Direktkandidierende im Gespräch: Klimaschutz

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In einer Woche ist Bundestagswahl. Mit ihrer Erststimme haben Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, einen direkten Vertreter oder eine direkte Vertreterin aus ihrem Wahlkreis in den Bundestag zu schicken. Wir haben Bundestagskandidatinnen und -kandidaten unseres Wahlkreises 285 Rottweil-Tuttlingen zu einem gemeinsamen Online-Gespräch getroffen.

Am Gespräch teilgenommen haben in alphabetischer Reihenfolge Dr. Andreas Anton (FDP), Aynur Karlikli (Die Linke), Annette Reif (Bündnis 90/ Die Grünen) und Mirko Witkowski (SPD). Maria-Lena Weiss (CDU) war verhindert, ihre schrifltiche Stellungnahme wurde nun am Ende des Artikels eingefügt. Den Vertreter der AfD haben wir nicht zum Gespräch eingeladen. Die Gründe dazu finden Sie unter dem Artikel in der Kommentarspalte.

Heute stellen wir die Kandidierenden auf Grundlage ihrer Eingangsstatements kurz vor. Im darauffolgenden ersten Teil dieser Artikelreihe geht es um das Thema Klimaschutz, welches im diesjährigen Wahlkampf bei fast allen Parteien und auf den Webseiten aller teilnehmenden Kandidierenden prominent platziert ist.

Die Kandidierenden im Wahlkreis 285 Rottweil-Tuttlingen

Dr. Andreas Anton, FDP. Foto: Pressefoto

Für die FPD möchte Dr. Andreas Anton aus Villingen-Schwenningen in den Bundestag. Der promovierte Soziologe nannte in seinem Eingangsstatement die Schlagworte Demokratie, Freiheit, Wohlstand und Frieden für Deutschland und Europa. „Die ganze Situation, in der wir hier in Deutschland leben, empfinde ich als großes Privileg und es ist alles nicht selbstverständlich“. Deshalb empfindet Anton es laut eigener Aussage als seine Verpflichtung, die Demokratie und Freiheit zu „beschützen, verteidigen und bewahren“, weshalb er sich politisch engagiert.

Aynur Karlikli, Die Linke. Foto: Archivfoto

Aynur Karlikli möchte für Die Linke unter anderem auch Vielfalt und eine andere Art der Umsetzung neuer Ideen in den nächsten Deutschen Bundestag bringen. „Ich komme direkt vom Volk und ich denke, gerade als auch Frau verstehe ich die Sprache des Volkes. Ich kenne die Gegebenheiten, womit Menschen im Alltag kämpfen müssen und ich habe klare Ideen und Vorstellungen, wie man das verändern kann,“ so die Kandidatin. Karlikli kommt aus Stuttgart, kandidiert aber für Rottweil-Tuttlingen, da sie viel zum ländlichen Raum arbeitet.

 

Annette Reif, Bündnis 90/Die Grünen. Foto: Presefoto

Im Gegensatz zu den anderen Teilnehmenden des Gesprächs, ist Annette Reif vom Bündnis 90/Die Grünen noch nicht sehr lange politisch engagiert, erst seit Anfang letzten Jahres ist sie in der Partei. Es sei an der Zeit gewesen für sie, „nicht nur zu schwätzen, sondern auch mal was zu tun,“ erklärt die Veganerin ihre Motivation jetzt auch zu kandidieren. Sie berichtet von Herzblut für die Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit und von jahrelanger beruflicher Erfahrung als Managerin in der Automobilindustrie, die gerade diesen Wahlkreis sehr präge.

 

Mirko Witkowski, SPD. Foto: Pressefoto

Der Schramberger Mirko Witkowski möchte ebenso in den Bundestag, und zwar für die SPD. In seiner Vorstellung bestätigt der Kandidat das bereits Gesagte der anderen Teilnehmenden. Er sehe, dass in dieser Runde alle engagiert seien, einen möglichst guten Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Das sei auch seine Motivation. Witkowski ist  seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten ehrenamtlich engagiert für eine „gerechte Gesellschaft, in der es respektvoll umgeht und in der wir alle gemeinsam etwas tun, damit auch die nächsten Generationen gut leben können. Da gibt es eine ganze Menge zu tun.“

Wie stehen die Direktkandidierenden zum Thema Klimaschutz?

NRWZ: Das Thema Klimaschutz dominiert den diesjährigen Wahlkampf. Wenn jetzt plötzlich alle Klimaschutz machen, was unterscheidet denn dann die Grünen noch, Frau Reif?

Reif (Bündnis 90/ Die Grünen): Die Frage stellen sich glaube ich gerade auch viele Wähler. Aber, die Grünen sind das Original, wir weisen seit 40 Jahre darauf hin, dass der Klimawandel uns als Menschen irgendwann zum Problem werden könnte. Gerade bei der CDU hat man ja den Eindruck, dass sie das Thema jetzt opportun finden, da es für die Wähler interessant sein könnte. Das finde ich nicht ganz ehrlich, weil die letzten 16 Jahre hatten die SPD und die CDU ja die Möglichkeit, Klimaschutz zu machen. Es gab meiner Meinung nach keinen politischen Willen dies zu tun. Aber ich denke, bei dem Thema haben wir die Experten, da haben wir die Erfahrung, da kennen wir uns aus. Und man kauft ja im Normalfall auch als Schwabe das Original und nicht die Kopie. Deshalb werbe ich dafür, dass die Menschen, die Klimaschutz möchten, die Grünen wählen.

Herr Witkowski, die SPD war auch in der Regierung und macht jetzt auch Klimaschutz. Was sagen Sie zu Frau Reifs Aussage, dass der politische Wille dazu vorher gefehlt habe?

Witkowski (SPD): Ich fand das jetzt eher ganz amüsant, da hier doch eine ganze Menge Wahlkampfgerede mit drin ist, was auch nicht ganz der Realität entspricht, das muss man einfach sehen. Wir alle sind uns ja einig. Deshalb würde ich da auch dringend appellieren, dass wir jetzt nicht mit Fingern auf andere zeigen und behaupten, dieses und jenes sei nicht gemacht worden; wohlwissend, dass es so auch nicht stimmt. Wir müssen doch jetzt gemeinsam schauen, dass es nach vorne geht. Ich könnte am Stück durchdeklinieren, was selbstverständlich gemacht worden ist: beispielsweise das Thema Kohleausstieg, Thema Atomausstieg, Ausbau erneuerbarer Energien, 100 Prozent bis 2040, Förderung von Wasserstoff, Mobilitätswende, CO2-Bepreisung, Emotionshandel, ökologische Landwirtschaft, Förderung der Kreislaufwirtshaft.

Es ist nicht so, dass nichts getan wird mit anderen Parteien, sondern der Unterschied ist mit uns die Herangehensweise. Wir gehen das Thema sozial an. Klimaschutz muss auch sozial funktionieren, die Leute müssen sich das leisten können. Es muss ein Mitmachprojekt für alle sein, das ist, was uns unterscheidet. Wir haben nicht die Maximalforderungen, das ist richtig. Sondern bei uns geht es darum, dass sich alle die Teilhabe leisten können bei der Verhinderung des weiteren Klimawandels.

In der Tat haben zumindest in dieser Runde den Klimaschutz auch alle auf ihrer Agenda. Allerdings sind die Informationen auf Ihren Seiten dazu sehr allgemein. Was bedeutet denn jetzt Klimaschutz für die Menschen in Ihrem Wahlkreis, wenn sie Sie wählen?

Witkowski (SPD): Es ist ja so, der Klimaschutz bezieht sich nicht auf den einzelnen Wahlkreis. Das muss man bundesweit, europaweit und darüber hinaus lösen. Es ist schön, wenn man im Landkreis Rottweil und im Landkreis Tuttlingen da eine ganze Menge tut, aber es wird unterm Strich nur marginal etwas bringen. Ich denke wir sind uns alle einig, dass wir dieses 1,5-Grad-Ziel halten sollten. Auch wenn das natürlich auch schon Auswirkungen hat. Aber wir wollen in Deutschland bis 2045 klimaneutral sein, das geht natürlich über verschiedene Stufen. Zum Beispiel bis 2030 65 Prozent weniger Treibhausemissionen, 88 Prozent Treibhausemissionen-Einsparung bis 2040, bis 2045 dann die Klimaneutralität und ab 2050 dann sogar umgekehrt.

Das sind große Ziele, die natürlich über unseren Wahlkreis hinaus gehen. Was aber feststeht ist, dass effektiver Klimaschutz Koalitionen brauchen wird. Herr Anton, würden Sie in diesen Themen denn mit den anderen kooperieren?

Anton (FDP): Sie haben ja schon festgestellt, dass wir uns, die in dieser Runde anwesend sind, einig darüber sind, dass das eine gigantische Herausforderung ist und ein politisches Handlungsfeld, was unglaublich wichtig ist. Aber bei der Frage, wie setzt man Klimaschutz jetzt aber konkret um, gibt es relativ große Unterschiede. Ich würde mal sagen, wir müssen jetzt zunächst anfangen mit einer ganz ehrlichen Analyse: Welche Instrumente haben wir bisher? Und da gebe ich Herrn Witkowski absolut recht, es ist ja auch schon Einiges getan worden. Also: Welche Instrumente haben wir auf verschiedenen Ebenen und in wie weit hebeln die sich auch gegenseitig aus? Das ist nämlich der Fall. Wir haben nationale Maßnahmen und wir haben auf europäischer Ebene einen Zertifikatehandel für bestimmte Bereiche und das hebelt sich zum Teil gegenseitig aus. Man müsste erstmal ehrlich analysiere, was gibt es alles und wie effektiv ist das eigentlich? Das ist grundsätzlich.

Und dann, das ist was den Ansatz der Liberalen unterscheidet, muss man das Ganze schon auch ökonomisch betrachten. Den Klimawandel schon auch als ökologisches Problem betrachten. Insofern, dass wir auch für jeden Cent den wir einsetzen, die maximale Reduktion von CO2 erreichen sollten und wollen. Und da ist aus unserer Sicht es eben sehr sinnvoll tatsächlich auch CO2 zu bepreisen. Also statt über viele kleine Einzelmaßnahmen, die sich dann zum Teil gegenseitig aushebeln, zu sagen, wir machen jetzt wirklich eine große Rahmensetzung.

Wie sähe eine solche Rahmensetzung der FDP aus?

Anton (FDP): Wir legen die jährlich auszustoßende CO2-Menge fest, zunächst einmal für Deutschland, und dann muss man das natürlich nach oben skalieren. Und wir geben entsprechend CO2-Zertifikate aus. Und das ist dann letztlich einfach eine politische Entscheidung, um wie viel Prozent man das jährlich reduziert. Und das wäre eine vernünftige Rahmensetzung, die auch aus meiner Sicht eine Dynamik auslösen würde, und an Stellen Einsparungsmaßnahmen umsetzen würde, an die die Politik jetzt gar nicht denkt. Also man gibt Anreize zur CO2-Reduktion und überlässt das dann auch einfach der Wirtschaft, der Innovationskraft, der Wissenschaft, den Besten, mit Ideen, wie man es konkret umsetzt.

Dieser Fokus auf die Innovationskraft ist mir in Ihrem Ansatz, Herr Anton, wie auch bei Ihnen, Frau Reif, aufgefallen. Jede Nachhaltigkeitsstrategie benötigt in der Tat Effizienz und Konsistenz, die zum Beispiel durch neue Technologien abgedeckt werden. Aber es muss doch inzwischen auch um Suffizienz gehen, darum zu sagen, wir brauchen nicht immer noch mehr, hinsichtlich der Klimakrise ist eher Verzicht angesagt. Haben Sie denn alle Angst davor, das Ihren Wählerinnen und Wählern zu sagen?

[Stille.]

Karlikli (Die Linke): Nein.

Reif (Bündnis 90/ Die Grünen): Nein, also ich lebe das ja auch im Privaten schon seit vielen Jahren jetzt vor und erlebe das als Bereicherung. Man kann das den Menschen nicht vorschreiben, aber dazu motivieren und Vorbild sein, das kann man auf jeden Fall.

Karlilkli (Die Linke): Also zum Klimaschutz möchte ich nur sagen, dass dieses Thema nicht das Monopol gewisser Gruppen ist, sondern man muss die Fähigkeiten haben, den Umweltschutz jedem Menschen nahezubringen und sie auch zu sensibilisieren. Und das ist für mich eine Aufgabe, die überparteilich ist.

Wie meinen Sie das?

Karlikli (Die Linke): Das heißt, jeder Mensch sollte dafür bewegt werden. Es gibt Dinge, die kann man ihnen natürlich empfehlen. Dann gibt es aber gewisse Dinge, die muss die Regierung entscheiden. Weil, nicht jeder Mensch ist dazu bereit, diesen Verzicht zu bringen, nicht jeder Mensch verzichtet gerne auf seinen Luxus. Also da gehören schon gewisse Regeln dazu, die dann entschieden werden müssen. Deswegen denke ich, dass das Thema Umwelt nicht im Besitz gewisser Parteien ist, sondern alle Parteien sollten sich dafür entscheiden und in diesem Sinne ist auch eine Zusammenarbeit sehr wichtig. Dass man in bestimmten Punkten sagt, hallo, hier ist jetzt Schluss, jetzt müssen wir handeln, gemeinsam handeln, weil nur dann ist die Effektivität auch da. Wir haben natürlich auch ein Programm wie wir uns Klimaschutz vorstellen. Aber ich werde das jetzt nicht alles aufzählen. Sie haben ja alle schon diese Themen angesprochen. Für mich persönlich ist es wichtig, dass dieser Klimaschutz auch sozial gerecht stattfindet.

Schriftliche Frage an Weiss (CDU): Umweltpolitik und Klimaschutz stehen bei allen Kandidierenden des Wahlkreises prominent auf den Seiten, nur bei Ihnennicht. Warum hat Umweltpolitik für Sie keine lokale Priorität?

Schriftliche Antwort Weiss (CDU): Natürlich haben Umweltpolitik und Klimaschutz für mich hohe Priorität. Als Anwältin im Energierecht beschäftige ich mich Tag für Tag mit Fragen rund um Erneuerbare Energien und Umweltrecht. Bereits vor diesem Hintergrund bin ich überzeugt, dass wir einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen: als Energiemix aus Sonne, Wind, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie. Dafür benötigen wir die richtigen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen und vor allem Akzeptanz in der Bevölkerung, Planungssicherheit und weniger Bürokratie. Schon vor einigen Monaten hat die CDU mit dem Sonnenpaket einen Vorschlag gemacht, wie wir den Ausbau von Photovoltaikanlagen weiter fördern möchten, diesem stimme ich voll und ganz zu. Weiter bin ich der Meinung, dass wir den Emissionshandel weiter ausbauen und ausbauen sollten, um marktwirtschaftliche Anreize zu schaffen, CO2 dort einzusparen, wo es am Effizientesten ist. Im Bereich Klima- und Umweltschutz dürfen wir uns nicht weiter als Vorreiter um den Preis der Deindustrialisierung unseres Landes begreifen, sondern wir sollten uns als Vorbilder verstehen, weil wir Klimaschutz, Wirtschaftskraft und Sozialverträglichkeit zusammenbringen und andere Länder so einladen, unserem Weg zu folgen. Klima- und Umweltschutz ist eine globale Herausforderung, die wir nur mit Innovationen und Investitionen überwinden werden. Dazu braucht es einen Wettbewerb um die besten und keine einseitige Bevorzugung einzelner Technologien.

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In den nächsten Tagen bis zur Bundestagswahl veröffentlichen wir die weiteren Teile des Gesprächs zu den Themen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, Frauenpolitik und Digitalisierung.
Das Gespräch führte Louisa Mugabo. Es ist in leicht gekürzter und für die Lesbarkeit überarbeiteter Version wiedergegeben.

Aktualisierung 21/09/2021: Die schriftliche Stellungnahme von Maria-Lena Weiss (CDU) wurde nachträglich hinzugefügt. Hier finden Sie nun außerdem den zweiten Teil des Gesprächs zu den Themen gesellschafticher Zusammenhalt, Integration und Frauenpolitk.

Das interessiert diese Woche



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In einer Woche ist Bundestagswahl. Mit ihrer Erststimme haben Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, einen direkten Vertreter oder eine direkte Vertreterin aus ihrem Wahlkreis in den Bundestag zu schicken. Wir haben Bundestagskandidatinnen und -kandidaten unseres Wahlkreises 285 Rottweil-Tuttlingen zu einem gemeinsamen Online-Gespräch getroffen.

Am Gespräch teilgenommen haben in alphabetischer Reihenfolge Dr. Andreas Anton (FDP), Aynur Karlikli (Die Linke), Annette Reif (Bündnis 90/ Die Grünen) und Mirko Witkowski (SPD). Maria-Lena Weiss (CDU) war verhindert, ihre schrifltiche Stellungnahme wurde nun am Ende des Artikels eingefügt. Den Vertreter der AfD haben wir nicht zum Gespräch eingeladen. Die Gründe dazu finden Sie unter dem Artikel in der Kommentarspalte.

Heute stellen wir die Kandidierenden auf Grundlage ihrer Eingangsstatements kurz vor. Im darauffolgenden ersten Teil dieser Artikelreihe geht es um das Thema Klimaschutz, welches im diesjährigen Wahlkampf bei fast allen Parteien und auf den Webseiten aller teilnehmenden Kandidierenden prominent platziert ist.

Die Kandidierenden im Wahlkreis 285 Rottweil-Tuttlingen

Dr. Andreas Anton, FDP. Foto: Pressefoto

Für die FPD möchte Dr. Andreas Anton aus Villingen-Schwenningen in den Bundestag. Der promovierte Soziologe nannte in seinem Eingangsstatement die Schlagworte Demokratie, Freiheit, Wohlstand und Frieden für Deutschland und Europa. „Die ganze Situation, in der wir hier in Deutschland leben, empfinde ich als großes Privileg und es ist alles nicht selbstverständlich“. Deshalb empfindet Anton es laut eigener Aussage als seine Verpflichtung, die Demokratie und Freiheit zu „beschützen, verteidigen und bewahren“, weshalb er sich politisch engagiert.

Aynur Karlikli, Die Linke. Foto: Archivfoto

Aynur Karlikli möchte für Die Linke unter anderem auch Vielfalt und eine andere Art der Umsetzung neuer Ideen in den nächsten Deutschen Bundestag bringen. „Ich komme direkt vom Volk und ich denke, gerade als auch Frau verstehe ich die Sprache des Volkes. Ich kenne die Gegebenheiten, womit Menschen im Alltag kämpfen müssen und ich habe klare Ideen und Vorstellungen, wie man das verändern kann,“ so die Kandidatin. Karlikli kommt aus Stuttgart, kandidiert aber für Rottweil-Tuttlingen, da sie viel zum ländlichen Raum arbeitet.

 

Annette Reif, Bündnis 90/Die Grünen. Foto: Presefoto

Im Gegensatz zu den anderen Teilnehmenden des Gesprächs, ist Annette Reif vom Bündnis 90/Die Grünen noch nicht sehr lange politisch engagiert, erst seit Anfang letzten Jahres ist sie in der Partei. Es sei an der Zeit gewesen für sie, „nicht nur zu schwätzen, sondern auch mal was zu tun,“ erklärt die Veganerin ihre Motivation jetzt auch zu kandidieren. Sie berichtet von Herzblut für die Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit und von jahrelanger beruflicher Erfahrung als Managerin in der Automobilindustrie, die gerade diesen Wahlkreis sehr präge.

 

Mirko Witkowski, SPD. Foto: Pressefoto

Der Schramberger Mirko Witkowski möchte ebenso in den Bundestag, und zwar für die SPD. In seiner Vorstellung bestätigt der Kandidat das bereits Gesagte der anderen Teilnehmenden. Er sehe, dass in dieser Runde alle engagiert seien, einen möglichst guten Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Das sei auch seine Motivation. Witkowski ist  seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten ehrenamtlich engagiert für eine „gerechte Gesellschaft, in der es respektvoll umgeht und in der wir alle gemeinsam etwas tun, damit auch die nächsten Generationen gut leben können. Da gibt es eine ganze Menge zu tun.“

Wie stehen die Direktkandidierenden zum Thema Klimaschutz?

NRWZ: Das Thema Klimaschutz dominiert den diesjährigen Wahlkampf. Wenn jetzt plötzlich alle Klimaschutz machen, was unterscheidet denn dann die Grünen noch, Frau Reif?

Reif (Bündnis 90/ Die Grünen): Die Frage stellen sich glaube ich gerade auch viele Wähler. Aber, die Grünen sind das Original, wir weisen seit 40 Jahre darauf hin, dass der Klimawandel uns als Menschen irgendwann zum Problem werden könnte. Gerade bei der CDU hat man ja den Eindruck, dass sie das Thema jetzt opportun finden, da es für die Wähler interessant sein könnte. Das finde ich nicht ganz ehrlich, weil die letzten 16 Jahre hatten die SPD und die CDU ja die Möglichkeit, Klimaschutz zu machen. Es gab meiner Meinung nach keinen politischen Willen dies zu tun. Aber ich denke, bei dem Thema haben wir die Experten, da haben wir die Erfahrung, da kennen wir uns aus. Und man kauft ja im Normalfall auch als Schwabe das Original und nicht die Kopie. Deshalb werbe ich dafür, dass die Menschen, die Klimaschutz möchten, die Grünen wählen.

Herr Witkowski, die SPD war auch in der Regierung und macht jetzt auch Klimaschutz. Was sagen Sie zu Frau Reifs Aussage, dass der politische Wille dazu vorher gefehlt habe?

Witkowski (SPD): Ich fand das jetzt eher ganz amüsant, da hier doch eine ganze Menge Wahlkampfgerede mit drin ist, was auch nicht ganz der Realität entspricht, das muss man einfach sehen. Wir alle sind uns ja einig. Deshalb würde ich da auch dringend appellieren, dass wir jetzt nicht mit Fingern auf andere zeigen und behaupten, dieses und jenes sei nicht gemacht worden; wohlwissend, dass es so auch nicht stimmt. Wir müssen doch jetzt gemeinsam schauen, dass es nach vorne geht. Ich könnte am Stück durchdeklinieren, was selbstverständlich gemacht worden ist: beispielsweise das Thema Kohleausstieg, Thema Atomausstieg, Ausbau erneuerbarer Energien, 100 Prozent bis 2040, Förderung von Wasserstoff, Mobilitätswende, CO2-Bepreisung, Emotionshandel, ökologische Landwirtschaft, Förderung der Kreislaufwirtshaft.

Es ist nicht so, dass nichts getan wird mit anderen Parteien, sondern der Unterschied ist mit uns die Herangehensweise. Wir gehen das Thema sozial an. Klimaschutz muss auch sozial funktionieren, die Leute müssen sich das leisten können. Es muss ein Mitmachprojekt für alle sein, das ist, was uns unterscheidet. Wir haben nicht die Maximalforderungen, das ist richtig. Sondern bei uns geht es darum, dass sich alle die Teilhabe leisten können bei der Verhinderung des weiteren Klimawandels.

In der Tat haben zumindest in dieser Runde den Klimaschutz auch alle auf ihrer Agenda. Allerdings sind die Informationen auf Ihren Seiten dazu sehr allgemein. Was bedeutet denn jetzt Klimaschutz für die Menschen in Ihrem Wahlkreis, wenn sie Sie wählen?

Witkowski (SPD): Es ist ja so, der Klimaschutz bezieht sich nicht auf den einzelnen Wahlkreis. Das muss man bundesweit, europaweit und darüber hinaus lösen. Es ist schön, wenn man im Landkreis Rottweil und im Landkreis Tuttlingen da eine ganze Menge tut, aber es wird unterm Strich nur marginal etwas bringen. Ich denke wir sind uns alle einig, dass wir dieses 1,5-Grad-Ziel halten sollten. Auch wenn das natürlich auch schon Auswirkungen hat. Aber wir wollen in Deutschland bis 2045 klimaneutral sein, das geht natürlich über verschiedene Stufen. Zum Beispiel bis 2030 65 Prozent weniger Treibhausemissionen, 88 Prozent Treibhausemissionen-Einsparung bis 2040, bis 2045 dann die Klimaneutralität und ab 2050 dann sogar umgekehrt.

Das sind große Ziele, die natürlich über unseren Wahlkreis hinaus gehen. Was aber feststeht ist, dass effektiver Klimaschutz Koalitionen brauchen wird. Herr Anton, würden Sie in diesen Themen denn mit den anderen kooperieren?

Anton (FDP): Sie haben ja schon festgestellt, dass wir uns, die in dieser Runde anwesend sind, einig darüber sind, dass das eine gigantische Herausforderung ist und ein politisches Handlungsfeld, was unglaublich wichtig ist. Aber bei der Frage, wie setzt man Klimaschutz jetzt aber konkret um, gibt es relativ große Unterschiede. Ich würde mal sagen, wir müssen jetzt zunächst anfangen mit einer ganz ehrlichen Analyse: Welche Instrumente haben wir bisher? Und da gebe ich Herrn Witkowski absolut recht, es ist ja auch schon Einiges getan worden. Also: Welche Instrumente haben wir auf verschiedenen Ebenen und in wie weit hebeln die sich auch gegenseitig aus? Das ist nämlich der Fall. Wir haben nationale Maßnahmen und wir haben auf europäischer Ebene einen Zertifikatehandel für bestimmte Bereiche und das hebelt sich zum Teil gegenseitig aus. Man müsste erstmal ehrlich analysiere, was gibt es alles und wie effektiv ist das eigentlich? Das ist grundsätzlich.

Und dann, das ist was den Ansatz der Liberalen unterscheidet, muss man das Ganze schon auch ökonomisch betrachten. Den Klimawandel schon auch als ökologisches Problem betrachten. Insofern, dass wir auch für jeden Cent den wir einsetzen, die maximale Reduktion von CO2 erreichen sollten und wollen. Und da ist aus unserer Sicht es eben sehr sinnvoll tatsächlich auch CO2 zu bepreisen. Also statt über viele kleine Einzelmaßnahmen, die sich dann zum Teil gegenseitig aushebeln, zu sagen, wir machen jetzt wirklich eine große Rahmensetzung.

Wie sähe eine solche Rahmensetzung der FDP aus?

Anton (FDP): Wir legen die jährlich auszustoßende CO2-Menge fest, zunächst einmal für Deutschland, und dann muss man das natürlich nach oben skalieren. Und wir geben entsprechend CO2-Zertifikate aus. Und das ist dann letztlich einfach eine politische Entscheidung, um wie viel Prozent man das jährlich reduziert. Und das wäre eine vernünftige Rahmensetzung, die auch aus meiner Sicht eine Dynamik auslösen würde, und an Stellen Einsparungsmaßnahmen umsetzen würde, an die die Politik jetzt gar nicht denkt. Also man gibt Anreize zur CO2-Reduktion und überlässt das dann auch einfach der Wirtschaft, der Innovationskraft, der Wissenschaft, den Besten, mit Ideen, wie man es konkret umsetzt.

Dieser Fokus auf die Innovationskraft ist mir in Ihrem Ansatz, Herr Anton, wie auch bei Ihnen, Frau Reif, aufgefallen. Jede Nachhaltigkeitsstrategie benötigt in der Tat Effizienz und Konsistenz, die zum Beispiel durch neue Technologien abgedeckt werden. Aber es muss doch inzwischen auch um Suffizienz gehen, darum zu sagen, wir brauchen nicht immer noch mehr, hinsichtlich der Klimakrise ist eher Verzicht angesagt. Haben Sie denn alle Angst davor, das Ihren Wählerinnen und Wählern zu sagen?

[Stille.]

Karlikli (Die Linke): Nein.

Reif (Bündnis 90/ Die Grünen): Nein, also ich lebe das ja auch im Privaten schon seit vielen Jahren jetzt vor und erlebe das als Bereicherung. Man kann das den Menschen nicht vorschreiben, aber dazu motivieren und Vorbild sein, das kann man auf jeden Fall.

Karlilkli (Die Linke): Also zum Klimaschutz möchte ich nur sagen, dass dieses Thema nicht das Monopol gewisser Gruppen ist, sondern man muss die Fähigkeiten haben, den Umweltschutz jedem Menschen nahezubringen und sie auch zu sensibilisieren. Und das ist für mich eine Aufgabe, die überparteilich ist.

Wie meinen Sie das?

Karlikli (Die Linke): Das heißt, jeder Mensch sollte dafür bewegt werden. Es gibt Dinge, die kann man ihnen natürlich empfehlen. Dann gibt es aber gewisse Dinge, die muss die Regierung entscheiden. Weil, nicht jeder Mensch ist dazu bereit, diesen Verzicht zu bringen, nicht jeder Mensch verzichtet gerne auf seinen Luxus. Also da gehören schon gewisse Regeln dazu, die dann entschieden werden müssen. Deswegen denke ich, dass das Thema Umwelt nicht im Besitz gewisser Parteien ist, sondern alle Parteien sollten sich dafür entscheiden und in diesem Sinne ist auch eine Zusammenarbeit sehr wichtig. Dass man in bestimmten Punkten sagt, hallo, hier ist jetzt Schluss, jetzt müssen wir handeln, gemeinsam handeln, weil nur dann ist die Effektivität auch da. Wir haben natürlich auch ein Programm wie wir uns Klimaschutz vorstellen. Aber ich werde das jetzt nicht alles aufzählen. Sie haben ja alle schon diese Themen angesprochen. Für mich persönlich ist es wichtig, dass dieser Klimaschutz auch sozial gerecht stattfindet.

Schriftliche Frage an Weiss (CDU): Umweltpolitik und Klimaschutz stehen bei allen Kandidierenden des Wahlkreises prominent auf den Seiten, nur bei Ihnennicht. Warum hat Umweltpolitik für Sie keine lokale Priorität?

Schriftliche Antwort Weiss (CDU): Natürlich haben Umweltpolitik und Klimaschutz für mich hohe Priorität. Als Anwältin im Energierecht beschäftige ich mich Tag für Tag mit Fragen rund um Erneuerbare Energien und Umweltrecht. Bereits vor diesem Hintergrund bin ich überzeugt, dass wir einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen: als Energiemix aus Sonne, Wind, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie. Dafür benötigen wir die richtigen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen und vor allem Akzeptanz in der Bevölkerung, Planungssicherheit und weniger Bürokratie. Schon vor einigen Monaten hat die CDU mit dem Sonnenpaket einen Vorschlag gemacht, wie wir den Ausbau von Photovoltaikanlagen weiter fördern möchten, diesem stimme ich voll und ganz zu. Weiter bin ich der Meinung, dass wir den Emissionshandel weiter ausbauen und ausbauen sollten, um marktwirtschaftliche Anreize zu schaffen, CO2 dort einzusparen, wo es am Effizientesten ist. Im Bereich Klima- und Umweltschutz dürfen wir uns nicht weiter als Vorreiter um den Preis der Deindustrialisierung unseres Landes begreifen, sondern wir sollten uns als Vorbilder verstehen, weil wir Klimaschutz, Wirtschaftskraft und Sozialverträglichkeit zusammenbringen und andere Länder so einladen, unserem Weg zu folgen. Klima- und Umweltschutz ist eine globale Herausforderung, die wir nur mit Innovationen und Investitionen überwinden werden. Dazu braucht es einen Wettbewerb um die besten und keine einseitige Bevorzugung einzelner Technologien.

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In den nächsten Tagen bis zur Bundestagswahl veröffentlichen wir die weiteren Teile des Gesprächs zu den Themen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, Frauenpolitik und Digitalisierung.
Das Gespräch führte Louisa Mugabo. Es ist in leicht gekürzter und für die Lesbarkeit überarbeiteter Version wiedergegeben.

Aktualisierung 21/09/2021: Die schriftliche Stellungnahme von Maria-Lena Weiss (CDU) wurde nachträglich hinzugefügt. Hier finden Sie nun außerdem den zweiten Teil des Gesprächs zu den Themen gesellschafticher Zusammenhalt, Integration und Frauenpolitk.

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Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne.Die Redaktion erreichen Sie unter redaktion@NRWZ.de beziehungsweise schramberg@NRWZ.de

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