Donnerstag, 18. April 2024

Hungrige Biber an der Eschach – und was Baumbesitzer tun können

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ROTTWEIL/ZIMMERN. Das Eschachtal zwischen Horgen und Eckhof gehört zu den beliebten Naherholungs- und Wandergebieten in der Region. Auch ein Tier hat es für sich entdeckt: der Biber. Zuletzt waren er und seine Artgenossen offenbar besonders hungrig, wie uns von einem Leser zugesandte Bilder zeigen. Da das Tier verständlicherweise weder vor Gemarkungs- noch vor Grundstücksgrenzen Halt macht, haben wir die Gemeindeverwaltung Zimmern und die Stadtverwaltung Rottweil um Stellungnahme gebeten. Sprecher beider Kommunen geben Baumbesitzern Tipps. Außerdem beantwortet eine Sprecherin des Landratsamts unsere Fragen.

Wie kaum eine andere Tierart gestalten Biber ihren Lebensraum. „Durch ihre Aktivitäten werden selbst in vormals eintönigen Flusslandschaften neue Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten geschaffen“, erklärt dazu das Landes-Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Eine veränderte Sichtweise zu grauer Vorzeit: Die Tierart wurde 1846 in Baden-Württemberg ausgerottet, heute ist sie im Land wieder heimisch. Der Biber ist eine besonders streng geschützte Art.

Der Biber als Gestalter

Der bis zu 35 Kilogramm schwere und bis zu einem Meter lange Nager ist laut der Landesanstalt für Umwelt nachts an Land und im Wasser aktiv, verbringt jedoch einen Großteil seines Lebens in Fließ- und Stillgewässern. So etwa bei Rottweil und Zimmern an der Eschach. „Wie kein anderes Tier gestalten Biber ihren Lebensraum aktiv selbst und passen ihn ihren Bedürfnissen an“, erklärt die Landesanstalt. So etwa hebt er den Wasserpegel durch den Bau von Dämmen an, wenn dieser nicht seinen Ansprüchen entspricht. Und er nagt natürlich an Bäumen herum, will an die Rinde kommen, fällt sie zu diesem Zweck.

Der Fachdienst Naturschutz des Landes erklärt:

Biber sind die Baumeister unter den Säugetieren. Sie besitzen die einzigartige Fähigkeit, eine Gewässerlandschaft so zu verändern, dass sie ihnen langfristig Lebensraum bietet. Neben Gehölzfällungen und Dammbau sind auch die Grableistungen der Tiere beträchtlich. Einen Großteil seiner Aktivitäten entfaltet der Biber unter der Erdoberfläche. Hier kann er umfangreiche Gänge und Wohnkessel anlegen. In ihren Revieren legen Biber mehrere voneinander getrennte Gangsysteme an, deren Eingänge immer unterhalb des Mittelwasserspiegels liegen.

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Fachdienst Naturschutz

Auffallend aktiv, richtiggehend hungrig, ist das Tier derzeit nahe Rottweil und Zimmern. Ganz und teilweise gefällte Bäume säumen die Wanderwege. Das zeigen Bilder eines Lesers eindrucksvoll:

Zimmern und Rottweil mit Stellungnahmen

Unser Leser schreibt: „Mich würde interessieren, ob die Verwaltungen Rottweil und Zimmern das Thema auf der Agenda haben und ob die Schäden gegebenenfalls beseitigt werden beziehungsweise wie die Verwaltungen vorgehen.“ Wir haben die Gemeindeverwaltung Zimmern und die Stadtverwaltung Rottweil jeweils um Stellungnahmen gebeten.

Der Gemeinde Zimmern ist es nach Angaben ihrer Sprecherin Anja Schaber bewusst, „dass der Biber zu den höchstgeschützten Tierarten in der EU und somit zu unserem heimischen Lebensraum gehört“. Das Tier sei seit etwa sechs Jahren im Teufenbach und seit rund drei Jahren an der Eschach zu finden. „Entlang der Straße an der Eschach mussten in den vergangenen Jahren immer wieder Bäume, die den Straßenverkehr gefährdeten, aus Verkehrssicherungspflichten entfernt werden“, so Schaber. Dies erfolge generell nur in Absprache mit der Straßenbauverwaltung des Landratsamtes und – bei Bedarf – mit der Biberbeauftragten des zuständigen Regierungspräsidiums, Bettina Sättele.

Auch habe die Gemeinde bei Bedarf Maschendrahtzaun an Anlieger der betroffenen Gewässer ausgegeben, „damit diese ihre wichtigen privat gelegenen Bäume am Baumstamm schützen können“, wie die Verwaltungssprecherin weiter mitteilt. In freier Natur habe die Gemeinde bisher aber noch nicht in die Aktivitäten des Bibers eingegriffen, sondern ihm seinen Lebensraum überlassen. Die Gemeinde Zimmern sei dennoch in der Biber-Thematik auch in Kontakt und Austausch mit dem Landratsamt, mit der Stadt Rottweil und der Biberbeauftragten.

„Auf Rottweiler Gemarkung ist der Biber an verschiedenen Stellen vermehrt aktiv, so zum Beispiel in Göllsdorf im Weiherbach, in Neufra in der Starzel und auch im Neckar zwischen Altstadt und Gewerbepark Neckartal“, berichtet der Sprecher der Stadtverwaltung Rottweil, Tobias Hermann. „Offenbar sind Biber nun auch an der Eschach aktiv, der beschriebene Abschnitt liegt teilweise auf Rottweiler beziehungsweise Hausener, teilweise auf Zimmerner beziehungsweise Horgener Gemarkung“, bestätigt der Medienreferent.

Der Biber und seine Bauten stünden unter Naturschutz, stellt auch Hermann klar. Die Wiederansiedlung des Tieres fördere die Gewässerqualität und sei vonseiten des Gesetzgebers so gewollt. „Unsere Abteilung Tiefbau Team Stadtgrün & Gewässer kontrolliert die betroffenen Bereiche und Aktivitäten regelmäßig“, wie Hermann weiter berichtet. In Abstimmung mit betroffenen Bürgern, dem Landratsamt und dem Regierungspräsidium würden geeignete Maßnahmen festgelegt und umgesetzt. „Dazu gehören zum Beispiel das Entfernen von gefährdeten Bäumen aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht, die Ausweisung von Überschwemmungsbereichen oder auch in Einzelfällen das Anbringen eines Stammschutzes etwa aus Maschendraht.“ Das sei allerdings nicht flächendeckend möglich. Hermann: „Bei Fragen können sich die Bürgerinnen und Bürger an den Biberbeauftragten des Landkreises Rottweil oder die Tiefbauabteilung der Stadt Rottweil wenden.

Die Stadt Rottweil hat nach Angaben Hermanns im städtischen Betriebshof ein Lager für Schutzmaterialien wie Zaun und Farbe eingerichtet, an dem die Bürger kostenfrei die benötigten Materialien abholen können, um ihre privaten Bäume zu schützen.

Ergänzend erklärt Hermann: „Der Biber ist reiner Vegetarier. Im Winter ernährt er sich von Baumrinde, vorwiegend Weiden und Apfelbäume, weshalb er versucht, die Bäume zu fällen. Für die Dämme und Burgen benötigt er vorwiegend kleineres Material und Erde. Heruntergefallene Äpfel sollten liegen gelassen werden, damit der Biber sich daran bedient und nicht die Bäume versucht zu fällen, an denen noch die Äpfel hängen.“

Biber-Infos aus dem Landratsamt

„Offensichtlich gestaltet der Biber nun auch im Eschachtal die Landschaft nach seinen Bedürfnissen neu“, bestätigt Andrea Schmider, Sprecherin des Landratsamts Rottweil. Das Tier gehöre zu den nach Naturschutzgesetz streng geschützten Arten. „Im Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes regelt der Gesetzgeber das sogenannte Zugriffsverbot auf ‚besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten'“, schickt Schmider voraus. 

„Als untere Naturschutzbehörde müssen wir sicherstellen, dass diese Bestimmungen eingehalten werden“, führt die Sprecherin des Landratsamts weiter aus.  Es falle jedoch nicht in den Aufgabenbereich der unteren Naturschutzbehörde oder eines Biberbeauftragten, mögliche Gefahren, die durch streng geschützte Tiere entstehen, zu beseitigen. „Die untere Naturschutzbehörde geht davon aus, dass der angesprochene Wanderweg [an der Eschach, Anm. der Red.] von den jeweiligen Städten oderGemeinden eingerichtet wurde beziehungsweise auf gemeindeeigenen Flächen liegt“, so Schmider. Die Kommunen seien daher für dessen Unterhaltung und Sicherheit verantwortlich. „Selbstverständlich beraten und unterstützen der Biberbeauftragte und die untere Naturschutzbehörde betroffene Grundstückseigentümer, Gemeinden und so weiter in Konfliktsituationen.“

Biberbeauftragter für den Landkreis Rottweil ist Gerhard Jäckle aus Eschbronn. Schmider: „Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist, neben der Aufklärung über den Biber, die Beratung in Konfliktsituationen“. Betroffene oder Kommunen könnten sich an ihn wenden, sobald das Zusammenleben von Biber und Mensch Probleme aufwirft. Meist gehe es dabei um mögliche Sicherungsmaßnahmen von Bäumen, um Gefahr für Menschen oder drohende Überschwemmungen abzuwenden, so die Sprecherin des Landratsamts.

Wie Jäckle unlängst schon gegenüber dem Naturschutzbund Dunningen erklärt hat, der den Biber ebenfalls auf seiner Agenda hat, treten Probleme zumeist durch Überschwemmung bei Hochwassersituationen im Bereich der menschlichen Besiedlung und auf landwirtschaftlich genutzten Flächen auf. Die Biber vermehren sich nicht unbegrenzt, wie oft befürchtet werde, so der Biberbeauftragte, denn die Populationen orientierten sich am Nahrungsangebot, das am jeweiligen Gewässer vorhanden ist. Ein Familienverband habe drei Generationen und die Jungtiere würden nach zwei Jahren vertrieben. Es sei jedenfalls streng verboten, die Dämme von Bibern zu beseitigen, wobei hier im Rahmen des Bibermanagements im Bedarfsfalle eingegriffen werde. Auch wenn sich etwa im Siedlungsbereich Baumstämme querlegen, müssten diese unter Umständen beseitigt werden.

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Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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