Bürgerbeteiligung, Verkehr, Verwaltung: Rottweil soll digital werden

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Rottweil. Unterstützt vom Land Baden-Württemberg arbeitet die Stadt Rottweil an einer Digitalisierungs-Strategie. Noch weit vor der Corona-Krise und deren Schub zur Nutzung digitaler Angebote und Services hat die Stadt damit begonnen, die Digitalisierung voran zu treiben. Die Macher einer Studie „Rottweil.digital“ sehen die Kleinstadt als Mobilitätslabor, das die Möglichkeit biete, in einem abgegrenzten Rahmen neue Technologien auszuprobieren. Etwa im Bereich der Bürgerbeteiligung. Oder bei der Mobilität – bis hin zum Lastenfahrrad. Digital gestützt und vernetzt, versteht sich.

Im Jahr 2018 hatte sich die Stadt Rottweil beim Wettbewerb „Digitale Zukunftskommune@bw“ beworben und als eine von 55 Modellkommunen den Zuschlag erhalten. 40.000 Euro sind geflossen. Mit Hilfe der Digitalisierung strebt Rottweil nach Angaben der Stadtverwaltung unter anderem eine verstärkte Einbeziehung der Zivilgesellschaft und Weiterentwicklung der Beteiligungskultur an.

Bereits heute biete die Stadt eine transparente, barrierefreie und offene Beteiligung an. Diese soll durch digitale Anwendungen, beispielsweise im Bereich Interaktion, unterstützt und vereinfacht werden. Durch eine zielgruppengerechte Kommunikation über unterschiedliche Kanäle und Plattformen soll die Öffentlichkeit an der Gestaltung der Stadt Rottweil noch intensiver beteiligt werden. So jedenfalls der Plan der Stadtverwaltung, die diesen am Mittwoch dem Gemeinderat vorstellte.

Oberbürgermeister Ralf Broß:

Digitalisierung ist ein Megatrend, dem sich alle Kommunen im Land stellen müssen. Wir
arbeiten deshalb schon heute am Rottweil von morgen und begreifen den digitalen Wandel als Chance, um die Stadt Rottweil auf wichtigen kommunalen Zukunftsfeldern weiterzuentwickeln.

Rottweil hat sich laut Broß zum Ziel gesetzt, „im Zuge seiner Digitalisierungsstrategie in den kommenden Jahren als kommunales Mobilitätslabor zu agieren, um innovative Formen des
Personenverkehrs im ländlichen Raum zu erproben.“ Chancen, die sich künftig beispielsweise durch autonomes Fahren, E-Mobilität und digitale Mobilitätsplattformen ergäben, sollen für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung genutzt werden.

Dazu gehörten beispielsweise eine smarte Verkehrssteuerung, um die historische Innenstadt vom Verkehr zu entlasten. Das Rathaus will bei der Verkehrswende als Mobilitätspionier mit gutem Beispiel voranschreiten – etwa durch die Anschaffung von E-Autos oder E-Lastenrädern.

In einer Broschüre zur Digitalisierungsstrategie, die die Stadtverwaltung dem Gemeinderat vorgelegt hat, heißt es:

In einem Rottweil der Zukunft wird dem Auto nicht mehr der unbestritten erste Rang
eingeräumt werden. Dass dafür in den Bereichen Verkehrsplanung und Mobilität die Weichen neu gestellt werden müssen, zeigt sich besonders deutlich in der morgendlichen und feierabendlichen Rushhour in der historischen Innenstadt.

Im Bereich der Verkehrsplanung sei es ein vorrangiges Ziel der Stadt Rottweil, die Innenstadt vom motorisierten Individualverkehr zu entlasten und die Verkehrsmittelwahl durch ein nachhaltiges und umweltverträgliches Angebot positiv zu beeinflussen, heißt es in dem Strategiepapier. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am sogenannten Modal Split solle so sinken. Rottweil werde als kommunales Mobilitätslabor im ländlichen Raum innovative Formen des Personenverkehrs erproben und umsetzen, schreiben die Macher des Strategiepapiers, Tobias Hermann, Peter Jung-Teltschik, Miriam Krumhard und André Lomsky, die mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation zusammengearbeitet haben.

Dabei sei der Aufbau von attraktiven Transportketten zentraler Bestandteil. „Gerade die Abdeckung der letzten Meile mit kleineren Transportmitteln wie (Leih-) Fahrrädern oder neuen Formen der Mikromobilität stellt eine Herausforderung dar“, heißt es in dem Papier. Vom Fahrgast werde ein solches Angebot nur dann akzeptiert, wenn es ohne Wartezeiten, transparent, zuverlässig und komfortabel funktioniere. Eine digitale Unterstützung bei der Reiseplanung und bei der Buchung der einzelnen Transportmittel sei dafür eine Voraussetzung. Die entsprechenden Schnittstellen zwischen Verkehrsmittelanbietern, weiteren Dienstleistern und dem Kunden seien maßgeschneiderte Apps für mobile Endgeräte und eine digitale Mobilitätsplattform.

Die Digitalisierung solle auch in anderen Bereichen einen Mehrwert schaffen, wie beispielsweise durch den Aufbau eines dynamischen Parkleitsystems, eine Fahrzielanzeige
im ÖPNV oder die Einführung von Buchungssystemen für Car- und Bikesharing. Dabei wird Rottweil eine Art Spielwiese: „Das Rottweiler Mobilitätslabor impliziert die Möglichkeit, Innovationen in einem klar abgegrenzten Rahmen zu testen, Erkenntnisse zu sammeln und aus möglichen Fehlern zu lernen. Neue Experimentierräume sollen eröffnet werden. Zentrales Werkzeug bei diesem Prozess sei die konsequente Digitalisierung der Kommunikation und die Bereitstellung sowie Verwertung wachsender Datenbestände in Echtzeit.“

Die für das Jahr 2028 geplante Landesgartenschau sei dabei das zentrale städtische Innovationsprojekt in den Bereichen nachhaltige Stadtentwicklung, Ökologie, Mobilität und Tourismus und habe oberste Priorität.

Die Stadt solle voran gehen: „Vorbildwirkung kann die Stadtverwaltung auch entfalten, indem E-Autos oder E-Lastenfahrräder angeschafft werden. Ebenfalls sollte über ein Belohnungssystem für die Nutzung nachhaltiger Mobilität nachgedacht werden. Dieses
Experiment kann beispielweise im Rahmen des zu entwickelnden Mobilitätslabors erfolgen“, heißt es in dem Strategiepapier.

In dem Strategiepapier heißt es selbstbewusst:

Die Stadt Rottweil will im ländlichen Raum als digitaler Vorreiter Vorbild für andere Kommunen sein, insbesondere auf den Gebieten der Bürgerbeteiligung und Mobilität.

Mit Hilfe der Digitalisierung strebt Rottweil demnach eine Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft und der Beteiligungskultur in ihrer Stadt an. Die Stichworte: ein Beteiligungsportal, ein Mängelmelder, eine Online-Sprechstunde etwa des Oberbürgermeisters. Eine Bürger- und Rottweil-App könnte es geben und eine intensivere Nutzung der sozialen Kanäle. Neue technische Möglichkeiten sollen helfen, ein zentrales digitales Informations- und Beteiligungsportal für die vielfältigen Projekte der Stadt Rottweil auf Verwaltungsebene zu etablieren. Vorbild hierfür ist das Beteiligungsportal des Landes Baden-Württemberg.

Digitalisierung werde in Rottweil auch als Chance begriffen, um einen Wandel der
Verwaltungskultur anzustoßen. Interne und externe Prozesse sollen effizienter gestaltet werden.
Die Stadtverwaltung möchte ihren Bürgerinnen und Bürgern künftig vernetzte, leistungsfähige und digitale Services anbieten. Ein Beispiel: eine neue Website. „Ob Smartphone, Tablet oder PC: Der künftige Internetauftritt der Stadt Rottweil präsentiert sich auf allen Endgeräten ansprechend, übersichtlich und soll noch weniger
Barrieren haben als bisher“, heißt es im Strategiepapier. Außerdem soll es ein öffentliches W-LAN geben.

Zusammenfassend: Die Dgitalisierung Rottweils soll in drei Themenschwerpunkten angegangen werden: zukunftsfähige Verwaltung, Bürgerbeteiligung und digitale Mobilität. Nach dem Motto: „Auch einen Elefanten muss man in Scheiben essen.“ Ein großes Mahl, das die nächsten Jahre andauern wird.

Rottweil hat sich als fortschrittliches Mittelzentrum an der Innovationsachse Stuttgart Zürich positioniert. Um sich im Wettbewerb mit den Ballungszentren auch künftig zu behaupten, ist es für Städte im ländlichen Raum jedoch überlebenswichtig, eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie über die bisherigen Meilensteine hinaus zu entwickeln und die vorliegende Strategie bedarfsorientiert fortzuschreiben.

Der Gemeinderat begrüßte das Konzept am Mittwoch grundsätzlich. Es gab allerdings Kritik – vielen war dasPapier zu unkonkret. Deshalb wollte man es nur „zur Kenntnis nehmen“, wie Pascal Schneider als Beschlussvorschlag beantragte.

Die Grünen hatten parallel Fragen an die Stadtverwaltung gerichtet: Welche Erfahrungen sie mit der Digitalisierung im bisherigen Verlauf der Corona-Krise machte und ob und welche Konsequenzen daraus für die Digitalisierungsstrategie der Stadt Rottweil zu ziehen seien. Die Grüne Stadträting Ingeborg Gekle-Maier etwa sah die Strategie der Stadt, die auf einen jahrelangen Aufbau digitaler Strukturen vorsieht, angesichts der Corona-Krise als zeitlich überholt an. Immerhin stehe im Papier, dass die Strategie auf „aktuelle Bedarfe angepasst“ werden solle.

„Digitalisierung darf nicht zu einer Spaltung unserer Gesellschaft führen“, mahnte CDU-Fraktionssprecher Günter Posselt. Zudem schloss er sich seiner Vorrednerin an: Die Notwendigkeit, Angebote und Services digital zu nutzen, sei in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Dennoch solle man die Maßnahmen ebenfalls auf Notwendigkeit hin überprüfen und daraufhin, ob man sie unbedingt neu erfinden müsse. „Was gibt es diesbezüglich am Markt, was können wir an digitalen Instrumentarien schnell umsetzen.“ Dasvon der Stadtverwaltung vorgelegte Papier sei gelungen, aber eben abstrakt.

Stadtrat Daniel Karrais, FDP, fehlen im Papier „einige Aspekte, die auf gar keinen Fall fehlen dürfen.“ Es stehe drin, dass die Verwaltung digitalisiert werden müsse, es fehle aber ein klarer Fahrplan. „Wir sind mit der Digitalisierungsstrategie nicht besonders früh dran“, ergänzte er, andere Kommunen seien bis zu zwei Jahre weiter. Hier fehle der direkte Austausch untereinander. Auch fehle der Aspekt „Mobilfunk“ völlig, die Erreichbarkeit der digitalen Angebote in der Fläche müsse gegeben sein, darauf solle die Stadt hinwirken. Das gehe, „ohne viel Geld in die Hand zu nehmen.“ Auch fehle ihm ein Absatz zum Thema „Connektivität zuhause“. Ob die Anschlüsse der Rottweiler Bürger mit der Digitalisierung auch Schritt halten könnten. Insofern sei die Vorlage nur eine Beta-Version.

Dr. Jürgen Mehl (SPD) wollte die Kolleginnen und Kollegen Stadträte „in die Realität zurückholen.“ Er erinnerte daran, dass die Stad eine Haushaltssperre habe und es unwahrscheinlich sei, die Strategie tatsächlich bald umzusetzen.

Jörg Stauss (Freie Wähler) wünschte sich, dass die Studie weiter geht – nicht mit Smartphones und Apps, sondern mit stationären Terminals. Etwa für Touristen, aber auch für die Bürger, die über diese Terminals direkt mit dem Rathaus kommunizieren könnten.

Hans-Peter Alf (CDU) stellte in Frage, dass die Stadt Rottweil eine eigene Strategie entwickeln müsse. Es gebe doch sicherlich funktionierende Vorlagen in anderen Kommunen. Es müsse doch nicht jede eine eigene Lösung entwickeln.

Reimond Hoffmann (AfD) fand es „fast schon erzwungen“, jedenfalls aber „weit hergeholt“, die E-Mobilität in das Strategiepapier Digitalisierung aufzunehmen.

Oberbürgermeister Ralf Broß sagte zu, dass vorhandene Systeme durchaus angenommen werde könnten. Zunächst seien aber die Fragen zu klären, was die Stadt wolle und was sie brauche. „Wir dürfen nicht den Eindruck machen, wir erfinden viele Dinge neu“, so Broß. Die Stadt habe etwa im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung bei der geplanten Justizvollzugsanstalt und bei der Hängebrücke Erfahrungen mit den sozialen Medien gesammelt, auch mit öffentlicher Kritik.

Er berichtete davon, dass die Stadtverwaltung in den vergangenen Wochen ebenfalls sehr aktiv in Richtung Digitalisierung gegangen sei – so seien etwa kurzfristig 42 Heim-Arbeitsplätze eingerichtet worden. Zudem habe die Verwaltung große Erfahrung mit Videokonferenzen gesammelt. Sei mit den Bürgern über die Sozialen Medien in Kontakt getreten, habe Videobotschaften geschaltet und Online-Portale geschaffen. Die Verwaltung bringe zudem die Glasfasernetz-Anbindung der Schulen voran.

Der Beschluss lautete darauf, die eingeschlagene Richtung fortzusetzen: „Die Verwaltung wird die Umsetzung der Maßnahmen prüfen und soweit sie nicht bereits vom Gemeinderat beschlossen oder in der Zuständigkeit der Verwaltung liegen, einzeln zur Vorberatung und Beschlussfassung in den Gemeinderat einbringen.“

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)
… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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Rottweil. Unterstützt vom Land Baden-Württemberg arbeitet die Stadt Rottweil an einer Digitalisierungs-Strategie. Noch weit vor der Corona-Krise und deren Schub zur Nutzung digitaler Angebote und Services hat die Stadt damit begonnen, die Digitalisierung voran zu treiben. Die Macher einer Studie „Rottweil.digital“ sehen die Kleinstadt als Mobilitätslabor, das die Möglichkeit biete, in einem abgegrenzten Rahmen neue Technologien auszuprobieren. Etwa im Bereich der Bürgerbeteiligung. Oder bei der Mobilität – bis hin zum Lastenfahrrad. Digital gestützt und vernetzt, versteht sich.

Im Jahr 2018 hatte sich die Stadt Rottweil beim Wettbewerb „Digitale Zukunftskommune@bw“ beworben und als eine von 55 Modellkommunen den Zuschlag erhalten. 40.000 Euro sind geflossen. Mit Hilfe der Digitalisierung strebt Rottweil nach Angaben der Stadtverwaltung unter anderem eine verstärkte Einbeziehung der Zivilgesellschaft und Weiterentwicklung der Beteiligungskultur an.

Bereits heute biete die Stadt eine transparente, barrierefreie und offene Beteiligung an. Diese soll durch digitale Anwendungen, beispielsweise im Bereich Interaktion, unterstützt und vereinfacht werden. Durch eine zielgruppengerechte Kommunikation über unterschiedliche Kanäle und Plattformen soll die Öffentlichkeit an der Gestaltung der Stadt Rottweil noch intensiver beteiligt werden. So jedenfalls der Plan der Stadtverwaltung, die diesen am Mittwoch dem Gemeinderat vorstellte.

Oberbürgermeister Ralf Broß:

Digitalisierung ist ein Megatrend, dem sich alle Kommunen im Land stellen müssen. Wir
arbeiten deshalb schon heute am Rottweil von morgen und begreifen den digitalen Wandel als Chance, um die Stadt Rottweil auf wichtigen kommunalen Zukunftsfeldern weiterzuentwickeln.

Rottweil hat sich laut Broß zum Ziel gesetzt, „im Zuge seiner Digitalisierungsstrategie in den kommenden Jahren als kommunales Mobilitätslabor zu agieren, um innovative Formen des
Personenverkehrs im ländlichen Raum zu erproben.“ Chancen, die sich künftig beispielsweise durch autonomes Fahren, E-Mobilität und digitale Mobilitätsplattformen ergäben, sollen für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung genutzt werden.

Dazu gehörten beispielsweise eine smarte Verkehrssteuerung, um die historische Innenstadt vom Verkehr zu entlasten. Das Rathaus will bei der Verkehrswende als Mobilitätspionier mit gutem Beispiel voranschreiten – etwa durch die Anschaffung von E-Autos oder E-Lastenrädern.

In einer Broschüre zur Digitalisierungsstrategie, die die Stadtverwaltung dem Gemeinderat vorgelegt hat, heißt es:

In einem Rottweil der Zukunft wird dem Auto nicht mehr der unbestritten erste Rang
eingeräumt werden. Dass dafür in den Bereichen Verkehrsplanung und Mobilität die Weichen neu gestellt werden müssen, zeigt sich besonders deutlich in der morgendlichen und feierabendlichen Rushhour in der historischen Innenstadt.

Im Bereich der Verkehrsplanung sei es ein vorrangiges Ziel der Stadt Rottweil, die Innenstadt vom motorisierten Individualverkehr zu entlasten und die Verkehrsmittelwahl durch ein nachhaltiges und umweltverträgliches Angebot positiv zu beeinflussen, heißt es in dem Strategiepapier. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am sogenannten Modal Split solle so sinken. Rottweil werde als kommunales Mobilitätslabor im ländlichen Raum innovative Formen des Personenverkehrs erproben und umsetzen, schreiben die Macher des Strategiepapiers, Tobias Hermann, Peter Jung-Teltschik, Miriam Krumhard und André Lomsky, die mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation zusammengearbeitet haben.

Dabei sei der Aufbau von attraktiven Transportketten zentraler Bestandteil. „Gerade die Abdeckung der letzten Meile mit kleineren Transportmitteln wie (Leih-) Fahrrädern oder neuen Formen der Mikromobilität stellt eine Herausforderung dar“, heißt es in dem Papier. Vom Fahrgast werde ein solches Angebot nur dann akzeptiert, wenn es ohne Wartezeiten, transparent, zuverlässig und komfortabel funktioniere. Eine digitale Unterstützung bei der Reiseplanung und bei der Buchung der einzelnen Transportmittel sei dafür eine Voraussetzung. Die entsprechenden Schnittstellen zwischen Verkehrsmittelanbietern, weiteren Dienstleistern und dem Kunden seien maßgeschneiderte Apps für mobile Endgeräte und eine digitale Mobilitätsplattform.

Die Digitalisierung solle auch in anderen Bereichen einen Mehrwert schaffen, wie beispielsweise durch den Aufbau eines dynamischen Parkleitsystems, eine Fahrzielanzeige
im ÖPNV oder die Einführung von Buchungssystemen für Car- und Bikesharing. Dabei wird Rottweil eine Art Spielwiese: „Das Rottweiler Mobilitätslabor impliziert die Möglichkeit, Innovationen in einem klar abgegrenzten Rahmen zu testen, Erkenntnisse zu sammeln und aus möglichen Fehlern zu lernen. Neue Experimentierräume sollen eröffnet werden. Zentrales Werkzeug bei diesem Prozess sei die konsequente Digitalisierung der Kommunikation und die Bereitstellung sowie Verwertung wachsender Datenbestände in Echtzeit.“

Die für das Jahr 2028 geplante Landesgartenschau sei dabei das zentrale städtische Innovationsprojekt in den Bereichen nachhaltige Stadtentwicklung, Ökologie, Mobilität und Tourismus und habe oberste Priorität.

Die Stadt solle voran gehen: „Vorbildwirkung kann die Stadtverwaltung auch entfalten, indem E-Autos oder E-Lastenfahrräder angeschafft werden. Ebenfalls sollte über ein Belohnungssystem für die Nutzung nachhaltiger Mobilität nachgedacht werden. Dieses
Experiment kann beispielweise im Rahmen des zu entwickelnden Mobilitätslabors erfolgen“, heißt es in dem Strategiepapier.

In dem Strategiepapier heißt es selbstbewusst:

Die Stadt Rottweil will im ländlichen Raum als digitaler Vorreiter Vorbild für andere Kommunen sein, insbesondere auf den Gebieten der Bürgerbeteiligung und Mobilität.

Mit Hilfe der Digitalisierung strebt Rottweil demnach eine Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft und der Beteiligungskultur in ihrer Stadt an. Die Stichworte: ein Beteiligungsportal, ein Mängelmelder, eine Online-Sprechstunde etwa des Oberbürgermeisters. Eine Bürger- und Rottweil-App könnte es geben und eine intensivere Nutzung der sozialen Kanäle. Neue technische Möglichkeiten sollen helfen, ein zentrales digitales Informations- und Beteiligungsportal für die vielfältigen Projekte der Stadt Rottweil auf Verwaltungsebene zu etablieren. Vorbild hierfür ist das Beteiligungsportal des Landes Baden-Württemberg.

Digitalisierung werde in Rottweil auch als Chance begriffen, um einen Wandel der
Verwaltungskultur anzustoßen. Interne und externe Prozesse sollen effizienter gestaltet werden.
Die Stadtverwaltung möchte ihren Bürgerinnen und Bürgern künftig vernetzte, leistungsfähige und digitale Services anbieten. Ein Beispiel: eine neue Website. „Ob Smartphone, Tablet oder PC: Der künftige Internetauftritt der Stadt Rottweil präsentiert sich auf allen Endgeräten ansprechend, übersichtlich und soll noch weniger
Barrieren haben als bisher“, heißt es im Strategiepapier. Außerdem soll es ein öffentliches W-LAN geben.

Zusammenfassend: Die Dgitalisierung Rottweils soll in drei Themenschwerpunkten angegangen werden: zukunftsfähige Verwaltung, Bürgerbeteiligung und digitale Mobilität. Nach dem Motto: „Auch einen Elefanten muss man in Scheiben essen.“ Ein großes Mahl, das die nächsten Jahre andauern wird.

Rottweil hat sich als fortschrittliches Mittelzentrum an der Innovationsachse Stuttgart Zürich positioniert. Um sich im Wettbewerb mit den Ballungszentren auch künftig zu behaupten, ist es für Städte im ländlichen Raum jedoch überlebenswichtig, eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie über die bisherigen Meilensteine hinaus zu entwickeln und die vorliegende Strategie bedarfsorientiert fortzuschreiben.

Der Gemeinderat begrüßte das Konzept am Mittwoch grundsätzlich. Es gab allerdings Kritik – vielen war dasPapier zu unkonkret. Deshalb wollte man es nur „zur Kenntnis nehmen“, wie Pascal Schneider als Beschlussvorschlag beantragte.

Die Grünen hatten parallel Fragen an die Stadtverwaltung gerichtet: Welche Erfahrungen sie mit der Digitalisierung im bisherigen Verlauf der Corona-Krise machte und ob und welche Konsequenzen daraus für die Digitalisierungsstrategie der Stadt Rottweil zu ziehen seien. Die Grüne Stadträting Ingeborg Gekle-Maier etwa sah die Strategie der Stadt, die auf einen jahrelangen Aufbau digitaler Strukturen vorsieht, angesichts der Corona-Krise als zeitlich überholt an. Immerhin stehe im Papier, dass die Strategie auf „aktuelle Bedarfe angepasst“ werden solle.

„Digitalisierung darf nicht zu einer Spaltung unserer Gesellschaft führen“, mahnte CDU-Fraktionssprecher Günter Posselt. Zudem schloss er sich seiner Vorrednerin an: Die Notwendigkeit, Angebote und Services digital zu nutzen, sei in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Dennoch solle man die Maßnahmen ebenfalls auf Notwendigkeit hin überprüfen und daraufhin, ob man sie unbedingt neu erfinden müsse. „Was gibt es diesbezüglich am Markt, was können wir an digitalen Instrumentarien schnell umsetzen.“ Dasvon der Stadtverwaltung vorgelegte Papier sei gelungen, aber eben abstrakt.

Stadtrat Daniel Karrais, FDP, fehlen im Papier „einige Aspekte, die auf gar keinen Fall fehlen dürfen.“ Es stehe drin, dass die Verwaltung digitalisiert werden müsse, es fehle aber ein klarer Fahrplan. „Wir sind mit der Digitalisierungsstrategie nicht besonders früh dran“, ergänzte er, andere Kommunen seien bis zu zwei Jahre weiter. Hier fehle der direkte Austausch untereinander. Auch fehle der Aspekt „Mobilfunk“ völlig, die Erreichbarkeit der digitalen Angebote in der Fläche müsse gegeben sein, darauf solle die Stadt hinwirken. Das gehe, „ohne viel Geld in die Hand zu nehmen.“ Auch fehle ihm ein Absatz zum Thema „Connektivität zuhause“. Ob die Anschlüsse der Rottweiler Bürger mit der Digitalisierung auch Schritt halten könnten. Insofern sei die Vorlage nur eine Beta-Version.

Dr. Jürgen Mehl (SPD) wollte die Kolleginnen und Kollegen Stadträte „in die Realität zurückholen.“ Er erinnerte daran, dass die Stad eine Haushaltssperre habe und es unwahrscheinlich sei, die Strategie tatsächlich bald umzusetzen.

Jörg Stauss (Freie Wähler) wünschte sich, dass die Studie weiter geht – nicht mit Smartphones und Apps, sondern mit stationären Terminals. Etwa für Touristen, aber auch für die Bürger, die über diese Terminals direkt mit dem Rathaus kommunizieren könnten.

Hans-Peter Alf (CDU) stellte in Frage, dass die Stadt Rottweil eine eigene Strategie entwickeln müsse. Es gebe doch sicherlich funktionierende Vorlagen in anderen Kommunen. Es müsse doch nicht jede eine eigene Lösung entwickeln.

Reimond Hoffmann (AfD) fand es „fast schon erzwungen“, jedenfalls aber „weit hergeholt“, die E-Mobilität in das Strategiepapier Digitalisierung aufzunehmen.

Oberbürgermeister Ralf Broß sagte zu, dass vorhandene Systeme durchaus angenommen werde könnten. Zunächst seien aber die Fragen zu klären, was die Stadt wolle und was sie brauche. „Wir dürfen nicht den Eindruck machen, wir erfinden viele Dinge neu“, so Broß. Die Stadt habe etwa im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung bei der geplanten Justizvollzugsanstalt und bei der Hängebrücke Erfahrungen mit den sozialen Medien gesammelt, auch mit öffentlicher Kritik.

Er berichtete davon, dass die Stadtverwaltung in den vergangenen Wochen ebenfalls sehr aktiv in Richtung Digitalisierung gegangen sei – so seien etwa kurzfristig 42 Heim-Arbeitsplätze eingerichtet worden. Zudem habe die Verwaltung große Erfahrung mit Videokonferenzen gesammelt. Sei mit den Bürgern über die Sozialen Medien in Kontakt getreten, habe Videobotschaften geschaltet und Online-Portale geschaffen. Die Verwaltung bringe zudem die Glasfasernetz-Anbindung der Schulen voran.

Der Beschluss lautete darauf, die eingeschlagene Richtung fortzusetzen: „Die Verwaltung wird die Umsetzung der Maßnahmen prüfen und soweit sie nicht bereits vom Gemeinderat beschlossen oder in der Zuständigkeit der Verwaltung liegen, einzeln zur Vorberatung und Beschlussfassung in den Gemeinderat einbringen.“

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