Großangelegte Alarmübung in Eisenbahntunnel – und ein paar wichtige Erkenntnisse

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Rottweil. Ein stehen gebliebener Zug in einem 655 Meter langen Eisenbahntunnel – brennend, mit unklarer Zahl an Menschen an Bord: Diese Annahme lag einer Übung der Feuerwehren Rottweil und Zimmern zugrunde. 87 Einsatzkräfte nahmen mit 19 Fahrzeugen daran teil. Beobachtet haben die Übung Kreisbrandmeister Nicos Laetsch sowie Vertreter des DRK- und des THW-Ortsverbands und des Notfallmanagements der Deutschen Bahn. Vorweggenommen: Es klappte laut Einsatzleiter Markus Württemberger sehr gut. Die Übung unter sehr realistischen Bedingungen hat ihm zufolge aber auch ein paar wichtige Erkenntnisse gebracht. Manche sind ernst und werden Folgen haben.

Samstagmorgen, gegen 11 Uhr. Verschwitzt stehen Kräfte der Feuerwehr Rottweil am Südportal des Tiersteintunnels im Neckartal. Am anderen Portal des Tunnels, der allein 655,4 Meter lang ist, stehen Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr Zimmern und der Einsatzabteilung Hausen. Vermutlich ebenfalls verschwitzt. Jedenfalls diejenigen, die für Rettungs- und Löscharbeiten im Tunnel eingesetzt waren. Denn es war ein Kraftakt.

Rettung eines Verletzten, hier eines Dummys. Fotos: Arnegger
Einsatzkräfte am Nordportal.
Die Platzverhältnisse vor Ort: eng.
Am Südportal des Tunnels.

Mitten im Tunnel hatte die Bahn in Absprache mit der Rottweiler Feuerwehr – und hier mit Stadtbrandmeister Frank Müller und seinem Stellvertreter Rainer Knoblauch – einen Güterzug mit zwei Waggons abgestellt. Er stellte einen brennenden Triebwagen und zwei Anhänger dar. Jeweils rund 300 Meter von der Außenwelt entfernt. En Kraftakt für alle, die in Einsatzkleidung und mit Gerät vordringen mussten. „Das war eine enorme Herausforderung für die Angriffstrupps, die unter großer Kraftanstrengung in den Tunnel vordringen mussten“, wie Rottweils Feuerwehrsprecher Marius Daute sagte. Oder, wie es der Sprecher der Zimmerner Feuerwehr, Andreas Roth, sagte: „Respekt vor denen, die unter Atemschutz hier reinmüssen.“

Im Tunnel ist es stockdunkel, die Einsatzkräfte haben nur das Licht aus ihren Taschenlampen. Und es ist leicht verraucht. Um die Übung etwas realistischer zu gestalten, ist ein kleines Feuer entfacht worden. Im Ernstfall wären dort verletzte, desorientierte Menschen. Es wären Schreie zu hören. Es wäre heiß, stickig. Es ginge um Leben und Tod. Menschen würden vermisst. Es herrschte ein Chaos, das zu bändigen wäre. Und die Einsatzkräfte würden noch über sich selbst hinauswachsen. Im Rahmen der Übung, so schilderten es die Feuerwehrsprecher Daute und Roth, geschah alles einerseits realitätsnah, andererseits aber mit ganz leicht angezogener Handbremse. Schon mit Sondersignal durch die Stadt, aber eben nicht auf den letzten Drücker. Hurtig vorgerückt in den Tunnel, aber auf Eigensicherung achtend. Obwohl – das gilt immer, auch im Einsatzfall.

Rottweils DRK-Bereitschaftsleiter Björn Speiser beobachtet die Arbeiten beidseits des Tunnels und darin. Die Bereitschaft ist nach seinen Worten mit vier Kräften in zwei Fahrzeugen vor Ort. Man wolle sich ein Bild davon machen, wie die Verletzten in solch einem Fall abtransportiert werden könnten.

Im Neckartal geht es nämlich denkbar eng zu. Auf dem Zufahrtsweg, einer einspurigen Schotterstrecke, gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten. Die Rottweiler Löschfahrzeuge nach vorn, an den Einsatzort zu bringen – schon ein Problem an sich. Wobei sie eine gewisse Zeit haben: Bei Einsatzarbeiten an und auf einer Bahnstrecke muss die Deutsche Bahn diese zunächst sperren und stromlos schalten. Die Nachricht darüber komme dann per Fax in der Leitstelle an, berichtet Sprecher Roth. Und werde von einem Mitarbeiter des Notfallmanagements der Bahn bestätigt. „Erst dann dürfen wir aufs Gleis“, bestätigt sein Kollege Daute.

Den Verlauf der Übung selbst werden wir an dieser Stelle noch ausführlich wiedergeben. Aber ein Fazit zog Einsatzleiter Württemberger bereits für die NRWZ. Er zeigte sich zunächst gelöst und begeistert: „Das war genial, klasse, die Zusammenarbeit beider Wehren hat super funktioniert. Für das, dass es für alle Neuland war, hat es definitiv toll geklappt“, sagte er. Neuland deshalb: Die Übung hat einen extremen Seltenheitswert. Wie der Rottweiler Feuerwehrsprecher Rüdiger Mack im Vorfeld berichtet hatte, sind die Bauarbeiten auf der Strecke Rottweil-Horb „nun so rechtzeitig abgeschlossen worden, dass sich vor Wiederaufnahme des Bahnverkehrs glücklicherweise ein Zeitfenster ergab, in welchem die Übung möglich ist und der Tiersteintunnel durch die Deutsche Bahn als Übungsobjekt zur Verfügung gestellt wird.“ Das Übungsszenario war zudem vorab auch nur wenigen Menschen bekannt. Es sei klar gewesen, dass am Samstag um 9.30 Uhr eine Übung beginne – was und wo ergab sich für die meisten der eingesetzten Kräfte aber erst später. Die Presse ist vorab über den Ort in Kenntnis gesetzt worden. Und wurde gebeten, die Übung nicht öffentlich anzukündigen, „auch weil die räumliche Situation vor Ort leider keine Zuschauer zulässt“, so Mack.

Die Nachbesprechung der Übung wird Württemberger mit seinem Lob einleiten. Er wird aber auch Probleme ansprechen, die sich aufgezeigt hätten. Personeller und materieller Art, wie er sagte. Gegenüber der NRWZ nahm er vorweg: Die Platzsituation sei ein ganz großes Problem gewesen. Die beiden Tunnel, der Neckar, der Schotterweg dazwischen – die Feuerwehr schuf einen Bereitstellungsraum am Ende des Gewerbegebiets Neckartal, nahe der Holzmanufaktur. Kräfte in diesen Fahrzeugen bekamen vom Einsatzort gar nichts mit. Ein weiteres Problem: Die Funkverbindung war offenbar nicht immer stabil. Und das größte Problem: Die sogenannten Ein-Flaschen-Geräte mit Pressluft. „Du kannst maximal zehn, zwölf Minuten arbeiten, dann musst Du wieder raus“, so Württemberger. Denn der Einsatzort mitten im Tunnel lag bei der Übungsannahme schon fünf bis zehn Minuten vom jeweiligen Portal entfernt. Flaschen halten rund 30 Minuten durch. Bevor die Luft ausgeht, muss der Atemschutzträger, die -trägerin wieder raus sein. Für Württemberger muss die Erkenntnis darüber, dass die Einsatzmittel für dieses Szenario nicht ausreichen, Folgen haben: „Da müssen wir uns über die Beschaffung von Zwei-Flaschen-Geräten unterhalten.“

Dennoch: Das sind Details. Im Großen und Ganzen zeigten sich alle Beteiligten erleichtert und zufrieden. Und waren zu einem guten Teil auch geschafft. Das Stadtfest, das eine oder andere Bier, werden sie jetzt verdient haben.

Info: Über den Verlauf der Übung werden wir noch ausführlich berichten.

Das interessiert diese Woche



Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Rottweil. Ein stehen gebliebener Zug in einem 655 Meter langen Eisenbahntunnel – brennend, mit unklarer Zahl an Menschen an Bord: Diese Annahme lag einer Übung der Feuerwehren Rottweil und Zimmern zugrunde. 87 Einsatzkräfte nahmen mit 19 Fahrzeugen daran teil. Beobachtet haben die Übung Kreisbrandmeister Nicos Laetsch sowie Vertreter des DRK- und des THW-Ortsverbands und des Notfallmanagements der Deutschen Bahn. Vorweggenommen: Es klappte laut Einsatzleiter Markus Württemberger sehr gut. Die Übung unter sehr realistischen Bedingungen hat ihm zufolge aber auch ein paar wichtige Erkenntnisse gebracht. Manche sind ernst und werden Folgen haben.

Samstagmorgen, gegen 11 Uhr. Verschwitzt stehen Kräfte der Feuerwehr Rottweil am Südportal des Tiersteintunnels im Neckartal. Am anderen Portal des Tunnels, der allein 655,4 Meter lang ist, stehen Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr Zimmern und der Einsatzabteilung Hausen. Vermutlich ebenfalls verschwitzt. Jedenfalls diejenigen, die für Rettungs- und Löscharbeiten im Tunnel eingesetzt waren. Denn es war ein Kraftakt.

Rettung eines Verletzten, hier eines Dummys. Fotos: Arnegger
Einsatzkräfte am Nordportal.
Die Platzverhältnisse vor Ort: eng.
Am Südportal des Tunnels.

Mitten im Tunnel hatte die Bahn in Absprache mit der Rottweiler Feuerwehr – und hier mit Stadtbrandmeister Frank Müller und seinem Stellvertreter Rainer Knoblauch – einen Güterzug mit zwei Waggons abgestellt. Er stellte einen brennenden Triebwagen und zwei Anhänger dar. Jeweils rund 300 Meter von der Außenwelt entfernt. En Kraftakt für alle, die in Einsatzkleidung und mit Gerät vordringen mussten. „Das war eine enorme Herausforderung für die Angriffstrupps, die unter großer Kraftanstrengung in den Tunnel vordringen mussten“, wie Rottweils Feuerwehrsprecher Marius Daute sagte. Oder, wie es der Sprecher der Zimmerner Feuerwehr, Andreas Roth, sagte: „Respekt vor denen, die unter Atemschutz hier reinmüssen.“

Im Tunnel ist es stockdunkel, die Einsatzkräfte haben nur das Licht aus ihren Taschenlampen. Und es ist leicht verraucht. Um die Übung etwas realistischer zu gestalten, ist ein kleines Feuer entfacht worden. Im Ernstfall wären dort verletzte, desorientierte Menschen. Es wären Schreie zu hören. Es wäre heiß, stickig. Es ginge um Leben und Tod. Menschen würden vermisst. Es herrschte ein Chaos, das zu bändigen wäre. Und die Einsatzkräfte würden noch über sich selbst hinauswachsen. Im Rahmen der Übung, so schilderten es die Feuerwehrsprecher Daute und Roth, geschah alles einerseits realitätsnah, andererseits aber mit ganz leicht angezogener Handbremse. Schon mit Sondersignal durch die Stadt, aber eben nicht auf den letzten Drücker. Hurtig vorgerückt in den Tunnel, aber auf Eigensicherung achtend. Obwohl – das gilt immer, auch im Einsatzfall.

Rottweils DRK-Bereitschaftsleiter Björn Speiser beobachtet die Arbeiten beidseits des Tunnels und darin. Die Bereitschaft ist nach seinen Worten mit vier Kräften in zwei Fahrzeugen vor Ort. Man wolle sich ein Bild davon machen, wie die Verletzten in solch einem Fall abtransportiert werden könnten.

Im Neckartal geht es nämlich denkbar eng zu. Auf dem Zufahrtsweg, einer einspurigen Schotterstrecke, gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten. Die Rottweiler Löschfahrzeuge nach vorn, an den Einsatzort zu bringen – schon ein Problem an sich. Wobei sie eine gewisse Zeit haben: Bei Einsatzarbeiten an und auf einer Bahnstrecke muss die Deutsche Bahn diese zunächst sperren und stromlos schalten. Die Nachricht darüber komme dann per Fax in der Leitstelle an, berichtet Sprecher Roth. Und werde von einem Mitarbeiter des Notfallmanagements der Bahn bestätigt. „Erst dann dürfen wir aufs Gleis“, bestätigt sein Kollege Daute.

Den Verlauf der Übung selbst werden wir an dieser Stelle noch ausführlich wiedergeben. Aber ein Fazit zog Einsatzleiter Württemberger bereits für die NRWZ. Er zeigte sich zunächst gelöst und begeistert: „Das war genial, klasse, die Zusammenarbeit beider Wehren hat super funktioniert. Für das, dass es für alle Neuland war, hat es definitiv toll geklappt“, sagte er. Neuland deshalb: Die Übung hat einen extremen Seltenheitswert. Wie der Rottweiler Feuerwehrsprecher Rüdiger Mack im Vorfeld berichtet hatte, sind die Bauarbeiten auf der Strecke Rottweil-Horb „nun so rechtzeitig abgeschlossen worden, dass sich vor Wiederaufnahme des Bahnverkehrs glücklicherweise ein Zeitfenster ergab, in welchem die Übung möglich ist und der Tiersteintunnel durch die Deutsche Bahn als Übungsobjekt zur Verfügung gestellt wird.“ Das Übungsszenario war zudem vorab auch nur wenigen Menschen bekannt. Es sei klar gewesen, dass am Samstag um 9.30 Uhr eine Übung beginne – was und wo ergab sich für die meisten der eingesetzten Kräfte aber erst später. Die Presse ist vorab über den Ort in Kenntnis gesetzt worden. Und wurde gebeten, die Übung nicht öffentlich anzukündigen, „auch weil die räumliche Situation vor Ort leider keine Zuschauer zulässt“, so Mack.

Die Nachbesprechung der Übung wird Württemberger mit seinem Lob einleiten. Er wird aber auch Probleme ansprechen, die sich aufgezeigt hätten. Personeller und materieller Art, wie er sagte. Gegenüber der NRWZ nahm er vorweg: Die Platzsituation sei ein ganz großes Problem gewesen. Die beiden Tunnel, der Neckar, der Schotterweg dazwischen – die Feuerwehr schuf einen Bereitstellungsraum am Ende des Gewerbegebiets Neckartal, nahe der Holzmanufaktur. Kräfte in diesen Fahrzeugen bekamen vom Einsatzort gar nichts mit. Ein weiteres Problem: Die Funkverbindung war offenbar nicht immer stabil. Und das größte Problem: Die sogenannten Ein-Flaschen-Geräte mit Pressluft. „Du kannst maximal zehn, zwölf Minuten arbeiten, dann musst Du wieder raus“, so Württemberger. Denn der Einsatzort mitten im Tunnel lag bei der Übungsannahme schon fünf bis zehn Minuten vom jeweiligen Portal entfernt. Flaschen halten rund 30 Minuten durch. Bevor die Luft ausgeht, muss der Atemschutzträger, die -trägerin wieder raus sein. Für Württemberger muss die Erkenntnis darüber, dass die Einsatzmittel für dieses Szenario nicht ausreichen, Folgen haben: „Da müssen wir uns über die Beschaffung von Zwei-Flaschen-Geräten unterhalten.“

Dennoch: Das sind Details. Im Großen und Ganzen zeigten sich alle Beteiligten erleichtert und zufrieden. Und waren zu einem guten Teil auch geschafft. Das Stadtfest, das eine oder andere Bier, werden sie jetzt verdient haben.

Info: Über den Verlauf der Übung werden wir noch ausführlich berichten.

Das interessiert diese Woche

Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.