„Spaziergängerin“ und AfD-Stadträtin Pfriender: Heikle Fragen an die Stadtverwaltung Rottweil

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ROTTWEIL. Das ist einigen aufgefallen: Die Stadtverwaltung Rottweil hatte am vergangenen Montagabend einen Teil eines Parkplatzes am Kriegsdamm gesperrt. Und zwar zur besten „Spaziergängerzeit“ gegen 18 Uhr. Galt das den von auswärts anreisenden Corona-Demonstranten, war das eine flankierende Maßnahme zur von der Stadt und dem Oberbürgermeister schon unterstützten Menschenkette? Das fragte sinngemäß die AfD-Stadträtin Margit Pfriender, selbst eine „Spaziergängerin“. Die Antwort der Verwaltung liegt nun vor. Auch der NRWZ.

In einer E-Mail wandte Pfriender sich am Mittwoch an den Oberbürgermeister. Die NRWZ nahm sie auf CC. Am Montag sei sie in Rottweil spazieren gewesen, berichtet die AfD-Rätin. „Dabei wurde ich als Gemeinderatsmitglied im Nachgang zum Spaziergang von Bürgern, welche eine veränderte Corona-Politik einfordern, darauf angesprochen, dass Gerüchte kursieren, um deren Aufklärung ich Sie bitten würde“, leitet sie ihre Fragen an OB Ralf Broß ein.

Um dann konkret zu werden: „Ist es zutreffend, dass der Parkplatz am Kriegsdamm am 24. Januar 2022 gesperrt war?“ Dass also einer der Parkplätze, die der Innenstadt am nächsten liegen, an jenem Montag Autofahrern nicht zur Verfügung gestanden hätte. Bekanntlich reisen die „Spaziergänger“, die an ihrem besten Montag 1400 an der Zahl waren, auch von auswärts an, teils aus benachbarten Landkreisen und darüber hinaus. Wollte die Stadt diesen also einen Nicht-Willkommensgruß senden?

Parkplatz gesperrt

Tatsächlich: Ja, es sei zutreffend, der Parkplatz sei gesperrt gewesen, antwortet die Stadtverwaltung Pfriender. Auf Nachfrage hat die NRWZ das Schreiben ebenfalls erhalten. Gesperrt gewesen sei der Parkplatz zwischen 17.30 und 19 Uhr. Ab 17.30 Uhr sollte die Menschenkette samt Mahnwache für die Corona-Verstorbenen stattfinden, für 18 Uhr verabreden sich die „Spaziergänger“ jeweils, ihr Gang durch die Stadt dauert üblicherweise bis 19 Uhr. Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Manhwache in der Oberen Hauptstraße samt der sie unterstützenden Klepfer mit ihren Peitschen vornehmlich aus Rottweil selbst kommen, könnte man vermuten, dass diese von der Maßnahme weniger betroffen gewesen waren.

„Aus welchem Grund war der Parkplatz gesperrt?“, will die AfD-Stadträtin natürlich Details wissen. „Der Parkplatz wurde gesperrt, um eine Überfüllung zu vermeiden und damit eine Zufahrt von Einsatzfahrzeugen jederzeit zu gewährleisten“, antwortet die Stadtverwaltung knapp. Dazu liege eine sogenannte Verkehrsrechtliche Anordnung vor, welche die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Rottweil mit Datum vom 21. Januar 2022 erlassen habe.

Ein Sprecher der Stadtverwaltung Rottweil ergänzt: „Ausreichend Flächen für Einsatzfahrzeuge freizuhalten ist wichtig. Wir hatten ja bereits einmal einen Notfall im Umfeld der ‚Spaziergänge‘. Da der genaue Streckenverlauf der ‚Spaziergänge‘ im Voraus nicht bekannt ist, müssen wir zudem auch von Einsätzen im Bereich des Nägelegrabens ausgehen. Die verkehrsrechtliche Anordnung erfolgte mündlich im Rahmen der Lagebeurteilung.“

Feuerwehr hält sich bereit

Stichwort Einsatzfahrzeuge: Seit die Menschenkette zunächst Teile der Oberen Hauptstraße und dann diese vollständig eingenommen hat, ist auch die Rottweiler Freiwillige Feuerwehr in die Absicherung der Demonstrationen eingebunden. Stadtbrandmeister Frank Müller hielt sich zunächst im Alten Rathaus in Bereitschaft, zuletzt auch direkt am Friedrichsplatz. Zudem hat er ein Löschfahrzeug samt Besatzung hinzugezogen. Dieses nahm am Kapuziner Aufstellung. Wie Müller der NRWZ sagte, gehe es ihm darum, im Einsatzfall Kräfte schnell zur Verfügung zu haben. Anrückende Einsatzkräfte könnten auf dem Weg zum Gerätehaus mit ihren Privat-Pkw unter Umständen den Zug der „Spaziergänger“ queren müssen. Und es sei dann nicht gewährleistet, dass das rasch genug vonstatten ginge.

Städtische Werbung für die Menschenkette?

Damit nicht genug. Stadträtin Pfriender will Details zu weiteren Gerüchten wissen, die ihr zu Ohren gekommen sind. So fragt sie: „Ist es zutreffend, dass bei Mitarbeitern der Stadt Rottweil von der Stadtverwaltung regelrecht Werbung für die angemeldete Mahnwache für Corona-Tote beziehungsweise der Menschenkette gemacht wurde?“ Und: „Wurden gegebenenfalls materielle oder immaterielle Vorteile für eine Teilnahme an der ‚Mahnwache für Corona-Tote beziehungsweise der Menschenkette seitens der Stadtverwaltung in Aussicht gestellt?“

All dies weist die Stadtverwaltung von sich. „Nein, dies trifft nicht zu“, lautet die Antwort an Pfriender. „Die Stadtverwaltung hat hierfür bei den Mitarbeitern keine Werbung gemacht. Dies schließt aber nicht aus, dass die Kolleginnen und Kollegen untereinander darüber gesprochen haben.“ Insofern hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung natürlich auch keine Vorteile für eine Teilnahme erhalten.

Neutralitätsgebot verletzt?

Nun geht es für Pfriender ans Eingemachte. Es kommen die heiklen Fragen. „Inwiefern sieht die Stadtverwaltung insbesondere das Neutralitätsgebot in dieser Sache im Kontext des Urteils BVerwG 10. Senat, 10 C 6/16 noch gewährleistet?“, fragt sie. Zum Hintergrund: In seinem Urteil vom 13. September 2017 stellte das Bundesverwaltungsgericht folgende Leitsätze auf:

  1. Amtliche Äußerungen eines kommunalen Amtsträgers im politischen Meinungskampf sind nur innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs zulässig.
  2. Die Befugnis zu amtlichen Äußerungen, die sich gegen eine nicht zu den politischen Parteien (Art. 21 GG) zählende politische Gruppierung richten, findet ihre Grenze nicht in dem politischen Parteien gegenüber geltenden Neutralitätsgebot, wohl aber in dem für jedes staatliche Handeln geltenden Sachlichkeitsgebot. Dieses verlangt, dass sich die amtlichen Äußerungen am Gebot eines rationalen und sachlichen Diskurses ausrichten und auf eine lenkende Einflussnahme auf den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung verzichten.

Im vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelten Fall ging es um eine öffentliche Versammlung mit dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Die Stadt Düsseldorf hatte auf diese reagiert und das Motto: „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ ausgerufen.

Pfriender glaubt nun: „Die Spaziergänger sind dafür bekannt, gegenüber bundes- und landespolitischen Maßnahmen in Bezug auf Corona kritisch eingestellt zu sein, während die Stadtverwaltung offensichtlich mit städtischen Geldmitteln, aber auch mit der Infrastruktur der Stadtverwaltung und dem Gewicht der Stadtverwaltung im Meinungskampf meint, die Gegenmeinung repräsentieren zu müssen.“ Dem widerspricht das Rottweiler Rathaus. „Die Stadtverwaltung sieht das Neutralitätsgebot im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts-Urteils gewährleistet. Es ging und geht ausschließlich darum, sachlich auf die Einhaltung staatlicher Corona-Regelungen und Empfehlungen bezüglich der Coronapandemie hinzuweisen.“

Eine Nachfrage Pfrienders, welche Geldmittel und Arbeitszeit städtischer Beamten und Angestellten eingesetzt worden seien, um „ein politisches Gegengewicht zu den Spaziergängern zu bilden“, beantwortet die Stadtverwaltung nicht mehr inhaltlich. Sie erklärt: „Bei den Maßnahmen geht es nicht um die Bildung eines politischen Gegengewichtes, sondern darum, auf die Einhaltung der Corona-Regelungen hinzuwirken. Insofern erübrigt sich die Beantwortung dieser Frage.“

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ROTTWEIL. Das ist einigen aufgefallen: Die Stadtverwaltung Rottweil hatte am vergangenen Montagabend einen Teil eines Parkplatzes am Kriegsdamm gesperrt. Und zwar zur besten „Spaziergängerzeit“ gegen 18 Uhr. Galt das den von auswärts anreisenden Corona-Demonstranten, war das eine flankierende Maßnahme zur von der Stadt und dem Oberbürgermeister schon unterstützten Menschenkette? Das fragte sinngemäß die AfD-Stadträtin Margit Pfriender, selbst eine „Spaziergängerin“. Die Antwort der Verwaltung liegt nun vor. Auch der NRWZ.

In einer E-Mail wandte Pfriender sich am Mittwoch an den Oberbürgermeister. Die NRWZ nahm sie auf CC. Am Montag sei sie in Rottweil spazieren gewesen, berichtet die AfD-Rätin. „Dabei wurde ich als Gemeinderatsmitglied im Nachgang zum Spaziergang von Bürgern, welche eine veränderte Corona-Politik einfordern, darauf angesprochen, dass Gerüchte kursieren, um deren Aufklärung ich Sie bitten würde“, leitet sie ihre Fragen an OB Ralf Broß ein.

Um dann konkret zu werden: „Ist es zutreffend, dass der Parkplatz am Kriegsdamm am 24. Januar 2022 gesperrt war?“ Dass also einer der Parkplätze, die der Innenstadt am nächsten liegen, an jenem Montag Autofahrern nicht zur Verfügung gestanden hätte. Bekanntlich reisen die „Spaziergänger“, die an ihrem besten Montag 1400 an der Zahl waren, auch von auswärts an, teils aus benachbarten Landkreisen und darüber hinaus. Wollte die Stadt diesen also einen Nicht-Willkommensgruß senden?

Parkplatz gesperrt

Tatsächlich: Ja, es sei zutreffend, der Parkplatz sei gesperrt gewesen, antwortet die Stadtverwaltung Pfriender. Auf Nachfrage hat die NRWZ das Schreiben ebenfalls erhalten. Gesperrt gewesen sei der Parkplatz zwischen 17.30 und 19 Uhr. Ab 17.30 Uhr sollte die Menschenkette samt Mahnwache für die Corona-Verstorbenen stattfinden, für 18 Uhr verabreden sich die „Spaziergänger“ jeweils, ihr Gang durch die Stadt dauert üblicherweise bis 19 Uhr. Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Manhwache in der Oberen Hauptstraße samt der sie unterstützenden Klepfer mit ihren Peitschen vornehmlich aus Rottweil selbst kommen, könnte man vermuten, dass diese von der Maßnahme weniger betroffen gewesen waren.

„Aus welchem Grund war der Parkplatz gesperrt?“, will die AfD-Stadträtin natürlich Details wissen. „Der Parkplatz wurde gesperrt, um eine Überfüllung zu vermeiden und damit eine Zufahrt von Einsatzfahrzeugen jederzeit zu gewährleisten“, antwortet die Stadtverwaltung knapp. Dazu liege eine sogenannte Verkehrsrechtliche Anordnung vor, welche die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Rottweil mit Datum vom 21. Januar 2022 erlassen habe.

Ein Sprecher der Stadtverwaltung Rottweil ergänzt: „Ausreichend Flächen für Einsatzfahrzeuge freizuhalten ist wichtig. Wir hatten ja bereits einmal einen Notfall im Umfeld der ‚Spaziergänge‘. Da der genaue Streckenverlauf der ‚Spaziergänge‘ im Voraus nicht bekannt ist, müssen wir zudem auch von Einsätzen im Bereich des Nägelegrabens ausgehen. Die verkehrsrechtliche Anordnung erfolgte mündlich im Rahmen der Lagebeurteilung.“

Feuerwehr hält sich bereit

Stichwort Einsatzfahrzeuge: Seit die Menschenkette zunächst Teile der Oberen Hauptstraße und dann diese vollständig eingenommen hat, ist auch die Rottweiler Freiwillige Feuerwehr in die Absicherung der Demonstrationen eingebunden. Stadtbrandmeister Frank Müller hielt sich zunächst im Alten Rathaus in Bereitschaft, zuletzt auch direkt am Friedrichsplatz. Zudem hat er ein Löschfahrzeug samt Besatzung hinzugezogen. Dieses nahm am Kapuziner Aufstellung. Wie Müller der NRWZ sagte, gehe es ihm darum, im Einsatzfall Kräfte schnell zur Verfügung zu haben. Anrückende Einsatzkräfte könnten auf dem Weg zum Gerätehaus mit ihren Privat-Pkw unter Umständen den Zug der „Spaziergänger“ queren müssen. Und es sei dann nicht gewährleistet, dass das rasch genug vonstatten ginge.

Städtische Werbung für die Menschenkette?

Damit nicht genug. Stadträtin Pfriender will Details zu weiteren Gerüchten wissen, die ihr zu Ohren gekommen sind. So fragt sie: „Ist es zutreffend, dass bei Mitarbeitern der Stadt Rottweil von der Stadtverwaltung regelrecht Werbung für die angemeldete Mahnwache für Corona-Tote beziehungsweise der Menschenkette gemacht wurde?“ Und: „Wurden gegebenenfalls materielle oder immaterielle Vorteile für eine Teilnahme an der ‚Mahnwache für Corona-Tote beziehungsweise der Menschenkette seitens der Stadtverwaltung in Aussicht gestellt?“

All dies weist die Stadtverwaltung von sich. „Nein, dies trifft nicht zu“, lautet die Antwort an Pfriender. „Die Stadtverwaltung hat hierfür bei den Mitarbeitern keine Werbung gemacht. Dies schließt aber nicht aus, dass die Kolleginnen und Kollegen untereinander darüber gesprochen haben.“ Insofern hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung natürlich auch keine Vorteile für eine Teilnahme erhalten.

Neutralitätsgebot verletzt?

Nun geht es für Pfriender ans Eingemachte. Es kommen die heiklen Fragen. „Inwiefern sieht die Stadtverwaltung insbesondere das Neutralitätsgebot in dieser Sache im Kontext des Urteils BVerwG 10. Senat, 10 C 6/16 noch gewährleistet?“, fragt sie. Zum Hintergrund: In seinem Urteil vom 13. September 2017 stellte das Bundesverwaltungsgericht folgende Leitsätze auf:

  1. Amtliche Äußerungen eines kommunalen Amtsträgers im politischen Meinungskampf sind nur innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs zulässig.
  2. Die Befugnis zu amtlichen Äußerungen, die sich gegen eine nicht zu den politischen Parteien (Art. 21 GG) zählende politische Gruppierung richten, findet ihre Grenze nicht in dem politischen Parteien gegenüber geltenden Neutralitätsgebot, wohl aber in dem für jedes staatliche Handeln geltenden Sachlichkeitsgebot. Dieses verlangt, dass sich die amtlichen Äußerungen am Gebot eines rationalen und sachlichen Diskurses ausrichten und auf eine lenkende Einflussnahme auf den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung verzichten.

Im vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelten Fall ging es um eine öffentliche Versammlung mit dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Die Stadt Düsseldorf hatte auf diese reagiert und das Motto: „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ ausgerufen.

Pfriender glaubt nun: „Die Spaziergänger sind dafür bekannt, gegenüber bundes- und landespolitischen Maßnahmen in Bezug auf Corona kritisch eingestellt zu sein, während die Stadtverwaltung offensichtlich mit städtischen Geldmitteln, aber auch mit der Infrastruktur der Stadtverwaltung und dem Gewicht der Stadtverwaltung im Meinungskampf meint, die Gegenmeinung repräsentieren zu müssen.“ Dem widerspricht das Rottweiler Rathaus. „Die Stadtverwaltung sieht das Neutralitätsgebot im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts-Urteils gewährleistet. Es ging und geht ausschließlich darum, sachlich auf die Einhaltung staatlicher Corona-Regelungen und Empfehlungen bezüglich der Coronapandemie hinzuweisen.“

Eine Nachfrage Pfrienders, welche Geldmittel und Arbeitszeit städtischer Beamten und Angestellten eingesetzt worden seien, um „ein politisches Gegengewicht zu den Spaziergängern zu bilden“, beantwortet die Stadtverwaltung nicht mehr inhaltlich. Sie erklärt: „Bei den Maßnahmen geht es nicht um die Bildung eines politischen Gegengewichtes, sondern darum, auf die Einhaltung der Corona-Regelungen hinzuwirken. Insofern erübrigt sich die Beantwortung dieser Frage.“

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