Zielorientiert: Polizei gibt klein bei

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Hermann Theisen hat wieder mal einen kleinen Sieg gegen die Justiz errungen. Diesmal hat sich ein Polizeipräsident in aller Form bei ihm entschuldigt. Und zwar dafür, dass aus dem Oberndorfer Polizeirevier Ermittlungs-Unterlagen an den Staatsschutz der Polizei in Heidelberg weiter gegeben wurden. (Nachtrag 27.8.2018: Auch das Polizeirpäsidium Mannheim hat sich mittlerweile bei Theisen entschuldigt – siehe Ende des Artikels.)

Hintergrund ist Theisens „Whistleblower-Flugblattaktion“ im Jahr 2015 vor den Toren des Waffenherstellers Heckler & Koch in Oberndorf. Im Zusammenhang mit dem Inhalt des Flugblatts hatte die Staatsanwaltschaft Rottweil einen Strafbefehl beantragt, den das Oberndorfer Amtsgericht zunächst auch erlassen hatte. Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer hatte später aufgrund anderer Gerichtsentscheide der Staatsanwaltschaft nahegelegt, darauf zu verzichten. Theisen hatte Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, und es wäre vor dem Amtsgericht verhandelt worden. Die Staatsanwaltschaft folgte Heuers Rat – und zog ihre Anklage kurz vor der Hauptverhandlung zurück. 

Die Whistlebloweraktion im Mai 2015 bei Heckler und Koch mit einem langjährigen juristischen Nachspiel. Polizeibeamte beschlagnahmen Theisens Flugblätter.  Archiv-Foto: privat

Die Justiz aber ließ nicht locker und warf Theisen nun Hausfriedensbruch vor. In einem kuriosen Verfahren vorm Oberndorfer Amtsgericht sprach Heuer dann Theisen im April vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei. Die HK-Chefetage hätte eine „dilettantische Dienstanweisung“ an den Werkschutz erteilt, sodass dieser praktisch kein Betretungsverbot erteilen konnte – Theisen demnach auch keinen Hausfriedensbruch begangen hätte, als er auf dem Werksgelände an der Pforte stand.  

Richter Heuer hatte nach dem Freispruch angekündigt, er wolle prüfen, ob Heckler & Koch wegen  Erstattens einer unwahren Anzeige nicht die Kosten des Verfahrens tragen muss. Juristisch ist das allerdings kompliziert, denn die Anzeige hatte eine Anwaltskanzlei erstattet, die wiederum sich auf die Firmen-Angaben verlassen hatte. Eine Entscheidung hat Heuer deshalb bisher noch nicht getroffen.

Weitergabe von Ermittlungsakten rechtswidrig

Noch vor dem Verfahren am 9. April in Oberndorf hat Theisen aus den Prozessunterlagen entnommen, dass die Oberndorfer Polizei  schon 2015 nach den Flugblattaktionen Theisens Kontakt mit einem Beamten vom Staatsschutz der Kriminalpolizei in Heidelberg  hatte. Dieser habe sich „über den Fall erkundigt“, und die Oberndorfer Polizei habe dem Staatsschützer in Heidelberg die Vorkommnisberichte vom 5.5. und 13.5. 2015 und eine Kopie seines Flugblattes zugesandt, steht in einer Aktennotiz.

Theisen hat deshalb am 5. April 2018 in Oberndorf  nach der Weitergabe angefragt und am 18. April aus Tuttlingen zur Antwort erhalten, die Weitergabe beruhe auf Paragraf 42 Absatz 1 Polizeigesetz. Der besagt, dass Polizeidienststellen personenbezogene Daten austauschen „soweit dies zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben dient“.

 Theisen hatte auch  beim Mannheimer Polizeipräsidenten unter anderem angefragt, woher  die Kripo Heidelberg von dem Oberndorfer Verfahren wisse und auf welcher Rechtsgrundlage die Anfrage stünde. Mehrere Mahnschreiben blieben erfolglos, und so hat Theisen am 24. Juli  Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingereicht.

Diese Klage, so vermutet Theisen, habe dazu geführt, dass der Tuttlinger Polizeipräsident Gerhard Regele die Sache mit dem Paragraf 42 Absatz 1 nun anders sieht. Er schreibt am 13. August, er könne „nach erneuter kritischer Prüfung“ Theisens „Beanstandung nachvollziehen“. Und dann: „Wir bedauern die Unannehmlichkeiten, die Sie durch unsere Maßnahme hinnehmen mussten und versichern, dass alle Daten gelöscht wurden.“

Regele-Brief an Theisen.

Die Behörden sollten inzwischen wissen, dass  mit Theisen nicht gut Kirschen essen ist, auch wenn er „immer einen sehr ruhigen, aber zielorientierten Eindruck hinterlässt“ und am Telefon „auffallend freundlich und sachlich“ ist, wie ein Oberndorfer Polizeihauptmeister in seinem Aktenvermerk schreibt. Zielorientiert, eben.

Nachtrag: Am 21. August schrieb auch das Mannheimer Polizeipräsidium einen Entschuldigungsbrief an Theisen. Zunächst bat ein Regierungsdirektor „vielmals zu entschuldigen“, dass die Anfrage von Theisen vom 5. April zeitlich verzögert beantwortet würde.

Außerdem teilt die Behörde Theisen mit, dass irrigerweise die Beamten sich auf den Paragrafen 42 Absatz 1 des Polizeigesetzes gestützt hätten. Die Voraussetzungen dafür hätten aber nicht vorgelegen. „Die vom Polizeirevier Oberndorf übermittelten Daten sind beim Polizeipräsidium Mannheim daher mittlerweile gelöscht worden. Die unzulässige Datenübermittlung bedauern wir.“ 

Man habe „den Vorfall zum Anlass genommen, die Beschäftigten des Polizeipräsidiums Mannheim nochmals über die geltende Rechtslage zu informieren und entsprechend zu schulen“, heißt es abschließend in dem Brief an Theisen.

Theisen ist zufrieden. Er gehe davon aus, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe ihn fragen werde,  ob er das Verfahren als erledigt betrachte, teilt er der NRWZ mit. Das werde er „dann bejahen“.

Das interessiert diese Woche



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Hermann Theisen hat wieder mal einen kleinen Sieg gegen die Justiz errungen. Diesmal hat sich ein Polizeipräsident in aller Form bei ihm entschuldigt. Und zwar dafür, dass aus dem Oberndorfer Polizeirevier Ermittlungs-Unterlagen an den Staatsschutz der Polizei in Heidelberg weiter gegeben wurden. (Nachtrag 27.8.2018: Auch das Polizeirpäsidium Mannheim hat sich mittlerweile bei Theisen entschuldigt – siehe Ende des Artikels.)

Hintergrund ist Theisens „Whistleblower-Flugblattaktion“ im Jahr 2015 vor den Toren des Waffenherstellers Heckler & Koch in Oberndorf. Im Zusammenhang mit dem Inhalt des Flugblatts hatte die Staatsanwaltschaft Rottweil einen Strafbefehl beantragt, den das Oberndorfer Amtsgericht zunächst auch erlassen hatte. Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer hatte später aufgrund anderer Gerichtsentscheide der Staatsanwaltschaft nahegelegt, darauf zu verzichten. Theisen hatte Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, und es wäre vor dem Amtsgericht verhandelt worden. Die Staatsanwaltschaft folgte Heuers Rat – und zog ihre Anklage kurz vor der Hauptverhandlung zurück. 

Die Whistlebloweraktion im Mai 2015 bei Heckler und Koch mit einem langjährigen juristischen Nachspiel. Polizeibeamte beschlagnahmen Theisens Flugblätter.  Archiv-Foto: privat

Die Justiz aber ließ nicht locker und warf Theisen nun Hausfriedensbruch vor. In einem kuriosen Verfahren vorm Oberndorfer Amtsgericht sprach Heuer dann Theisen im April vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei. Die HK-Chefetage hätte eine „dilettantische Dienstanweisung“ an den Werkschutz erteilt, sodass dieser praktisch kein Betretungsverbot erteilen konnte – Theisen demnach auch keinen Hausfriedensbruch begangen hätte, als er auf dem Werksgelände an der Pforte stand.  

Richter Heuer hatte nach dem Freispruch angekündigt, er wolle prüfen, ob Heckler & Koch wegen  Erstattens einer unwahren Anzeige nicht die Kosten des Verfahrens tragen muss. Juristisch ist das allerdings kompliziert, denn die Anzeige hatte eine Anwaltskanzlei erstattet, die wiederum sich auf die Firmen-Angaben verlassen hatte. Eine Entscheidung hat Heuer deshalb bisher noch nicht getroffen.

Weitergabe von Ermittlungsakten rechtswidrig

Noch vor dem Verfahren am 9. April in Oberndorf hat Theisen aus den Prozessunterlagen entnommen, dass die Oberndorfer Polizei  schon 2015 nach den Flugblattaktionen Theisens Kontakt mit einem Beamten vom Staatsschutz der Kriminalpolizei in Heidelberg  hatte. Dieser habe sich „über den Fall erkundigt“, und die Oberndorfer Polizei habe dem Staatsschützer in Heidelberg die Vorkommnisberichte vom 5.5. und 13.5. 2015 und eine Kopie seines Flugblattes zugesandt, steht in einer Aktennotiz.

Theisen hat deshalb am 5. April 2018 in Oberndorf  nach der Weitergabe angefragt und am 18. April aus Tuttlingen zur Antwort erhalten, die Weitergabe beruhe auf Paragraf 42 Absatz 1 Polizeigesetz. Der besagt, dass Polizeidienststellen personenbezogene Daten austauschen „soweit dies zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben dient“.

 Theisen hatte auch  beim Mannheimer Polizeipräsidenten unter anderem angefragt, woher  die Kripo Heidelberg von dem Oberndorfer Verfahren wisse und auf welcher Rechtsgrundlage die Anfrage stünde. Mehrere Mahnschreiben blieben erfolglos, und so hat Theisen am 24. Juli  Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingereicht.

Diese Klage, so vermutet Theisen, habe dazu geführt, dass der Tuttlinger Polizeipräsident Gerhard Regele die Sache mit dem Paragraf 42 Absatz 1 nun anders sieht. Er schreibt am 13. August, er könne „nach erneuter kritischer Prüfung“ Theisens „Beanstandung nachvollziehen“. Und dann: „Wir bedauern die Unannehmlichkeiten, die Sie durch unsere Maßnahme hinnehmen mussten und versichern, dass alle Daten gelöscht wurden.“

Regele-Brief an Theisen.

Die Behörden sollten inzwischen wissen, dass  mit Theisen nicht gut Kirschen essen ist, auch wenn er „immer einen sehr ruhigen, aber zielorientierten Eindruck hinterlässt“ und am Telefon „auffallend freundlich und sachlich“ ist, wie ein Oberndorfer Polizeihauptmeister in seinem Aktenvermerk schreibt. Zielorientiert, eben.

Nachtrag: Am 21. August schrieb auch das Mannheimer Polizeipräsidium einen Entschuldigungsbrief an Theisen. Zunächst bat ein Regierungsdirektor „vielmals zu entschuldigen“, dass die Anfrage von Theisen vom 5. April zeitlich verzögert beantwortet würde.

Außerdem teilt die Behörde Theisen mit, dass irrigerweise die Beamten sich auf den Paragrafen 42 Absatz 1 des Polizeigesetzes gestützt hätten. Die Voraussetzungen dafür hätten aber nicht vorgelegen. „Die vom Polizeirevier Oberndorf übermittelten Daten sind beim Polizeipräsidium Mannheim daher mittlerweile gelöscht worden. Die unzulässige Datenübermittlung bedauern wir.“ 

Man habe „den Vorfall zum Anlass genommen, die Beschäftigten des Polizeipräsidiums Mannheim nochmals über die geltende Rechtslage zu informieren und entsprechend zu schulen“, heißt es abschließend in dem Brief an Theisen.

Theisen ist zufrieden. Er gehe davon aus, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe ihn fragen werde,  ob er das Verfahren als erledigt betrachte, teilt er der NRWZ mit. Das werde er „dann bejahen“.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.