gesicht geschrieben sein sollte, wenn er schreibt. Dann weiß man nämlich, dass er seinen Beruf ernst nimmt.

    Es ist gut, wenigstens zwei öffentliche Meinungen in einer Stadt zu haben. Diesen Satz sollten Freunde wie Kritiker der NRWZ unterschreiben können. Es ist gut, von einer Straßenseite zur anderen gehen zu können, um seine Geschichte zu erzählen oder eine Geschichte erzählt zu bekommen.

    Gut, dass die NRWZ da ist. Herzlichen Glückwunsch zum fünften Geburtstag!

    Michael Ebert

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