Freitag, 19. April 2024

„Keine Datenschnüffelei, sondern gesetzliche Aufgabe“

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Alle zehn Jahre kommt der Staat und möchte einiges von uns wissen. Nicht die große Volkszählung, sondern der „Zensus“ ist es, bei dem nur ein Teil der Bevölkerung um Auskunft gebeten wird. Im Mai starten die Befragungen.

Ein Schild ist an der Tür angebracht, eine Klingel gibt es nicht. Doch Georg Sauter, der Leiter der „Erhebungsstelle Zensus“, hört auch das Klopfen. Die Stelle gehört zwar zum Landratsamt, das Büro ist aber in einem früheren Telekom-Gebäude „auf dem Wall“ untergebracht. Ein paar Straßen vom Landratsamt entfernt.

Zugang haben nur die Beschäftigten – Datensicherheit! So haben wir Georg Sauter im Freien getroffen und ihm unsere Fragen schriftlich gestellt.

Wie viele Menschen in Rottweil werden befragt?

Im Landkreis Rottweil werden ungefähr 15 Prozent der Bevölkerung befragt, also knapp 21.000 Personen. Dabei werden in den kleinen Kreisgemeinden prozentual zur Bevölkerung mehr Personen befragt als in den großen Kreisstädten.

Wie werden diese ausgewählt?

Die Personen werden nicht manuell von der Erhebungsstelle ausgewählt, wir haben auf die gewählten Personen keinen Einfluss. Die Auswahl erfolgt mittels einer Stichprobe, die ausgewählten Haushalte werden uns im Fachverfahren angezeigt und von uns zu Erhebungsbezirken zusammengefasst, die jeweils ungefähr 150 Personen umfassen.

Kann es vorkommen, dass von einem Haushalt mehrere Personen ausgewählt werden?

Ja, die Befragung umfasst immer eine komplette Anschrift. Wenn eine Anschrift Teil der Befragung ist, müssen von allen Personen, die dort zum Stichtag, dem 15. Mai 2022 leben, die Daten erhoben werden.

Wann findet die Befragung statt?

Die Befragungen starten am 15. Mai 2022, dies ist der Stichtag für den Zensus. Sie dauern dann bis in den Herbst 2022, damit jede ausgewählte Person die Möglichkeit hat, Auskunft zu geben.

Müssen die Fragen schriftlich beantwortet werden, oder geschieht das alles im Gespräch mit den Erhebungsbeauftragten?

Die Befragung umfasst zwei Abschnitte. Alle ausgewählten Haushalte sind Teil der Ziel-eins-Befragung. Diese Befragung umfasst grundsätzliche Angaben (Name, Vorname, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Wohnsituation, Familienstand) und findet im Gespräch mit ehrenamtlichen Erhebungsbeauftragten statt.
Ein Teil dieser Haushalte ist des Weiteren Teil der Ziel-zwei-Befragung. Für diese werden Online-Zugangsdaten oder Papierfragebögen übergeben, die kostenfrei an die Erhebungsstelle gesendet werden können. Zusätzlich ist auch eine telefonische Beantwortung oder eine Beantwortung in der Erhebungsstelle in Rottweil möglich. Diese Fragen, die mit der Berufstätigkeit und dem Bildungsstand in Verbindung stehen, müssen also gerade nicht im persönlichen Gespräch beantwortet werden. Ziel ist vielmehr die Verwendung des Online-Fragebogens.

Müssen die Befragten mit Hausbesuchen rechnen?

Es ist nicht geplant, dass die Erhebungsbeaufragten die Haushalte betreten, die Befragung kann vor dem Eingang stattfinden. Man muss als Auskunftsperson also keine Sorge haben, dass die Wohnung von einem Fremden betreten wird. Es wird auch ein Hygienekonzept erstellt, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten.

Wie lange dauert die Befragung?

Die Ziel-eins-Befragung dauert wenige Minuten, ein Haushaltsangehöriger kann dabei auch Auskunft für die übrigen Haushaltsbewohner geben, was die Dauer zusätzlich verkürzt. Auch die Ziel-zwei-Befragung online dauert nicht lange, man wird dort direkt von Frage zu Frage geleitet, so dass man nichts falsch machen kann. Ein großer Zeitaufwand ist mit der Befragung nicht verbunden.

Wie umfangreich ist der Fragenkatalog?

Die Ziel-eins-Befragung ist sehr kompakt und beschränkt sich auf wenige personenbezogene Fragen. Die Ziel-zwei-Befragung ist etwas ausführlicher, dort geht es etwa um Fragen zur Wohnsituation, zum Bildungsstand, zum ausgeübten Beruf, zur Arbeitssuche sowie zum Arbeitsort.

Wie weit gehen die Fragen – bis hin zum Einkommen und zu Privatem?

Nein, das Einkommen ist nicht Teil der Befragung. Einige der Fragen beziehen sich auf den ausgeübten Beruf, privatere Fragen wird es nicht geben.

Wie wird sichergestellt, dass die Antworten von den Namen getrennt werden?

Die Anonymisierung erfolgt beim Statistischen Landesamt. Dort findet die Hochrechnung der Stichprobe statt, und dort werden auch die Einzeldaten anonymisiert. Dabei werden einzelne Daten in den Tabellen gegenüber den Originaldaten leicht verändert angezeigt, so dass kein Rückschluss auf die ursprünglichen Werte möglich ist. Die einzelnen Daten werden nicht dauerhaft unverändert gespeichert, sondern so bald wie möglich gelöscht, so dass nicht erkennbar ist, welche Angaben eine bestimmte Person gemacht hat.

Wie ist die Datensicherheit gewährleistet?

Die Sicherheit wird auf mehrere Weisen sichergestellt. Die Erhebungsbeauftragten sowie die Mitarbeiter der Erhebungsstelle werden zur Beachtung der Geheimhaltung verpflichtet. Die Erhebungsbeauftragten müssen die Fragebögen, sobald diese ausgefüllt wurden, direkt der Erhebungsstelle zukommen lassen, damit diese nicht verloren gehen können. Die Erhebungsstelle ist räumlich von anderen Stellen des Landratsamtes getrennt, Zutritt haben nur die Mitarbeiter der Erhebungsstelle, so dass auch hier für möglichst umfassende Sicherheit gesorgt wird. Des Weiteren sind auch die Rechner, mit denen auf das Fachprogramm zugegriffen werden kann, besonders gesichert, nur die Rechner in der Erhebungsstelle können auf das Fachprogramm zugreifen.
Schließlich dürfen die Daten, die erhoben werden, auch in keiner Weise weitergegeben werden, die Daten werden nur dem Statistischen Landesamt übermittelt, welches die Auswertung vornimmt, aber nicht an andere Stellen des Landratsamtes. Man muss also keine Sorge haben, dass die Angaben, die man macht, Nachteile mit sich ziehen können, dies ist absolut unzulässig. Ziel des Zensus ist allein die Erhebung der Daten, eine Weitergabe an andere Behörden erfolgt nicht.

Rechnen Sie mit Auskunftsverweigerern?

Ich kann mir vorstellen, dass es vereinzelt Personen geben wird, die die Auskunft komplett verweigern werden. Wobei ich sehr hoffe, dass die Personen verstehen, dass es sich nicht um eine „Datenschnüffelei“ handelt, sondern eine gesetzliche Aufgabe wahrgenommen wird, die auch wichtigen Zwecken dient. Mit dem Zensus soll die Bevölkerungszahl ermittelt werden, die für Wahlkreise, Zuwendungen und Umlagen von großer Bedeutung ist. Zudem kann die Erhebung zeigen, wo öffentliche Einrichtungen errichtet werden müssen, wo zusätzlicher Wohnraum errichtet werden muss. Damit ist der Zensus von großer Bedeutung, und man sollte sich die Zeit nehmen, wenn man Teil der Stichprobe ist.

Was passiert, wenn jemand partout keine Fragen beantworten will?

In solchen Fällen kann gegen Auskunftspflichtige ein Zwangsgeld erlassen werden. Zudem kann die Verweigerung der Auskunft eine Ordnungswidrigkeit nach dem Bundesstatistikgesetz darstellen, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann, wobei ich sehr hoffe, dass von diesem Mittel kein Gebrauch gemacht werden muss.

Was, wenn der Betreffende nie anzutreffen ist?

Die Erhebungsbeauftragten kündigen den Termin mit einem Schreiben an. Auf diesem Schreiben ist die Telefonnummer der Erhebungsbeauftragten vermerkt, so dass, sollte der vorgeschlagene Termin nicht passen, ein Termin vereinbart werden kann, der sowohl für die Erhebungsbeauftragten wie auch für die Auskunftsperson gut passt.
Bei einer längeren Abwesenheit werden von der Erhebungsstelle die Online-Zugangsdaten mit der Post versendet. Bei einem Aufenthalt im Ausland kann dann ein Bevollmächtigter der Auskunftsperson die Zugangsdaten zum Online-Fragebogen an die Auskunftsperson übermitteln, so dass auch in diesem Fall ein Ausfüllen möglich ist.

Wie viele Erhebungsbeauftragte werden benötigt?

Im gesamten Landkreis Rottweil brauchen wir ungefähr 150 Erhebungsbeauftragte. Diese sind ehrenamtlich tätig, erhalten aber eine Aufwandsentschädigung. Von den benötigten Erhebungsbeauftragten haben wir aktuell leider noch weniger als die Hälfte, so dass wir uns sehr freuen würden, wenn sich weitere Interessenten bei uns melden.

Wie viel Zeit muss ein Erhebungsbeauftragter aufwenden?

Für die Erhebungsbeauftragten findet im Frühjahr 2022 eine Schulung statt, die ungefähr zwei Stunden dauern soll. Dann findet durch die Erhebungsbeauftragten eine Vorbegehung statt, in welcher die Ankündigungsschreiben verteilt werden. Danach gibt es maximal zwei Versuche, die Haushalte anzutreffen und zu befragen. Eine konkrete Stundenzahl kann dabei schwer genannt werden, das hängt stark vom Zuschnitt des Erhebungsbezirkes ab: Bei einem städtisch geprägten Bereich mit einer Vielzahl von Wohnungen ist der Ablauf schneller als in einem Bereich mit vielen Einfamilienhäusern. Die Befragungen an sich dauern nur wenige Minuten, so dass auch bei 150 Auskunftspersonen die Befragung an drei bis vier Tagen stattfinden kann.

In welcher Höhe bewegt sich die Aufwandsentschädigung?

Es gibt einen Pauschalbetrag für die Teilnahme an der Schulung sowie die entstehenden Fahrtkosten, dazu kommen je nach Haushalt noch weitere Beträge hinzu.Insgesamt kann ein Erhebungsbeauftragter mit einem Gesamtbetrag von 700 bis 800 Euro rechnen. Der Betrag muss dabei aufgrund der Ehrenamtlichkeit nicht versteuert werden, auch für Sozialhilfeempfänger gelten beim Ehrenamt Sondervorschriften, der Selbstbehalt ist höher als bei entgeltlicher Tätigkeit.

Wann und wo können sich Freiwillige melden?

Interessierte können sich unter https://www.landkreis-rottweil.de/1349 mit unserem Formular direkt bewerben, oder sich per E-Mail an zensus@lrarw.de an uns wenden. Die Telefonnummer der Erhebungsstelle Rottweil lautet 0741/244-8279, wir stehen von Montag bis Freitag für weitere Fragen gerne zur Verfügung. Wer möchte, kann sich auch per Post bewerben, die Anschrift lautet: Landratsamt Rottweil – Zensus Erhebungsstelle, Auf dem Wall 29, 78628 Rottweil.

Für wen eignet sich die Tätigkeit?

Die Erhebungsbeauftragten müssen volljährig sein und gute Deutschkenntnisse haben, daher ist die Tätigkeit auch gut für ältere Schüler oder Studenten geeignet Aber selbstverständlich auch für Rentner, Hausfrauen oder Hausmänner. Die Erhebungsbeauftragten können sich die Zeiten, wann sie die Erhebungen durchführen möchten, frei aussuchen, die Erhebung kann auch abends oder am Wochenende erfolgen, daher ist die Ausübung auch für Vollzeitbeschäftigte machbar. Auch bei unseren Schulungen werden wir darauf achten, dass diese von Berufstätigen wahrgenommen werden können, so dass jeder, der möchte, auch die Chance bekommt, Erhebungsbeauftragter zu werden.

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Wolf-Dieter Bojus
... war 2004 Mitbegründer der NRWZ und deren erster Redakteur. Mehr über ihn auf unserer Autoren-Seite.