Donnerstag, 28. März 2024

Baywa-Gelände: Anwohner machen mobil

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NRWZ-Redaktion
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Demokratie sei Beteiligung. Nicht Überrumpelung. Das hatte schon Dr. Thomas Ducks der Stadtverwaltung Rottweil in einem Leserbrief ins Stammbuch geschrieben. In diesem erklärte er sich „mit einer nachträglichen Umwidmung“ des Wohngebietes Charlottenhöhe in Rottweil „zu meinem Schaden und Nachteil“ als „nicht einverstanden“. Nun haben sich um Ducks eine ganze Reihe Nachbarn geschart, die ebenfalls gegen ein Bauprojekt der Stadt mobil machen.

Darum geht’s: Die Stadt plant ein „Sondergebiet Einzelhandel und Kindergarten“ auf dem früheren Baywa-Gelände an der Schramberger Straße in Rottweil. Im Erdgeschoss eines eigens dafür zu errichtenden Gebäudes soll ein Supermarkt entstehen, im Obergeschoss eine Kindertagesstätte. Strittig ist nun eine Zufahrt zu dem Gelände, die ebenfalls neu errichtet werden soll. Dafür soll eine bestehende Lärmschutzwand durchschnitten werden, damit künftig auch Autofahrerinnen und -fahrer in das Gewerbegebiet oder zum Kindergarten kommen.

Der geplante Durchstich durch die bestehende Lärmschutzwand (in hellrot rechts) verärgert die Anwohner in der Belchenstraße. Grafik: pm

In den Planungsunterlagen heißt es dazu:

Derzeitig trennt eine bestehende Wall-Wand-Kombination die Wohnbebauung Charlottenhöhe vom geplanten Kindergarten im Obergeschoss des Lebensmittelmarktes. Es ist geplant, in Höhe der Reihenhauszeilen Belchenstraße 56 – 62 und Belchenstraße 64 – 70 die bestehende, ca. 3,5 m hohe Lärmschutz-Wall-Wand-Kombination senkrecht zu durchschneiden und somit eine Verbindung zwischen Kindergarten / Einzelhandel und dem Wohngebiet mittels des parallel zur Lärmschutzwand verlaufenden Fußwegs zu schaffen.

Es ist ein Fuß-Radweg geplant. Das werde dennoch den Durchgangs-, Bring- und Holverkehr steigern – „unmittelbar vor unseren Haustüren und auch in der Belchenstraße insgesamt“, so Ducks in seinem Leserbrief. Ohnehin: Acht Familien sähen sich nun nach dem Willen der Stadt „mit einem völlig unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Wohn- und Lebensqualität“ konfrontiert, schrieb er, das „scheint jedoch keine Relevanz zu haben.“ Es gebe aber eine andere Sicht auf die Baumaßnahme.

Diese andere Sicht hat nun nicht Ducks alleine – der sich schon ein Verhalten nach dem St. Florians-Prinzip vorhalten lassen musste. Diese Sicht teilen seine Nachbarn. In einem offenen Brief haben sie sich am Freitag an die Stadtverwaltung gewandt.

Zum geplanten Bau schreibt die Stadtverwaltung:

Entstehen soll im Erdgeschoss ein großflächiger Lebensmittelvollsortimentsmarkt mit integrierter Bäckerei und Café und eine Kinderbetreuungseinrichtung mit Freibereichen im ersten Obergeschoss. Die Planung dient der Verbesserung der Grundversorgung. Zudem soll die Ansiedlung der Kinderbetreuungseinrichtung (zwei U3- und zwei Ü3-Gruppen für insgesamt ca. 70 Kinder) mit dazu beitragen, dem gestiegenen Bedarf nach Kinderbetreuungsangeboten zu entsprechen. Durch die Planung entstehen Synergieeffekte zwischen den angedachten Nutzungen im Sinne einer Stadt
der kurzen Wege. Gleichzeitig soll durch eine Stapelung der Nutzungen auf einer Brachfläche ein´Beitrag zur Reduzierung des Flächenverbrauchs geleistet werden.

Im Zuge der Planung soll eine fußläufige Anbindung des Marktes und des Kindergartens an die Belchenstraße im Süden und die Feldbergstraße im Osten über eine rückwärtige Erschließung mit Fußweg bauplanungsrechtlich gesichert werden. Hierdurch soll die Zugänglichkeit des Wohngebiets Charlottenhöhe und der Wohnbebauung östlich der Feldbergstraße für den nichtmotorisierten Individualverkehr erhöht und so örtlich die Nahversorgung und das
Kinderbetreuungsangebot gestärkt werden.

Der geplante Bau. Grafik: pm

„Lehnen diese Baumaßnahme geschlossen ab“ – offener Brief von Anwohnern

Die NRWZ bringt die „Gemeinsame Stellungnahme der Bewohner der Belchenstraße 56-62 und 64-70 zum ‚Bebauungsplan RW 340/21 Charlottenhöhe – Sondergebiet Einzelhandel mit Kindergarten“ im Wortlaut. Sie ist unterzeichnet von acht Anwohnern. Zu ihnen kämen insgesamt 31 Kinder und Enkelkinder hinzu, die in diesem Wohnweg, der nun umgewidmet werden soll, spielen.

Laut Bebauungsplan ist der Zugang zu unseren Wohngrundstücken als Wohnweg ausgewiesen. Ein Wohnweg ist ein schmaler Weg mit begrenzter Länge. Er dient zur Erschließung von Grundstücken und gehört zu den Anliegerstraßen. Die von Ihnen geplante Anbindung der Charlottenhöhe bedeutet eine Umwidmung der ursprünglichen Nutzung unseres bisherigen geschlossenen Wohnbezirks mit spielenden Kindern in einen öffentlichen Durchgangsverkehr.

Unter den vorher genannten Bedingungen haben alle Parteien ihr Wohneigentum erworben. Die beruhigte Lage (Sackgasse) war kaufentscheidend und wurde von der Stadt als familienfreundlich beworben. Wir betroffenen Bürgerinnen und Bürger erwarten von unserem Gemeinderat Vertrauensschutz. Alle Parteien sind deshalb mit dem geplanten Durchbruch der Lärmschutzwand nicht einverstanden und lehnen diese Baumaßnahme geschlossen ab.

Was damals kommunalpolitisch gewollt war, nämlich die Anwohner zu schützen und von dem Gewerbegebiet zu trennen, soll heute im Schnellverfahren auf den Kopf gestellt werden. Sie sprechen in Ihrer Vorlage von einer ‚Integration‘ und fußläufigen Anbindung des Wohngebietes Charlottenhöhe an Supermarkt und Kindergarten. Eine Notwendigkeit hierfür zweifeln wir massiv an. Das Gelände ist bereits bequem zu Fuß erreichbar. Eine sogenannte Integration in das Gewerbegebiet und die anschließende Bundesstraße lehnen wir als Anwohner strikt ab. Aus der Diskussion mit weiteren Anwohnern der Belchenstraße wissen wir, dass auch sie die Notwendigkeit nicht sehen und den geplanten Durchbruch für überflüssig halten.

Bei Durchsicht der Planungsunterlagen, die wir uns seit einem Presseartikel am Gründonnerstag selber besorgt haben, sind uns außerdem mehrere Widersprüche und Unstimmigkeiten aufgefallen.

Wir fordern von unserem Gemeinderat, der am 27. April über den Projektantrag entscheiden will, dass der Beschluss zur Offenlage abgelehnt wird. Der bisherige Entwurf berücksichtigt an keiner Stelle unsere Belange.

Wir verlangen ferner, dass unsere Stellungnahme vor der Gemeinderatssitzung allen Gemeinderäten zugänglich gemacht wird.

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