Schwindel mit Wohngeldhilfe und anderen angeblichen Serviceangeboten

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

„Wohngeld für mehr Menschen“ – das hat die vielgescholtene Bundesregierung durch- und umgesetzt. Seit dem 1. Januar 2023 haben zwei Millionen Haushalte in Deutschland Anspruch auf Wohngeld. Fast fünf Millionen Menschen werden so entlastet. Leider versuchen aber auch private Unternehmen, von diesem Boom zu profitieren. Unseriös, wie sich aufdrängt.

Schramberg. „Ich bin 73 Jahre alt Rentner und habe, glaube ich, Anspruch auf Wohngeld. Weil ich stark gehbehindert bin, wollte ich das Wohngeld online beantragen“, schreibt uns ein Leser aus dem Schwarzwald.  „Doch jetzt wäre ich fast auf jemanden reingefallen, der von mir vorab 29,99 Euro kassieren will und mit einem Inkassounternehmen droht, wenn ich das Geld nicht sofort überweise.“

29,99 Euro, aber kein Widerspruchsrecht

Seiner E-Mail hat unser Leser eine Online-Anzeige beigefügt, die er auf YouTube gefunden hatte. „Der einfache Weg zum Wohngeld“ – das schien verlockend. Die Seite sah seriös aus. Im Kleingedruckten stand zwar etwas von einer Servicegebühr von 29.99 Euro, aber dafür sollte es ja auch noch einen „nützlichen Ratgeber“ geben. Und schließlich gibt es ja das Widerrufsrecht, dachte sich unser Leser.

Er füllte das Formular aus, klickte das übliche Kästchen mit den AGBs an und stieß auf ein weiteres: „Ich bin einverstanden und verlange ausdrücklich, dass Sie vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der beauftragten Dienstleistung beginnen. Mir ist bekannt, dass ich bei vollständiger Vertragserfüllung durch Sie mein Widerrufsrecht verliere.“ Unser Leser wurde skeptisch und hat das Formular nicht abgeschickt.

Der offizielle Weg

Komplett kostenlos kann man nämlich in Schramberg beispielsweise über diesen Link die erforderlichen Formulare finden.  Von hier aus landet man beim Serviceportal BW und auch da ist das Formular für Schramberg hinterlegt. Das kann man sich dann herunterladen, ausfüllen und zurückschicken. Kostenlos, selbstverständlich.

wohngeldstelle schild rathaus dk 140922 (3)
Im Rathaus oder Landratsamt bekommt man Formulare und Hilfe. Archiv-Foto: him

Nützt man den angeblichen Service des Dienstleisters, macht der nichts anderes. Wenn überhaupt. Aber dazu später mehr.

Wer steckt dahinter?

Schaut man in das Impressum des Anbieters, steht dort ein Softwareunternehmen aus dem Westerwald. Im Internet finden sich zahlreiche Erfahrungsberichte zu diesem Unternehmen und zu seiner Arbeitsweise. Die NRWZ hat die verschiedenen Dienstleistungen nicht selbst ausprobiert, wir geben die Urteile anderer wieder und können diese nicht im Detail überprüfen. Immerhin hat die Firma bei einem ihrer Angebote inzwischen wohl zugesagt, man werde kassierte Gelder zurückzahlen.

Standesamt, Grundbuch, GEZ

Die Firma könnte nämlich vor der Wohngeldmasche schon auf ähnliche Art und Weise Leute ausgenommen haben. Sie bot schon vor fünf Jahren einen „Service Standesamt“ an. Für 9,99 Euro sollte man über diesen Dienst an Standesamt-Dokumente gelangen. Auf einer „Verbraucherschutz“-Seite warnte man bereits 2019 davor, denn die Standesämter würden für die Angaben ihre eigenen Gebühren selbstverständlich auch noch verlangen.

Auf einer Bewertungsseite beklagt sich ein Betroffener, das Unternehmen habe „nichts, aber auch gar nichts (außer dem Bankeinzug je angebliche Anforderung 9,99 €) getätigt“. Sein Standesamt habe ihm erklärt, es seien „dort keinerlei Anfragen oder Angaben eingegangen“. Leider sei das kein Einzelfall.

Auch bei Gewerbeanmeldungen, beim Grundbuchamt und bei der GEZ versprach das Unternehmen aus dem Westerwald seine „Unterstützung“. Gerade zum GEZ-„Service Rundfunkbeitrag“ findet sich heftige Kritik im Internet. Auch in diesem Fall beklagen Leute, die sich auf die Firma eingelassen haben, etwa bei „Trustpilot“, die Westerwälder würden überhaupt nicht tätig. Die Rede ist von „Bauernfängerei“. Ein Kommentator rät, einen Anwalt einzuschalten und „keinesfalls bezahlen!!!“

Das Inkassobüro kommt schnell

Auf der Seite Verbraucherschutz.de schildert ein Kunde, wie ihn das Softwareunternehmen mutmaßlich abgezockt und ihm schon nach weniger als einer Woche ein Inkassobüro auf den Hals gehetzt habe.

Das Bundesamt für Justiz meldet unterdessen, dass gegen das Unternehmen der Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Unterlassungsklage eingereicht habe.

Verbraucherschützer klagen gegen das Unternehmen

Die Verbraucherschützer bitten Menschen, die ebenfalls auf die GEZ-Masche hereingefallen sind, sich zu melden. Die Klage hat schon Wirkung gezeigt:  Nachdem die Klage eingereicht worden sei, habe der Anbieter erklärt, er werde in vielen Fällen die Widerrufe annehmen und das Geld zurückzahlen, meldet die Verbraucherzentrale Mitte August.

Doch im Westerwald geht es munter weiter. Nachdem die Firma so viel Druck wegen ihrer GEZ-Masche erhalten hat, versucht sie nun offenbar einen neuen Markt zu beackern, eben den der Wohngeld-Empfänger.

Immer wieder neue Ideen

Und weil die Westerwälder sehr kreativ sind, haben sie einen weiteren Markt entdeckt: Alle, die umziehen, können sich beim „Nachsendeservice“ für 138 Euro anmelden. Die Post bietet denselben Service für 12 Monate an. Da kostet es 37,90 Euro, berichtet die Verbraucherzentrale Niedersachsen am Freitag.

Auf diesem Markt sind die Westerwälder allerdings nicht allein zugange. Etliche Firmen versuchen da, die Verbraucherinnen und Verbraucher anzulocken. Einfach mal googeln unter Nachsendeauftrag – und die gesponserten Angebote anschauen.

briefkasten dk 150924 (2)
Damit die Post auch nach dem Umzug ankommt: Nachsendeantrag stellen. Foto: him

Das Problem: Wenn man nicht weiß, wie das Unternehmen mit den gelben Briefkästen richtig heißt, kann man leicht reinfallen. Schreibt man Bundespost, bekommt man erst einmal mehrere private Anbieter gezeigt. Auf „Deutsche Post“ findet man das offizielle Angebot.

Neue Firma – neues Glück

Mit „Kindergeld beantragen.online“ hat ein anderes Unternehmen ein weiteres Feld für sich entdeckt. Zufällig residiert es im selben Haus im Westerwald und sein Geschäftsführer hat denselben Nachnamen wie der der anderen Firma. Dass auch dieses Angebot etwas kostet, kann man nur erahnen. Erst wenn man den Antrag ausgefüllt hat, einschließlich seiner Bankverbindung, erfährt man den Preis. Laut „Trusted Shops“ sind es 29,90 Euro.

Bei „Trustpilot“ klagt einer von vielen Betroffenen, sein Kindergeld-Antrag sei verschlampt worden. Eine andere spricht von „reinste Abzocke“ bei diesem Anbieter. Viele kritisieren, dass man von der Gebühr erst ganz zum Schluss erfahre.

Und ein „ralf“ beklagt sich am 3. September 2024: „Wie alles was irgendwie Staatlich geführt wird ist die kindergeldkasse der letzte Haufen“ (Rechtschreibung im Original). Der Gute hat gar nicht gemerkt, dass er auf eine private Firma reingefallen ist.

Wohngeldantrag ist auf dem Weg

Zurück zu unserem Leser und seinem Wohngeldantrag: Er hat sich inzwischen telefonisch an sein Rathaus gewendet und von dort alle erforderlichen Wohngeldunterlagen geschickt bekommen. Und die Zusage, man werde beim Ausfüllen helfen.

Das interessiert diese Woche



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„Wohngeld für mehr Menschen“ – das hat die vielgescholtene Bundesregierung durch- und umgesetzt. Seit dem 1. Januar 2023 haben zwei Millionen Haushalte in Deutschland Anspruch auf Wohngeld. Fast fünf Millionen Menschen werden so entlastet. Leider versuchen aber auch private Unternehmen, von diesem Boom zu profitieren. Unseriös, wie sich aufdrängt.

Schramberg. „Ich bin 73 Jahre alt Rentner und habe, glaube ich, Anspruch auf Wohngeld. Weil ich stark gehbehindert bin, wollte ich das Wohngeld online beantragen“, schreibt uns ein Leser aus dem Schwarzwald.  „Doch jetzt wäre ich fast auf jemanden reingefallen, der von mir vorab 29,99 Euro kassieren will und mit einem Inkassounternehmen droht, wenn ich das Geld nicht sofort überweise.“

29,99 Euro, aber kein Widerspruchsrecht

Seiner E-Mail hat unser Leser eine Online-Anzeige beigefügt, die er auf YouTube gefunden hatte. „Der einfache Weg zum Wohngeld“ – das schien verlockend. Die Seite sah seriös aus. Im Kleingedruckten stand zwar etwas von einer Servicegebühr von 29.99 Euro, aber dafür sollte es ja auch noch einen „nützlichen Ratgeber“ geben. Und schließlich gibt es ja das Widerrufsrecht, dachte sich unser Leser.

Er füllte das Formular aus, klickte das übliche Kästchen mit den AGBs an und stieß auf ein weiteres: „Ich bin einverstanden und verlange ausdrücklich, dass Sie vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der beauftragten Dienstleistung beginnen. Mir ist bekannt, dass ich bei vollständiger Vertragserfüllung durch Sie mein Widerrufsrecht verliere.“ Unser Leser wurde skeptisch und hat das Formular nicht abgeschickt.

Der offizielle Weg

Komplett kostenlos kann man nämlich in Schramberg beispielsweise über diesen Link die erforderlichen Formulare finden.  Von hier aus landet man beim Serviceportal BW und auch da ist das Formular für Schramberg hinterlegt. Das kann man sich dann herunterladen, ausfüllen und zurückschicken. Kostenlos, selbstverständlich.

wohngeldstelle schild rathaus dk 140922 (3)
Im Rathaus oder Landratsamt bekommt man Formulare und Hilfe. Archiv-Foto: him

Nützt man den angeblichen Service des Dienstleisters, macht der nichts anderes. Wenn überhaupt. Aber dazu später mehr.

Wer steckt dahinter?

Schaut man in das Impressum des Anbieters, steht dort ein Softwareunternehmen aus dem Westerwald. Im Internet finden sich zahlreiche Erfahrungsberichte zu diesem Unternehmen und zu seiner Arbeitsweise. Die NRWZ hat die verschiedenen Dienstleistungen nicht selbst ausprobiert, wir geben die Urteile anderer wieder und können diese nicht im Detail überprüfen. Immerhin hat die Firma bei einem ihrer Angebote inzwischen wohl zugesagt, man werde kassierte Gelder zurückzahlen.

Standesamt, Grundbuch, GEZ

Die Firma könnte nämlich vor der Wohngeldmasche schon auf ähnliche Art und Weise Leute ausgenommen haben. Sie bot schon vor fünf Jahren einen „Service Standesamt“ an. Für 9,99 Euro sollte man über diesen Dienst an Standesamt-Dokumente gelangen. Auf einer „Verbraucherschutz“-Seite warnte man bereits 2019 davor, denn die Standesämter würden für die Angaben ihre eigenen Gebühren selbstverständlich auch noch verlangen.

Auf einer Bewertungsseite beklagt sich ein Betroffener, das Unternehmen habe „nichts, aber auch gar nichts (außer dem Bankeinzug je angebliche Anforderung 9,99 €) getätigt“. Sein Standesamt habe ihm erklärt, es seien „dort keinerlei Anfragen oder Angaben eingegangen“. Leider sei das kein Einzelfall.

Auch bei Gewerbeanmeldungen, beim Grundbuchamt und bei der GEZ versprach das Unternehmen aus dem Westerwald seine „Unterstützung“. Gerade zum GEZ-„Service Rundfunkbeitrag“ findet sich heftige Kritik im Internet. Auch in diesem Fall beklagen Leute, die sich auf die Firma eingelassen haben, etwa bei „Trustpilot“, die Westerwälder würden überhaupt nicht tätig. Die Rede ist von „Bauernfängerei“. Ein Kommentator rät, einen Anwalt einzuschalten und „keinesfalls bezahlen!!!“

Das Inkassobüro kommt schnell

Auf der Seite Verbraucherschutz.de schildert ein Kunde, wie ihn das Softwareunternehmen mutmaßlich abgezockt und ihm schon nach weniger als einer Woche ein Inkassobüro auf den Hals gehetzt habe.

Das Bundesamt für Justiz meldet unterdessen, dass gegen das Unternehmen der Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Unterlassungsklage eingereicht habe.

Verbraucherschützer klagen gegen das Unternehmen

Die Verbraucherschützer bitten Menschen, die ebenfalls auf die GEZ-Masche hereingefallen sind, sich zu melden. Die Klage hat schon Wirkung gezeigt:  Nachdem die Klage eingereicht worden sei, habe der Anbieter erklärt, er werde in vielen Fällen die Widerrufe annehmen und das Geld zurückzahlen, meldet die Verbraucherzentrale Mitte August.

Doch im Westerwald geht es munter weiter. Nachdem die Firma so viel Druck wegen ihrer GEZ-Masche erhalten hat, versucht sie nun offenbar einen neuen Markt zu beackern, eben den der Wohngeld-Empfänger.

Immer wieder neue Ideen

Und weil die Westerwälder sehr kreativ sind, haben sie einen weiteren Markt entdeckt: Alle, die umziehen, können sich beim „Nachsendeservice“ für 138 Euro anmelden. Die Post bietet denselben Service für 12 Monate an. Da kostet es 37,90 Euro, berichtet die Verbraucherzentrale Niedersachsen am Freitag.

Auf diesem Markt sind die Westerwälder allerdings nicht allein zugange. Etliche Firmen versuchen da, die Verbraucherinnen und Verbraucher anzulocken. Einfach mal googeln unter Nachsendeauftrag – und die gesponserten Angebote anschauen.

briefkasten dk 150924 (2)
Damit die Post auch nach dem Umzug ankommt: Nachsendeantrag stellen. Foto: him

Das Problem: Wenn man nicht weiß, wie das Unternehmen mit den gelben Briefkästen richtig heißt, kann man leicht reinfallen. Schreibt man Bundespost, bekommt man erst einmal mehrere private Anbieter gezeigt. Auf „Deutsche Post“ findet man das offizielle Angebot.

Neue Firma – neues Glück

Mit „Kindergeld beantragen.online“ hat ein anderes Unternehmen ein weiteres Feld für sich entdeckt. Zufällig residiert es im selben Haus im Westerwald und sein Geschäftsführer hat denselben Nachnamen wie der der anderen Firma. Dass auch dieses Angebot etwas kostet, kann man nur erahnen. Erst wenn man den Antrag ausgefüllt hat, einschließlich seiner Bankverbindung, erfährt man den Preis. Laut „Trusted Shops“ sind es 29,90 Euro.

Bei „Trustpilot“ klagt einer von vielen Betroffenen, sein Kindergeld-Antrag sei verschlampt worden. Eine andere spricht von „reinste Abzocke“ bei diesem Anbieter. Viele kritisieren, dass man von der Gebühr erst ganz zum Schluss erfahre.

Und ein „ralf“ beklagt sich am 3. September 2024: „Wie alles was irgendwie Staatlich geführt wird ist die kindergeldkasse der letzte Haufen“ (Rechtschreibung im Original). Der Gute hat gar nicht gemerkt, dass er auf eine private Firma reingefallen ist.

Wohngeldantrag ist auf dem Weg

Zurück zu unserem Leser und seinem Wohngeldantrag: Er hat sich inzwischen telefonisch an sein Rathaus gewendet und von dort alle erforderlichen Wohngeldunterlagen geschickt bekommen. Und die Zusage, man werde beim Ausfüllen helfen.

Das interessiert diese Woche

Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.