2G-Protest: „Sonne“ schließt – und wird dafür gefeiert

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Weil sie keine gesunden Menschen vom Wirtshausbesuch ausschließen wollen, ziehen die Betreiber der „Sonne“ in Herrenzimmern die Reißleine. Oder besser: Sie schließen ihr Gasthaus. Auch aus Protest gegen die Corona-Politik des Landes Baden-Württemberg. Dafür werden sie im Netz gefeiert. Der Dachverband DEHOGA kritisiert die Politik schon längere Zeit massiv.

„Eine Regel, die keiner will“ – der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA krisiert die seinerzeit vom Land angekündigten Maßnahmen in der Corona-Warn- und der -Alarmstufe schon länger. „Keiner von uns will die 2G-Regel“, sagte etwa Fritz Engelhardt, Vorsitzender DEHOGA Baden-Württemberg. Der Ausschluss der Ungeimpften aus Gastronomie und Hotellerie, den die neue Corona-Verordnung in der „Alarmstufe“ vorsieht, bedeute bei der aktuellen Impfquote eine Reduzierung des Gästepotenzials um deutlich mehr als 20 Prozent, rechnete Engelhardt vor. „In der Realität ist der Schaden noch größer, weil Gruppen, in denen sich Ungeimpfte befinden, durch die 2G-Regel von Restaurantbesuchen, Feiern und Veranstaltungen abgehalten werden“, so der Vertreter der Gastronomen und Hoteliers. Auch das Geschäft mit Businessgästen werde massiv leiden, wenn Ungeimpfte in der „Alarmstufe“ nicht mehr an Tagungen teilnehmen dürfen. Zudem stelle die Abfrage des Impfstatus bei Buchungen „ein enormes Problem für uns dar“.

Am Dienstag, 2. November, nun hat das Landesgesundheitsamt die Warnstufe ausgerufen. Die Inzidenz steigt allerdings weiter rapide an. Sollte sich der Trend fortsetzen, dann könnte noch in diesem Monat die Alarmstufe ausgerufen werden.

Alarm – der ist nach dem Empfinden der Betreiber des Gasthauses und Brauerei „Sonne“ in Herrenzimmern schon ausgelöst. An diesem Samstagmittag haben sie entnervt Kellner- und Kochschürze hingeworfen. Und zwar in Form eines Posts auf ihrer Facebook-Seite. „Seit eineinhalb Jahren leben wir alle in verrückten Zeiten“, beginnt der. Doch jetzt sei ein Punkt erreicht, „den wir nicht überschreiten wollen.“

Daher werde das Gasthaus bis auf Weiteres geschlossen. Man setzt auf Außer-Haus-Verkauf und die Treue der Stammkunden.

Dies soll einerseits einen Protest darstellen gegen die 2G-Maßnahmen der Politik, die zu weit gehen würden, wie es in der Erklärung online heißt. Hier „wollen wir hier nicht mehr mitmachen und gesunde Menschen aus unserer Sonne ausschließen.“ Man wolle „diese Trennung von Geimpften zu Ungeimpften nicht zulassen.“

Aber die Wirtsleute schauen auch vor die eigene Haustür: „Außerdem ist die Infektionslage in unserem Umkreis gerade so explosiv, dass wir euch, unser Team und auch uns selbst schützen wollen.“ Herrenzimmern und Bösingen bilden eine Gemeinde – und gerade dort marschiert Corona gerade, wie die NRWZ diese Woche titelte.

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Mehr Informationen

Auf ihrer Facebook-Seite werden die Gastronomen regelrecht gefeiert. Oft fällt das Wort „Respekt.“ Verbunden mit dem Versprechen, die „Sonne“-Betreiber dann eben über den Außer-Haus-Verkauf unterstützen zu wollen.

Klare Worte hatte bereits der DEHOGA-Landesvorsitzende Engelhardt gefunden. „Die neuen Regeln machen das Gastgewerbe mehr denn je zum Prellbock der gesellschaftlichen Impfdebatte und treffen uns wirtschaftlich härter als andere Branchen“, erkklärte er. „Dieses Sonderopfer, das der Staat uns erneut zumutet, haben wir gegenüber der Landesregierung deutlich kritisiert.“ Ohne Erfolg, wie es aussieht. Denn die Warnstufe gilt.

Dem wichtigsten Argument der Regierung – der drohenden Überlastung der Krankenhaus-Intensivstationen durch (ganz überwiegend ungeimpfte) Covid-19-Patienten – will sich der Hotel- und Gaststättenverband nicht verschließen. „Wir sind kein Verband, der wirtschaftliche Interessen höher bewertet als das Leben von Menschen, die in überfüllten Krankenhäusern nicht mehr behandelt werden können.“

So sieht der DEHOGA einzelne Forderungen umgesetzt. Unsere Betriebe bleiben unabhängig von der Inzidenz-Entwicklung geöffnet. Nach aktuellem Stand droht kein weiterer Lockdown. Auch der „chaotische Flickenteppich“, so Engelhardt, mit unterschiedlichen Landkreis-Regelungen gehört in Baden-Württemberg der Vergangenheit an. Die neuen Regeln gelten landeseinheitlich. Und: „Wir sind im Geschäft mit Geimpften und Genesenen weiterhin von umsatzschädlichen Auflagen befreit, denn in diesem Bereich gibt es keine negativen Änderungen: keine Kontaktbeschränkungen, keine Tischabstands-Regelungen, keine Personenzahl-Obergrenzen bei Veranstaltungen.“ Im Rahmen der allgemeinen Hygienekonzepte können die Gastwirte wir mit diesem Gästekreis also normal arbeiten.

Neu sei auch, dass die neue Corona-Verordnung ungeimpfte Mitarbeiter im Gastgewerbe verpflichtet, die Test-Angebote, die ihnen ihr Arbeitgeber auch bisher schon machen musste, künftig anzunehmen. „Das sorgt – in Verantwortung der Mitarbeiter – für noch besseren Gesundheitsschutz in unseren Betrieben und erspart vielen von uns kritische Diskussionen mit Gästen“, wertete das Engelhardt.

Allerdings: „Was die Landesregierung in der Stufe 2, der Warnstufe, vorsieht, ist nicht durchdacht und wird in der Praxis nicht funktionieren: Im Hotel und in den Gastro-Außenbereichen brauchen ungeimpfte Gäste in dieser Stufe einen negativen Antigen-Schnelltest – in den Gastronomie-Innenbereichen wird aber ein negativer PCR-Test verlangt.“ Diese Regelung werfe in der Praxis viele Fragen auf, es komme „zu unerfreulichen Diskussionen und massiven Problemen“, worunter dann die Akzeptanz des ganzen Regelwerks leide. So drängt der Verband darauf, dass auch in den Gastro-Innenbereichen ein negativer Antigen-Schnelltest genügen soll. „Denn die Erfahrung lehrt“, so Engelhardt, „nur Regeln, die in der Praxis umsetzbar sind, helfen bei der Eindämmung der Corona-Pandemie.“

Die Betreiber der „Sonne“ formulieren es so: „Wir sind für ein Miteinander – unterschiedliche Meinungen, Einstellungen waren bisher bei uns am Stammtisch überhaupt kein Problem, im Gegenteil – sogar erwünscht. Und das sollte auch bei der Impfentscheidung so sein. Darum sollten wir alle solidarisch sein und diese Trennung von Geimpften zu Ungeimpften nicht zulassen! Wir hoffen sehr, dass ihr uns verstehen könnt, denn es ist nicht unsere Aufgabe und schon gar nicht unser Standpunkt gesunde Menschen auszusperren und bei dieser Spaltung aktiv mitzumachen.“

Versöhnlich klingt der letzte Satz der Wirtsleute aus Herrenzimmern: „Hoffentlich hört dieser Wahnsinn ganz bald auf und wir können uns wieder unbeschwert hier in der Sonne treffen.“

Das interessiert diese Woche



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Weil sie keine gesunden Menschen vom Wirtshausbesuch ausschließen wollen, ziehen die Betreiber der „Sonne“ in Herrenzimmern die Reißleine. Oder besser: Sie schließen ihr Gasthaus. Auch aus Protest gegen die Corona-Politik des Landes Baden-Württemberg. Dafür werden sie im Netz gefeiert. Der Dachverband DEHOGA kritisiert die Politik schon längere Zeit massiv.

„Eine Regel, die keiner will“ – der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA krisiert die seinerzeit vom Land angekündigten Maßnahmen in der Corona-Warn- und der -Alarmstufe schon länger. „Keiner von uns will die 2G-Regel“, sagte etwa Fritz Engelhardt, Vorsitzender DEHOGA Baden-Württemberg. Der Ausschluss der Ungeimpften aus Gastronomie und Hotellerie, den die neue Corona-Verordnung in der „Alarmstufe“ vorsieht, bedeute bei der aktuellen Impfquote eine Reduzierung des Gästepotenzials um deutlich mehr als 20 Prozent, rechnete Engelhardt vor. „In der Realität ist der Schaden noch größer, weil Gruppen, in denen sich Ungeimpfte befinden, durch die 2G-Regel von Restaurantbesuchen, Feiern und Veranstaltungen abgehalten werden“, so der Vertreter der Gastronomen und Hoteliers. Auch das Geschäft mit Businessgästen werde massiv leiden, wenn Ungeimpfte in der „Alarmstufe“ nicht mehr an Tagungen teilnehmen dürfen. Zudem stelle die Abfrage des Impfstatus bei Buchungen „ein enormes Problem für uns dar“.

Am Dienstag, 2. November, nun hat das Landesgesundheitsamt die Warnstufe ausgerufen. Die Inzidenz steigt allerdings weiter rapide an. Sollte sich der Trend fortsetzen, dann könnte noch in diesem Monat die Alarmstufe ausgerufen werden.

Alarm – der ist nach dem Empfinden der Betreiber des Gasthauses und Brauerei „Sonne“ in Herrenzimmern schon ausgelöst. An diesem Samstagmittag haben sie entnervt Kellner- und Kochschürze hingeworfen. Und zwar in Form eines Posts auf ihrer Facebook-Seite. „Seit eineinhalb Jahren leben wir alle in verrückten Zeiten“, beginnt der. Doch jetzt sei ein Punkt erreicht, „den wir nicht überschreiten wollen.“

Daher werde das Gasthaus bis auf Weiteres geschlossen. Man setzt auf Außer-Haus-Verkauf und die Treue der Stammkunden.

Dies soll einerseits einen Protest darstellen gegen die 2G-Maßnahmen der Politik, die zu weit gehen würden, wie es in der Erklärung online heißt. Hier „wollen wir hier nicht mehr mitmachen und gesunde Menschen aus unserer Sonne ausschließen.“ Man wolle „diese Trennung von Geimpften zu Ungeimpften nicht zulassen.“

Aber die Wirtsleute schauen auch vor die eigene Haustür: „Außerdem ist die Infektionslage in unserem Umkreis gerade so explosiv, dass wir euch, unser Team und auch uns selbst schützen wollen.“ Herrenzimmern und Bösingen bilden eine Gemeinde – und gerade dort marschiert Corona gerade, wie die NRWZ diese Woche titelte.

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Auf ihrer Facebook-Seite werden die Gastronomen regelrecht gefeiert. Oft fällt das Wort „Respekt.“ Verbunden mit dem Versprechen, die „Sonne“-Betreiber dann eben über den Außer-Haus-Verkauf unterstützen zu wollen.

Klare Worte hatte bereits der DEHOGA-Landesvorsitzende Engelhardt gefunden. „Die neuen Regeln machen das Gastgewerbe mehr denn je zum Prellbock der gesellschaftlichen Impfdebatte und treffen uns wirtschaftlich härter als andere Branchen“, erkklärte er. „Dieses Sonderopfer, das der Staat uns erneut zumutet, haben wir gegenüber der Landesregierung deutlich kritisiert.“ Ohne Erfolg, wie es aussieht. Denn die Warnstufe gilt.

Dem wichtigsten Argument der Regierung – der drohenden Überlastung der Krankenhaus-Intensivstationen durch (ganz überwiegend ungeimpfte) Covid-19-Patienten – will sich der Hotel- und Gaststättenverband nicht verschließen. „Wir sind kein Verband, der wirtschaftliche Interessen höher bewertet als das Leben von Menschen, die in überfüllten Krankenhäusern nicht mehr behandelt werden können.“

So sieht der DEHOGA einzelne Forderungen umgesetzt. Unsere Betriebe bleiben unabhängig von der Inzidenz-Entwicklung geöffnet. Nach aktuellem Stand droht kein weiterer Lockdown. Auch der „chaotische Flickenteppich“, so Engelhardt, mit unterschiedlichen Landkreis-Regelungen gehört in Baden-Württemberg der Vergangenheit an. Die neuen Regeln gelten landeseinheitlich. Und: „Wir sind im Geschäft mit Geimpften und Genesenen weiterhin von umsatzschädlichen Auflagen befreit, denn in diesem Bereich gibt es keine negativen Änderungen: keine Kontaktbeschränkungen, keine Tischabstands-Regelungen, keine Personenzahl-Obergrenzen bei Veranstaltungen.“ Im Rahmen der allgemeinen Hygienekonzepte können die Gastwirte wir mit diesem Gästekreis also normal arbeiten.

Neu sei auch, dass die neue Corona-Verordnung ungeimpfte Mitarbeiter im Gastgewerbe verpflichtet, die Test-Angebote, die ihnen ihr Arbeitgeber auch bisher schon machen musste, künftig anzunehmen. „Das sorgt – in Verantwortung der Mitarbeiter – für noch besseren Gesundheitsschutz in unseren Betrieben und erspart vielen von uns kritische Diskussionen mit Gästen“, wertete das Engelhardt.

Allerdings: „Was die Landesregierung in der Stufe 2, der Warnstufe, vorsieht, ist nicht durchdacht und wird in der Praxis nicht funktionieren: Im Hotel und in den Gastro-Außenbereichen brauchen ungeimpfte Gäste in dieser Stufe einen negativen Antigen-Schnelltest – in den Gastronomie-Innenbereichen wird aber ein negativer PCR-Test verlangt.“ Diese Regelung werfe in der Praxis viele Fragen auf, es komme „zu unerfreulichen Diskussionen und massiven Problemen“, worunter dann die Akzeptanz des ganzen Regelwerks leide. So drängt der Verband darauf, dass auch in den Gastro-Innenbereichen ein negativer Antigen-Schnelltest genügen soll. „Denn die Erfahrung lehrt“, so Engelhardt, „nur Regeln, die in der Praxis umsetzbar sind, helfen bei der Eindämmung der Corona-Pandemie.“

Die Betreiber der „Sonne“ formulieren es so: „Wir sind für ein Miteinander – unterschiedliche Meinungen, Einstellungen waren bisher bei uns am Stammtisch überhaupt kein Problem, im Gegenteil – sogar erwünscht. Und das sollte auch bei der Impfentscheidung so sein. Darum sollten wir alle solidarisch sein und diese Trennung von Geimpften zu Ungeimpften nicht zulassen! Wir hoffen sehr, dass ihr uns verstehen könnt, denn es ist nicht unsere Aufgabe und schon gar nicht unser Standpunkt gesunde Menschen auszusperren und bei dieser Spaltung aktiv mitzumachen.“

Versöhnlich klingt der letzte Satz der Wirtsleute aus Herrenzimmern: „Hoffentlich hört dieser Wahnsinn ganz bald auf und wir können uns wieder unbeschwert hier in der Sonne treffen.“

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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