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Freikirche – bei Corona zu viel Gottvertrauen?

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Im Schwarzwald-Baar-Kreis macht der Fall zweier Gottesdienste einer Freikirche Wellen. Sie hätten zu wenigstens einer Corona-Infektion geführt, heißt es. Wobei inzwischen klar ist: Der Fall ist weit umfangreicher, es geht mittlerweile um 40 Infektionen. Die Welle schwappt über die Kreisgrenze und macht etwa den Leuten im Rottweiler Gesundheitsamt Kopfzerbrechen. Dessen Leiter mutmaßt, die Freikirchler besäßen in Sachen Corona eventuell zu viel Gottvertrauen.

Wie der „Schwarzwälder Bote“ Villingen-Schwenningen zunächst berichtete, haben bei einer Freikirche am Wochenende des 24. und 25. Oktobers – also vor einer guten Woche – zwei Gottesdienste mit etwa 150 Teilnehmern zu mindestens einem Corona-Fall geführt. Es habe unzureichend oder sogar falsch ausgefüllte Anwesenheits­listen gegeben. Das erschwert nun die Arbeit des Gesundheitsamtes im Schwarzwald-Baar-Kreis. Das Blatt beruft sich auf eine Aussage des dortigen Landrats Sven Hinterseh in der Kreistagssitzung am Montag.

Inzwischen hat die Neckarquelle beim Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises nachgehakt und erfahren: die Behörde geht inzwischen von 40 Infektionen aus.

Wie die NRWZ erfuhr, haben an den Gottesdiensten auch Menschen aus anderen Landkreisen teilgenommen. So sollen Menschen etwa aus dem Zollernalbkreis, aus Tuttlingen, aber auch aus dem Landkreis Rottweil dabei gewesen sein. Das dortige Gesundheitsamt bestätigt auf Nachfrage, dass es am 2. November um 17 Uhr hinzugezogen worden sei – also eine Woche nach den Gottesdiensten. Gesundheitsamtsleiter Dr. Heinz-Joachim Adam: „Uns wurden fünf Kontaktpersonen vom Schwarzwald-Baar-Kreis übermittelt. Diese werden von uns als K1 eingestuft.“

Als „K 1-Kontaktperson“ stufen Behörden ein, wer in den vergangenen zwei Tagen vor Auftreten der Symptome oder einer positiven Testung ohne Symptome engeren Kontakt zu einem Infizierten gehabt hat. Diese Menschen waren somit einer hohen Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Meist ist das dann der Fall, wenn ein mehr als 15-minütiger direkter Kontakt bestanden hat, also von Angesicht zu Angesicht, bei dem der Mindestabstand von eineinhalb Metern nicht eingehalten worden ist und es keine andere Schutzvorrichtung wie etwa eine trennende Plexiglasscheibe gegeben hat. Oder es bedeutet, dass das jeweilige Gesundheitsamt nicht einschätzen kann, wie eng der Kontakt zum Infizierten tatsächlich gewesen ist, und deshalb den schlimmstmöglichen Fall annimmt.

Darauf deutet der Fall der Freikirche hin. Denn deren Mitglieder machen es den Gesundheitsbehörden offenbar denkbar schwer, die Kontakte nachzuverfolgen. „Die Kontaktnachverfolgung bei einer Person gestaltet sich aktuell schwierig“, berichtet Dr. Adam. Der Mensch sei „wenig einsichtsbereit. Hier haben wir umgehend die Ortspolizeibehörde informiert.“ Immerhin aber hat man diese Person feststellen können. Bei den anderen vier Kontaktpersonen stelle sich auch die Kontaktaufnahme schwierig dar, so der Rottweiler Gesundheitsamtschef. Sie seien telefonisch nicht zu erreichen, „hier müssen wir dann vor Ort gehen.“

Für die Infizierten selbst und für deren K-1-Kontakte ordnet das Gesundheitsamt gemäß den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes eine 14-tägige häusliche Quarantäne an. Zudem wird für alle K 1-Personen eine Testung veranlasst. 

Als wäre das nicht unübersichtlich genug – das Rottweiler Gesundheitsamt kennt, entgegen der aktuellen Vorschriften, gar nicht alle Gottesdienstteilnehmer, für die es zuständig wäre. Adam auf Nachfrage: „Nein, wir wissen nicht, wie viele Personen aus dem Kreis Rottweil an diesen Gottesdiensten teilgenommen haben.“ Die Behörde müsste das wissen, wären die Teilnehmerlisten vor Ort, bei den Gottesdiensten, korrekt ausgefüllt worden.

Adams Einschätzung: „Die Arbeit gestaltet sich schwierig. Man muss davon ausgehen, dass das Gottvertrauen dieser Menschen mehr zählt als das Regelwerk des Infektionsschutzgesetzes. Zu diesen Gottesdiensten wird berichtet, dass dort Hygieneregeln nicht eingehalten werden. Es werde viel gesungen, Abstandsregeln oder Maskenpflicht würden nicht eingehalten.“

Immerhin kann der Gesundheitsamtsleiter bisher Entwarnung für den Kreis Rottweil geben: „Hier im Landkreis sind uns ähnliche Fälle von Freikirchen nicht bekannt.“

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

4 Kommentare

  1. Was gibt es da groß zu recherchieren. Die, sagen wir es neutral, Veranstalter haben sich nicht an Regeln gehalten. Gründe sind egal. Und nun sollte man ganz normal reagieren. sprich entsprechende Bußgelder und auch über eine Schließung des Veranstaltungsortes sollte nachgedacht werden. Würde man bei einer Kneipe oder einer sonstigen Veranstaltung auch machen.

  2. Nachtrag an die Medien:
    „im seriösen Journalismus ist die umfassende Recherche unabdingbare Pflicht“
    Das Ergebnis umfassender Recherchen zu veröffentlichen ist bei uns auch noch verboten!
    Also, machen Sie mal!

    • Anonymus hat es auf den Punkt gebracht!
      Wenn ich die Veröffentlichungen von Südkurier, SchwaBo Villingen, Zollern-Alb-Kurier, NeckarQuelle, SchwaBo Rottweil, der nun heute mit 2-tägiger Verspätung auch noch wie die alte Fasnet mit einem ähnlich schwachen Bericht daherkommt, mit der der NRWZ vergleiche, kann ich den Verdacht nicht loswerden, dass nur einer vom anderen abschreibt und keiner wirklich recherchiert. Angeblich haben alle beim Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis nachgefragt, insofern tut mir die dortige Pressesprecherin Heike Frank schon leid, im Ergebnis kann oder will aber keiner mit aktuellen Fakten aufwarten!
      Journalismus versteht sich schon etwas anders!
      Und „Investigativer Journalismus“ gleich drei Mal!
      Da ist noch viel Luft nach oben! Viel Glück

  3. Ich würde den Herren Hnterseh und Früh im Schwarzwald-Baar-Kreis und Michel und Dr. Adam im Kreis Rottweil dazu raten, die verdächtigen Gottesdienste mal punktgenau nach Name und Ort zu benennen, zumal ihre Nachverfolgungsmaßnahmen eigener Aussage zufolge enorm an Grenzen stoßen!
    Der Hinweis auf Freikirchliche in Schwenningen ist völlig unzureichend, weil es dort reichlich viel gibt!
    Wenn die Betroffenen, wie berichtet, mit erfundenen Identitäten und sonstigem Fehlverhalten agieren, kann man denen ja bei der derzeitigen Situation der Pandemiebekämpfung kaum Anonymität zugestehen!
    Den nicht betroffenen freikirchlichen Gemeinden, die möglicherweise derzeit zu Unrecht im Verdacht stehen, würde eine Klarstellung auch gut tun!
    Also raus! mit der Wahrheit

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