ROTTWEIL. „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.“ Weil ein Teilnehmer, ausgerüstet offenbar mit der Deutschlandflagge, diese Strophe des Liedes der Deutschen gesungen hat, stehen die montags in Rottweil Demonstrierenden insgesamt erneut in der Kritik. Sie selbst sind mit der Situation nicht zufrieden, wollen sie künftig verhindern. Es ist derweil nicht das erste Mal, dass nationalistische Töne angeschlagen werden.
Es war zuletzt recht ruhig geworden um die Demonstrantinnen und Demonstranten, die montagabends durch Rottweil ziehen. Damit protestieren sie aktuell nach eigenen Angaben gegen eine falsche Energiepolitik, gegen Machtmissbrauch und eine Impfpflicht, und zugleich für „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung.“ Etwa 200 sind es derzeit jeden Montag, die zu den Klängen der Trommeln sogenannter „Pestvögel“ durch die Stadt ziehen. Sie kommen aus der Region, nicht etwa nur aus Rottweil, haben dort aber eine Hochburg ihres Protests aus Coronazeiten geschaffen.
Ein Kritikpunkt, dem die Demonstrierenden sich immer wieder ausgesetzt sehen – und gegen den sie sich wehren: Sie würden „mit Nazis marschieren.“ Tatsächlich gab es vor Monaten einen Vorfall, als zu Zeiten, in denen es noch mehr als 1000 Demonstrierende waren, einer – wie sich später herausstellte: im Suff – die Hand zum sogenannten Hitlergruß erhob. Daraus machten die Gegner der Montagsdemonstrierenden eine ganze Welle der Antipathie.
Nun gibt es neuen Ärger. Zunächst setzte ein Gastredner am Ende der Montagsdemo am 24. Oktober die Coronaimpfung mit dem Euthanasieprogramm der Nazis gleich – unwidersprochen aus der Reihe der Zuhörerinnen und Zuhörer. Ein Video der Rede teilten sie später auf ihren Kanälen und ließen es unkommentiert. Inzwischen liegt dieses Video dem Verfassungsschutz vor. Auf Nachfrage der NRWZ erklärte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, man wolle das Video von der Rede, in der die SPD grundsätzlich auch der Pädophilie bezichtigt wird, sichten.
Seit vergangenem Montag sind die Demonstrierenden nun selbst in einer Art Aufruhr. So hat einer von ihnen, die Deutschlandflagge tragend, am Ende der Demonstration das „Lied der Deutschen“ angestimmt. Die Nationalhymne, und von ihr auch die erste und die zweite Strophe. Das wird von verschiedener Seite bestätigt. Die erste Strophe damit auch, in der es heißt: „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt – Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.“
Üblicherweise führt das Absingen dieser Strophe zu Kritik. So auch jetzt. Zunächst unter den Demonstrierenden selbst, die sich in einem ihrer Chatkanäle mehrheitlich dem Vernehmen nach gegen die Aktion wenden. Sie werfe ein nationalistisches Bild auf die Demonstranten, das nicht gewollt sei, so der Tenor. Man ärgert sich auch darüber, dass niemand eingegriffen hat beziehungsweise man selbst nicht eingegriffen und das Absingen unterbrochen habe. Die Aktion wird als spontan dargestellt, als unabgesprochen und ungewollt. Man habe sich noch vor Ort distanziert, heißt es.
Einen „Aufschrei“ fordert derweil eine Nutzerin der Facebook-Seite „Stadtgeflüster Rottweil“ mit ihren knapp 8000 Mitgliedern. Wie es sein könne, „dass Montagsdemonstrant*innen mitten in Rottweil alle 3 Strophen der Nationalhymne singen und es gibt keinen Aufschrei?“, fragt sie.
Nun ist das Absingen der ersten und zweiten Strophe des „Lieds der Deutschen“ nicht verboten. Sie gelten nur nicht als die Nationalhymne, dies ist die dritte Strophe – „Einigkeit und Recht und Freiheit …“
Die Antworten auf die Forderung nach einem „Aufschrei“ sind – typisch für Facebook – pointiert. Einer schreibt: „Liebe Kritiker der Rottweiler Montagsdemo, liebe Empörte, hört endlich auf mit euren unqualifizierten Attacken! Macht euch ein eigenes Bild, lauft mit oder seid einfach still und genießt! Wir werden nicht aufhören, solange unsere Regierungen in Bund und Land ihren Kampf gegen die eigene Bevölkerung fortsetzen. Dank des Engagements der Pestvögel hat diese Aktion mittlerweile Kultstatus und ist nicht mehr aus dem Rottweiler Kulturgeschehen wegzudenken.“
Zudem schreibt ein Nutzer, der sich als Versammlungsleiter vom Montag zu erkennen gibt, an die Kritiker gewandt: „Ihr seid Schlafschafe! Zu grün im Kopf! Habt keine Ahnung, wahrscheinlich durchs impfen gehirngeschadet!“
Eine deutlich besonnenere Nutzerin fasst die Lage so zusammen: „Selbst wenn es nicht verboten ist, alle 3 Strophen zu singen, so zeigt es, wenn es geschieht, eben, dass es doch nicht um Regeln, politische Entscheidungen und Gesetze geht, sondern um eine Abkehr von dem, was als allgemeiner Konsens dieses Landes und seiner Gesellschaft angesehen wird. Da stinkt es dann schon nach AfD. Kann man machen. Wird aber halt als schei… empfunden.“
Die Haltung unter den Demonstrierenden scheint derweil ebenso eindeutig: Man möchte sich von nationalistischen Tönen abgrenzen. Doch werden die Demonstrierenden immer wieder von rechts vereinnahmt. Im OB-Wahlkampf in Rottweil etwa vom AfD-Kandidaten. Und jüngst heißt es aus dem Zollernalbkreis: „NPD-Funktionärin Edda Schmidt ist auch bei Querdenker-‚Spaziergängen‘ in Ebingen mit von der Partie.“