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Baywa-Gelände: Anwohner machen mobil

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Demokratie sei Beteiligung. Nicht Überrumpelung. Das hatte schon Dr. Thomas Ducks der Stadtverwaltung Rottweil in einem Leserbrief ins Stammbuch geschrieben. In diesem erklärte er sich „mit einer nachträglichen Umwidmung“ des Wohngebietes Charlottenhöhe in Rottweil „zu meinem Schaden und Nachteil“ als „nicht einverstanden“. Nun haben sich um Ducks eine ganze Reihe Nachbarn geschart, die ebenfalls gegen ein Bauprojekt der Stadt mobil machen.

Darum geht’s: Die Stadt plant ein „Sondergebiet Einzelhandel und Kindergarten“ auf dem früheren Baywa-Gelände an der Schramberger Straße in Rottweil. Im Erdgeschoss eines eigens dafür zu errichtenden Gebäudes soll ein Supermarkt entstehen, im Obergeschoss eine Kindertagesstätte. Strittig ist nun eine Zufahrt zu dem Gelände, die ebenfalls neu errichtet werden soll. Dafür soll eine bestehende Lärmschutzwand durchschnitten werden, damit künftig auch Autofahrerinnen und -fahrer in das Gewerbegebiet oder zum Kindergarten kommen.

Der geplante Durchstich durch die bestehende Lärmschutzwand (in hellrot rechts) verärgert die Anwohner in der Belchenstraße. Grafik: pm

In den Planungsunterlagen heißt es dazu:

Derzeitig trennt eine bestehende Wall-Wand-Kombination die Wohnbebauung Charlottenhöhe vom geplanten Kindergarten im Obergeschoss des Lebensmittelmarktes. Es ist geplant, in Höhe der Reihenhauszeilen Belchenstraße 56 – 62 und Belchenstraße 64 – 70 die bestehende, ca. 3,5 m hohe Lärmschutz-Wall-Wand-Kombination senkrecht zu durchschneiden und somit eine Verbindung zwischen Kindergarten / Einzelhandel und dem Wohngebiet mittels des parallel zur Lärmschutzwand verlaufenden Fußwegs zu schaffen.

Es ist ein Fuß-Radweg geplant. Das werde dennoch den Durchgangs-, Bring- und Holverkehr steigern – „unmittelbar vor unseren Haustüren und auch in der Belchenstraße insgesamt“, so Ducks in seinem Leserbrief. Ohnehin: Acht Familien sähen sich nun nach dem Willen der Stadt „mit einem völlig unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Wohn- und Lebensqualität“ konfrontiert, schrieb er, das „scheint jedoch keine Relevanz zu haben.“ Es gebe aber eine andere Sicht auf die Baumaßnahme.

Diese andere Sicht hat nun nicht Ducks alleine – der sich schon ein Verhalten nach dem St. Florians-Prinzip vorhalten lassen musste. Diese Sicht teilen seine Nachbarn. In einem offenen Brief haben sie sich am Freitag an die Stadtverwaltung gewandt.

Zum geplanten Bau schreibt die Stadtverwaltung:

Entstehen soll im Erdgeschoss ein großflächiger Lebensmittelvollsortimentsmarkt mit integrierter Bäckerei und Café und eine Kinderbetreuungseinrichtung mit Freibereichen im ersten Obergeschoss. Die Planung dient der Verbesserung der Grundversorgung. Zudem soll die Ansiedlung der Kinderbetreuungseinrichtung (zwei U3- und zwei Ü3-Gruppen für insgesamt ca. 70 Kinder) mit dazu beitragen, dem gestiegenen Bedarf nach Kinderbetreuungsangeboten zu entsprechen. Durch die Planung entstehen Synergieeffekte zwischen den angedachten Nutzungen im Sinne einer Stadt
der kurzen Wege. Gleichzeitig soll durch eine Stapelung der Nutzungen auf einer Brachfläche ein´Beitrag zur Reduzierung des Flächenverbrauchs geleistet werden.

Im Zuge der Planung soll eine fußläufige Anbindung des Marktes und des Kindergartens an die Belchenstraße im Süden und die Feldbergstraße im Osten über eine rückwärtige Erschließung mit Fußweg bauplanungsrechtlich gesichert werden. Hierdurch soll die Zugänglichkeit des Wohngebiets Charlottenhöhe und der Wohnbebauung östlich der Feldbergstraße für den nichtmotorisierten Individualverkehr erhöht und so örtlich die Nahversorgung und das
Kinderbetreuungsangebot gestärkt werden.

Der geplante Bau. Grafik: pm

„Lehnen diese Baumaßnahme geschlossen ab“ – offener Brief von Anwohnern

Die NRWZ bringt die „Gemeinsame Stellungnahme der Bewohner der Belchenstraße 56-62 und 64-70 zum ‚Bebauungsplan RW 340/21 Charlottenhöhe – Sondergebiet Einzelhandel mit Kindergarten“ im Wortlaut. Sie ist unterzeichnet von acht Anwohnern. Zu ihnen kämen insgesamt 31 Kinder und Enkelkinder hinzu, die in diesem Wohnweg, der nun umgewidmet werden soll, spielen.

Laut Bebauungsplan ist der Zugang zu unseren Wohngrundstücken als Wohnweg ausgewiesen. Ein Wohnweg ist ein schmaler Weg mit begrenzter Länge. Er dient zur Erschließung von Grundstücken und gehört zu den Anliegerstraßen. Die von Ihnen geplante Anbindung der Charlottenhöhe bedeutet eine Umwidmung der ursprünglichen Nutzung unseres bisherigen geschlossenen Wohnbezirks mit spielenden Kindern in einen öffentlichen Durchgangsverkehr.

Unter den vorher genannten Bedingungen haben alle Parteien ihr Wohneigentum erworben. Die beruhigte Lage (Sackgasse) war kaufentscheidend und wurde von der Stadt als familienfreundlich beworben. Wir betroffenen Bürgerinnen und Bürger erwarten von unserem Gemeinderat Vertrauensschutz. Alle Parteien sind deshalb mit dem geplanten Durchbruch der Lärmschutzwand nicht einverstanden und lehnen diese Baumaßnahme geschlossen ab.

Was damals kommunalpolitisch gewollt war, nämlich die Anwohner zu schützen und von dem Gewerbegebiet zu trennen, soll heute im Schnellverfahren auf den Kopf gestellt werden. Sie sprechen in Ihrer Vorlage von einer ‚Integration‘ und fußläufigen Anbindung des Wohngebietes Charlottenhöhe an Supermarkt und Kindergarten. Eine Notwendigkeit hierfür zweifeln wir massiv an. Das Gelände ist bereits bequem zu Fuß erreichbar. Eine sogenannte Integration in das Gewerbegebiet und die anschließende Bundesstraße lehnen wir als Anwohner strikt ab. Aus der Diskussion mit weiteren Anwohnern der Belchenstraße wissen wir, dass auch sie die Notwendigkeit nicht sehen und den geplanten Durchbruch für überflüssig halten.

Bei Durchsicht der Planungsunterlagen, die wir uns seit einem Presseartikel am Gründonnerstag selber besorgt haben, sind uns außerdem mehrere Widersprüche und Unstimmigkeiten aufgefallen.

Wir fordern von unserem Gemeinderat, der am 27. April über den Projektantrag entscheiden will, dass der Beschluss zur Offenlage abgelehnt wird. Der bisherige Entwurf berücksichtigt an keiner Stelle unsere Belange.

Wir verlangen ferner, dass unsere Stellungnahme vor der Gemeinderatssitzung allen Gemeinderäten zugänglich gemacht wird.

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NRWZ-Redaktion
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Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne. Die Redaktion erreichen Sie unter [email protected] beziehungsweise [email protected]

17 Kommentare

  1. Für einen Außenstehenden, der die Pläne gesehen und sich über GoogleMaps ein Bild der Gegebenheiten gemacht hat, erscheint es sehr gut nachvollziehbar, eine relativ direkte Fußweg-Verbindung ermöglichen zu wollen. Ich denke gerade an ein Kind, das z.B. von der Kandelstraße Richtung der zukünftigen Kita gehen möchte. Oder vom „Im Geigenrain“ kurz was Einkaufen mit dem Fahrrad. Da wäre man ja doppelt so schnell als mit dem Auto außen herum. Nur durch eine „Stadt der kurzen Wege“ kommt man weg von der übertriebenen Autoabhängigkeit. Vielleicht würde es ja gar keinen „Eltern-Taxiverkehr“ geben, wenn man eine verkehrsrechtlich geschickte Lösung fände (Anliegerstraße, Halteverbot + Anwohnerparken etc.?).

  2. Was spricht eigentlich dagegen wenn der Markt so wie bisher die BayWa erreichbar bleibt. Man könnte schon früher die BayWa fußläufig erreichen. Keine Änderung und damit keinen Ärger. Ansonsten wird vermutlich das RP und Verwaltungsgericht aktiv werden müssen mit unklaren Ausgang.

    • Der Markt wird so wie bisher die BayWa erreichbar bleiben. Nicht anders. Problem gelöst.

      Es geht um die Kita, die im Obergeschoss sitzt und u.a. auch bevorzugt für die Bewohner Charlottenhöhe ist. Da wäre es gradezu absurd, hier nicht einen schnellen und ökologisch sinnvollen Fußweg zu realisieren. Anstatt Kinder und Eltern einen weiten Weg außen herum zu schicken, mit dort viel Verkehr und Gefahren. GoogleMaps, schau es dir an!

      Auch wenn Dr. Ducks-Schuttigbiss unverhohlen mit Klage droht. Die er aber verlieren wird. Allgemeinwohl geht vor, zumal die armen stressgeplagten Anwohner ja nicht einmal beeinträchtigt werden. Deren Grundstücke bleiben natürlich unangetastet. Und eine Lärmschutzwand kann – sofern überhaupt notwendig – problemlos auch versetzt geöffnet werden, so dass die Funktion weiter gegeben ist.

      • Wir haben schon einen Kindergarten ….
        Und nur weil Profit im Namen der Kinder gemacht werden soll ist es auch nicht besser ….

  3. Argumente weiterhin: keine

    Einzig: Andere Leute doof, die sollen andere nerven, aber sicher nicht uns.

    Ist das Gemeinschaft? Ein Miteinander? Nein, es ist weiter nur St. Florians-Prinzip!

    Ich hoffe, der Gemeinderat lässt sich von den paar Egoisten nicht umschubsen.

    • Bemerkenswert auch, dass sich die NRWZ vor den Karren des Schwabo-Journalisten und Betriebsrats-Vorsitzenden Ducks spannen lässt.

      Mal sehen mit welchen Medienkanonen er noch versucht das Stimmungsbild zu verfälschen.

      • Herr Marte, bei allem Respekt, aber sie reden wirr. Der Einzige, der hier mediale Kanonen auffährt, sind Sie selbst. Herr Ducks hat in seinem offenen Brief, seine Sicht der Dinge dargestellt, dass ist sein gutes Recht.
        Die NRWZ hat diesen veröffentlicht, wie es sich bei eingereichten Leserbriefen nach Möglichkeit auch gehört.
        Der hohe Rat der Stadt und die Verwaltung haben gewisslich alle Terminlichkeiten, Fristen und Arten der Veröffentlichung dieses Entscheides, getreulich eingehalten.
        Das mit der bürgernahen Kommunikation geht beim Erstversuch, also bis zur Entdeckung durch die Betroffenen, in Rottweil halt manchmal ein bissle schief, wer konnte auch ahnen, dass die Leute aus jeder umgewidmeten Stichstrasse, gleich wieder ein Parkhaus machen.
        Jetzt kann, muss und darf man darüber diskutieren, ob es wirklich so fair und für das Wohl der Allgemeinheit unumgänglich ist, aus dem bislang nur von Anwohnern befahrenen Stichwegle, einen Schnellbahnparcours für die morgentlich gestresste Elternschaft auf dem Weg zum Kindi zu machen, nicht zu vergessen die unzähligen Anderen, die da jetzt so viel geschickter zum Markt zu kommen glauben.
        Ich wäre auch erheblich angepisst, wenn man meinen noch ruhig gelegenen Stammsitz, auf der Zielgeraden zum Wohlverdienten noch zur Hauptstraße umwidmet.
        Das es da in der Sache jetzt medial etwas mehr Feuer unterm Popo gibt, weil man die Wohnstrasse vom Medienprofi anbohrt, liegt in der Natur der Sache, wäre bei gleicher Vorgehensweise vor der Tür bspw. eines der Ratenden, sicherlich kein Stück einfacher gewesen.

        • Zur Hauptstraße umwidmet? Vielleicht noch Autobahn?
          Außer üblichem Weidle-Gelaber ist das, mit Verlaub, einfach nur dummes Geschwätz. Wie viele tausend Autos fahren da denn wohl durch auf der neuen, äh, Hauptstraße? In der Sackgasse.

          • Haben Sie sich Mal die Straße inkl. Belchenstr. und deren Parkraumdruck angeschaut? Haben Sie sich Mal die Situationen an div Kindergärten angeschaut wenn der Hol und Bringedienst stattfindet? Ich kann das voll verstehen wenn man das nicht möchte um einen Bau lukrativ zu vermieten ….

          • Eben, St. Florians-Prinzip.
            Und ich kenne Belchenstraße als auch die Situation an Kindergärten sehr gut, ja. Ich schreibe immer nur, wenn ich weiß wovon ich rede. Du hoffentlich auch.

          • Aha. Also auch St.-Florians-Prinzip.

            „Ich will aber mit meinen Nachbarn weiterhin mein Auto kostenlos auf der Straße abstellen (Parkraumdruck), anstatt mir so wie andere auch mit Geld einen Stellplatz auf Privatgelände zu kaufen. Daher stören mich die doofen Eltern. Ich habe mehr Recht, ich darf die Straße dort kostenlos nutzen. Aber die Eltern nicht.“

            Habe ich es passend getroffen?

            Eigentum verpflichtet! Such dir einen bezahlten Stellplatz für deine Autos!

          • Tja wenn man nicht Bescheid weiß sollte man die Kla..e halten. 1 Familie 2 Auto 1 Garage und 1 Stellplatz. Alles auf eigenem Grund und Boden.

          • Warum sollte mich dies Vorgehensweise nicht interessieren? Heute dort und morgen bin ich dann dran?
            Spiel aber ruhig weiter mit dem Sandschaeufele ….

    • Wäre schön interessant zu wissen ob Sie vor Ihrem Haus das Elterntaxiaufkommen so akzeptieren würden. Ich kann den Anwohner nur raten Poller aufzubauen. Das Wenden in der Sackgasse wird interessant. Wer kann denn heute noch rückwärts fahren. In den kalten Jahreszeiten hocken dann die Eltern mit laufendem Motor im Auto oder blockieren die Hauszufahrt. Viel Spass den Anwohner wenn es so kommt.

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