Eine motivierte, fitte Mannschaft, eine gutgelaunt-zuversichtliche Vereinsführung – am heutigen Samstag könnte der Rugby Club Rottweil (RCR) einen wirklich großen Traum wahr machen. Die Mutter aller Spiele steigt in Berlin, ein Sieg könnte den Verein in die 1. Bundesliga führen. Alles oder nichts, lautet das Motto.
„Nächste Termine: 21.06. 15 Uhr – Qualifikation Bundesliga“. Viel trockener könnte man kaum formulieren, was tatsächlich Großartiges für die Rugby-Herren des RCR heute in Berlin ansteht: das Match um den Aufstieg in die 1. Liga. Der Traditionsverein Berliner Rugby Club (BRC) steht als Gegner für die Rottweiler seit dem vergangenen Wochenende fest. Der BRC gehört zu einem der größten Rugby-Vereine in Deutschland. Seine erste Herrenmannschaft spielt derzeit in der 1. Bundesliga Nord/Ost. Aber auch die „Schwarz-Gelben“ mit ihrem Trainer Will Esau sind auf Kurs: Sie haben als ungeschlagener Meister die Rundenspiele abgeschlossen, stehen nach zwölf Partien mit zehn Punkten Vorsprung auf Platz 1 vor dem RK Heusenstamm. Nun könnte die Mannschaft die Spitze des Rugby-Sports erreichen, dazu wird nur noch ein Sieg gebraucht.
Aufs und Abs
Es ist das 55. Jahr des Rottweiler Rugby-Clubs, in dem der bislang größte Triumph gelingen könnte. Die etwas Älteren in der Kleinstadt am Neckar – ansonsten etwa für ihren erfolgreichen Boxstall bekannt – erinnern sich: Alles begann 1969 mit der Gründung einer Rugby-AG am Leibniz-Gymnasium in Rottweil durch den ehemaligen Rugby-Nationalspieler Günter Thiel. Mit großer Konsequenz und vielen engagierten Mitstreitern im Schlepptau etablierte Thiel den Sport in Rottweil. 1971/72 wurde der RCR auf Anhieb Meister der Regionalliga Süd. Die folgenden Jahre glichen Aufs und Abs, einer Orientierungs- und Festigungsphase mit selten längeren Verweilzeiten in der Bundesliga.
Dann eine sportliche Krise – und der Wiederaufbau unter der Leitung von Karl-Heinz Bahr und Gunther Wilde fast von null. Mit einer Schülermannschaft, mit Nachwuchsarbeit, mit inzwischen mehreren noch verpassten Chancen zum Aufstieg in die 1. Liga. Doch jetzt ist es so weit: In der Saison 2024/25 gelang es den „Schwarz-Gelben“ schließlich, als ungeschlagener Tabellenführer zu überwintern. Mit Trainer Will Esau als Motivator an der Spitze verfolgt die Mannschaft aktuell erneut konsequent den Traum von der Rückkehr in die höchste deutsche Rugby-Spielklasse. Und: Nachdem sie dem schwächelnden Fußballverein 08 Rottweil den Rücken gekehrt und die Sportart gewechselt hat, ist Anja Faras als Mentalcoach für den RCR tätig. Jüngst gab’s ein Meeting statt einer Trainingseinheit. Darin rief Faras die Spieler laut Verein dazu auf, „die mentalen und emotionalen Fähigkeiten des Einzelnen, aber vor allem des gesamten Teams zu stärken um das beschriebene Ziel noch besser zu erreichen und das volle Potenzial auszuschöpfen.“
„Alles getan, was wir können“
Und so sind sie fit für das Saison- und Gesamtziel Aufstieg. Am Freitagmorgen war die Abfahrt, mit vier Kleinbussen machte sich die Mannschaft auf den Weg nach Berlin. Hoch motivierte Jungs. In einer Jugendherberge haben sie die – vielleicht ruhige, vielleicht durchwachte – Nacht verbracht. Und am heutigen Samstag ab 15 bis etwa 17 Uhr geht’s um die Bundesligawurst.
„Wir haben alles getan, was wir können, mehr kann man nicht tun.“ So fasste Daniel Kästner gegenüber der NRWZ den Stand zusammen. Der zweite RCR-Vorsitzende hatte ein Leuchten in den Augen, verkörperte Zielstrebigkeit, Siegeswillen. Und als ein ganz starkes, motivierendes Signal wird gewertet, dass Gustavo Lopez, fünf Jahre lang Trainer der RCR-Herren bis 2022, persönlich dabei ist. Ebenfalls bestens gelaunt und über beide Backen strahlend erschien auch er am Freitagmorgen auf dem Parkplatz am Freibad und Rugbyfeld. Er verzichtete dem Vernehmen nach auf einen gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau, will auch als aktueller Co-Trainer dabei sein, wenn die Cracks heute schaffen, was unter seiner Führung jeweils noch nicht gelingen wollte.
„Die ‚Schwarz-Gelben‘ gehen durchaus selbstbewusst in dieses herausfordernde Entscheidungsspiel und fühlen sich nicht als Außenseiter“, heißt es von Vereinsseite. Die Moral der Truppe sei gut – was bei der Abreise, bei der auch einige Plastiktüten aus einem Spender für Hundebesitzer eingepackt wurden, mehr als deutlich wurde. Der eine oder andere machte sich mit Schrammen im Gesicht, die vom jüngsten Training stammen, auf den Weg. Aber allesamt hatten diese Aura des Siegeswillens um sich, verströmten Kampfbereitschaft, erklärten ganz ohne Worte, dass sie es heute schaffen könnten. Vor allem etwa Trainer Esau. Bei ihm drang auch kindliche Vorfreude durch. Unvorstellbar, was er erleben wird, wenn es seine Jungs heute wirklich packen sollten.
„Spiel in die Hand bekommen und dann gestalten“
Jedenfalls: Die Spielabläufe sind optimiert, an Motivation mangele es bei den RCR’lern, so der Verein. Sie betrachteten dieses Spiel heute in Berlin als große Herausforderung, aber jeder wisse, „dass die Rottweiler auf einen offensiv wie defensiv überaus dominanten Gegner treffen“. Diese Berliner seien körperlich und technisch sehr athletisch und robust, würden mit einem äußerst starken Sturm und sehr schnell kombinierender Drei-Viertel-Reihe auftreten. Die Spieler des RCR wollten derweil dynamische, schnelle Ballwechsel mit gut abgestimmtem Zusammenspiel zwischen Sturm und Drei-Viertel-Reihe entgegensetzen. „Das Spiel selbst in die Hand zu nehmen ist der große Auftrag, sowohl offensiv wie auch defensiv. Wenn die Rottweiler im offenen Spiel kompakt stehen, wird die Abstimmung in den Standardsituationen (Gassen und Rucks) spielentscheidend zum Tragen kommen“, so der Vorbericht.
Oder, wie es der zweite Vorsitzende Kästner formuliert: „Dieses Spiel soll der krönende Abschluss dieser sehr erfolgreichen Saison werden. Für unsere Jungs ist es wichtig, dass sie das Spiel von Anfang an in die Hand bekommen und es dann gestalten. Wir freuen uns alle auf das Spiel und wissen um unsere Chance. Wenn wir im System bleiben, unsere Chancen nutzen und den erfahrenen Erstliga-Spielern Paroli bieten, haben wir gute Aussichten auf den Auswärtserfolg, den sich eine größere Gruppe von uns immer sehr stark unterstützenden mitreisenden Fans und Anhängern nicht entgehen lassen will. Unser Team muss sich die guten Leistungen in Erinnerung rufen. Daran wollen sie anknüpfen.“
Alles oder nichts
Die Berliner, Gegner des RCR, fassen den heutigen Spieltag so zusammen:
Mit dem Start der neuen eingleisigen Bundesliga in der kommenden Saison trifft der BRC im Alles-oder-nichts-Spiel auf den RC Rottweil. Der Sieger spielt nächste Saison in der neuen eingleisigen Liga, der Verlierer muss den Gang in die 2. Bundesliga antreten.
Info: Um 15 Uhr startet ein Livestream. Mehr über den RC Rottweil im Web, auf Facebook und Instagram.