„Wir fühlen uns verschaukelt“ – Reaktionen auf Gäubahn-Kappung

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Eine Aussage der Deutschen Bahn AG in der Verbandsversammlung des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn, wonach in den ersten Monaten der Unterbrechung kein S-Bahn-Anschluss von Stuttgart-Vaihingen zum Stuttgarter Hauptbahnhof bestehen soll, sorgt für Unmut. „Man lässt die Fahrgäste im sprichwörtlichen Nichts stranden und nimmt bewusst in Kauf, dass die Gäubahn als Verkehrsmittel massiv an Bedeutung verliert“, sagt etwa der Vorsitzende des Verbands, Guido Wolf. Und Oberbürgermeister entlang der Strecke erklären gemeinsam: „Wir fühlen uns verschaukelt.“

Oberbürgermeister der Städte entlang der Gäubahn reagieren laut einer gemeinsamen Mitteilung empört auf die neueste Ankündigung der Deutschen Bahn, wonach bei einer Kappung der Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen vorerst keine S-Bahn-Anbindung für die Fahrgäste der Gäubahn zur Verfügung stehen wird. „Wir fühlen uns gehörig verschaukelt. Und das ist noch milde ausgedrückt!“, heißt es in der Erklärung. Diese haben unterschrieben: Dr. Stefan Belz, Oberbürgermeister von Böblingen, Nico Reith, OB von Herrenberg, Peter Rosenberger, OB von Horb, Dr. Christian Ruf, OB von Rottweil, Michael Beck, OB von Tuttlingen, Jürgen Roth, OB von Villingen-Schwenningen, Bernd Häusler, OB von Singen und Uli Burchardt, OB von Konstanz.

Schon die Unterbrechung in Stuttgart-Vaihingen mit Umstieg auf die S-Bahn in Richtung Stuttgart Hauptbahnhof ab Frühjahr 2026 sei „ein Unding“, schreiben die Rathauschefs. „Dass die Verantwortlichen jetzt fast beiläufig mitteilen, selbst diese Notlösung nicht hinzubekommen, ist eine verkehrspolitische Bankrotterklärung. Da fährt dann also über ein halbes Jahr lang – wenn denn diese Zeitangabe überhaupt stimmt – ein Zug nach Nirgendwo!“, kritisieren sie die Bahn. Beim Volksentscheid hätten viele Menschen entlang der Gäubahn für Stuttgart 21 gestimmt und darauf vertraut, dass die Gäubahn selbstverständlich weiterhin an den Stuttgarter Hauptbahnhof angebunden bleibt und dass sich die Bahnverbindungen insgesamt verbessern. „Wenn jetzt die Gäubahn vom Hauptbahnhof abgekoppelt wird und sogar die Überbrückung per S-Bahn nicht wie versprochen steht, dann ist jegliches Restvertrauen zerstört. Und egal, was uns jetzt demnächst wieder als sogenannte Übergangslösung aufgetischt wird – das glaubt kein Mensch mehr“, erklären die OBs.

Zunächst sah es anders aus: „Der Unterbruch muss so kurz wie möglich gehalten werden. Jede zeitliche Verschiebung nach hinten ist ein Gewinn“, zeigte sich der Vorsitzende des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn, Wolf, zu Beginn der Verbandsversammlung optimistisch. Besonders erfreulich sei, dass es nun eine Perspektive gebe, den Anschluss an den Stuttgarter Kopfbahnhof bis Ende 2026 aufrechterhalten zu können. Ursprünglich war die Unterbrechung bereits ab Mai 2025 geplant. „Seit Beginn der Planungen wurde den Fahrgästen versprochen, dass in Stuttgart-Vaihingen ein komfortabler Umstieg mit eng getakteten S-Bahn-Verbindungen zur Verfügung stehen wird, um die Auswirkungen der Unterbrechung abzufedern“, betonte Wolf. Umso größer sei nun das Entsetzen, dass offenbar aufgrund der Bauarbeiten im S-Bahn-Netz in den ersten Monaten der Unterbrechung kein Anschluss von Stuttgart-Vaihingen an den Hauptbahnhof bestehen werde. „Das ist völlig unverständlich, inakzeptabel und macht mich fassungslos“, so Wolf weiter.

Die Aussagen fielen im Rahmen einer Online-Verbandsversammlung des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn. Dort informierte Dr. Clarissa Freundorfer, Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, über den aktuellen Stand der Planungen auf der Gäubahn und stellte sich den Fragen der Teilnehmenden.

„Für die Menschen entlang der Gäubahn muss ab dem ersten Tag der Unterbrechung ein verlässlicher und optimal abgestimmter Anschluss an das Stuttgarter S-Bahn-Netz sichergestellt sein. Dieses Versprechen wurde der Bevölkerung von Anfang an gegeben“, erinnerte Wolf. Seitdem bekannt wurde, dass der neue Stuttgarter Durchgangsbahnhof vor der Anbindung der Gäubahn an den Flughafen in Betrieb gehen soll – was eine mehrjährige Unterbrechung der Gäubahn in Vaihingen bis zur Fertigstellung des Pfaffensteigtunnels bedeutet – setzt sich der Interessenverband vehement für Ausgleichsmaßnahmen und einen leistungsfähigen Umstieg in Stuttgart-Vaihingen ein.

„Die Nachricht, dass in den ersten Monaten überhaupt kein S-Bahn-Anschluss vorhanden sein wird, ist ein Schlag ins Gesicht der Fahrgäste“, so Wolf. „Wir waren bislang zuversichtlich, dass mit den angekündigten Maßnahmen eine gute Lösung gefunden wird. Nun müssen wir feststellen: Nur durch stetigen, entschlossenen Druck werden die berechtigten Interessen der Menschen entlang der Gäubahn von den Entscheidungsträgern ernst genommen.“

Wolf kündigte an, sich mit Nachdruck für eine Lösung einzusetzen: „Wir werden alles daransetzen, dieses Abhängen der Region zu verhindern – notfalls auch gegenüber der neuen Bundesregierung. Eine Unterbrechung der Gäubahn ohne S-Bahn-Anschluss ist inakzeptabel und muss mit allen Mitteln verhindert werden.“

Die geplante Kappung der Gäubahn-Verbindung zum Stuttgarter Hauptbahnhof sorgt in der Region weiter für große Besorgnis. Der Rottweiler CDU-Landtagsabgeordnete Stefan Teufel macht deutlich: Eine Unterbrechung der Fernbahnanbindung dürfe es nur geben, wenn zuvor ein leistungsfähiger und verlässlicher S-Bahn-Anschluss steht. „Für unsere Region ist eine gute und durchgängige Anbindung an die Landeshauptstadt essenziell – für Pendler, Familien und die gesamte wirtschaftliche Entwicklung“, so Teufel. „Es darf nicht sein, dass die direkte Gäubahn-Verbindung gekappt wird, bevor eine zuverlässige S-Bahn-Anbindung steht. Erst wenn die eine Lösung gesichert ist, kann der Rest umgesetzt werden.“

Ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept für den Süden Baden-Württembergs müsse Verlässlichkeit bieten, so Teufel weiter. „Wir dürfen als Region nicht abgehängt werden. Ich stehe dafür, dass wir auch weiterhin gut an die zentralen Bahnverbindungen in Stuttgart angebunden bleiben – darauf müssen sich die Menschen verlassen können.“

Der Rottweiler Landtagsabgeordnete Daniel Karrais meldete sich ebenfalls im Zusammenhang mit der Sitzung des Interessensverbandes Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn zu Wort: „Die Unterbrechung der Gäubahn ab Frühjahr 2026 muss verhindert werden“, schreibt er. Es sei den Menschen in der Region schon schwer vermittelbar, dass die Gäubahn vom Hauptbahnhof abgehängt werden soll, solange dieser noch in Betrieb ist. Bislang habe die DB einen reibungslosen Umstieg auf die S-Bahn in Stuttgart-Vaihingen versprochen. „Was ohnehin schon nur ein schwacher Trost ist, soll nun nicht einmal stattfinden. Die S-Bahn soll kurz nach der geplanten Unterbrechung im Frühjahr 2026 über Monate hinweg gar nicht ab S-Vaihingen verkehren. Es entsteht der Eindruck, dass wir Gäubahn-Anrainer an der Nase herumgeführt wurden“, erklärt Karrais. Es sei gut, dass der Regionalverband Stuttgart sich dafür ausspricht, den Betrieb der Gäubahnstrecke bis Ende 2026 zu verlängern. Zudem dürfe die Gäubahn erst außer Betrieb gehen, wenn der Hauptbahnhof seinen Betrieb einstellt, forderte Karrais entsprechende Lösungen.

Ein positives Fazit zog der Abgeordnete zum Planungsfortschritt beim für die Direktanbindung notwendigen Pfaffensteigtunnel zwischen Böblingen und Flughafen: Die Planungsunterlagen seien zur Genehmigung eingereicht. Damit liege man im versprochenen Zeitplan. Jetzt kommt es darauf an, dass der Bund die Maßnahme mit Haushaltsmitteln hinterlegt. „Hier gibt es jedoch Signale, die zuversichtlich stimmen“.

Die Planungen zu weiteren Doppelspurinseln, unter anderem bei Sulz und zwischen Altoberndorf und Epfendorf bewertet Karrais kritisch. „Sulz soll in den aktuellen Plänen vom Fernverkehr abgehängt werden. Es ist kein Fortschritt für die Gäubahn, wenn man eine Stadt abhängt. Zwar hält der Regionalverkehr noch, es ist trotzdem eine Verschlechterung für Sulz. Insgesamt hat man die größten Engstellen ausgesucht, um Doppelspuren zu errichten. Bei Altoberndorf die ehemalige B14 zu verlegen, wird angesichts der engen Lage sehr schwierig und teuer. Es muss andere Varianten geben, die diese Engstellen umgehen“. Angesichts des Zeithorizonts mit Fertigstellung in den 2040er Jahren sei hier jedoch noch Zeit, Einfluss auf eine bessere Planung zu nehmen.





NRWZ-Redaktion

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