Sonnig, farbenprächtig, fröhlich: in vieler Hinsicht war es ein wunderschöner Fasnetsmontags-Narrensprung heute in Rottweil – wenn man die Vorgänge in Osteuropa ausblendete. Viele konnten das. Der Krieg in der Ukraine hat die Narren zumindest nicht sichtbar beschäftigt. Corona schon.
Womöglich war der Vorlauf zu kurz. Seit vier Tagen wird nun in Osteuropa geschossen und gestorben. Selbst wenn man Narrenbücher nicht komplett umschreiben und die Fasnet nicht absagen wollte, wofür es gute Gründe gibt: Mit kleinen Gesten hätte man das vielleicht aufgreifen können. Ein schwarzes Band am Arm, Foulards in den Farben der Ukraine, eine pfiffige Handhebete zum Thema. Von derlei Akzenten fand sich heute freilich – augenscheinlich – nichts.
Die Fasnet blieb dem Wahlspruch treu, „heut wie vor Altem“ die Tradition zu wahren – ohne allzu viel tagesaktuelles Hin und Her. Während in Köln von einem „Karneval in Moll“ gesprochen wurde, war die Rottweiler Fasnet zumindest äußerlich trotz Pandemie-Restriktionen in Dur gestimmt. Nach zwei Jahren Corona-Strapazen ist das wohl auch verständlich. Und das Heraustreten aus dem Weltgeschehen für ein paar unbeschwerte Stunden vielleicht auch ein Wert an sich.
Jedenfalls lag eine erwartungsvolle Stimmung in der Luft, als sich die Zuschauerreihen vor Acht allmählich füllten. Fürs Anstehen an den Zugängen mit 3G-Kontrolle mussten Zuschauer wie Narren zwar ein paar Minuten erübrigen – insgesamt lief es aber wohl weitgehend reibungslos.
Als dann erstmals wieder der Fanfaren-Weckruf „Auf, wachet auf!“ ertönte, war schon eine besondere Magie zu spüren – zumal es ja noch vor wenigen Wochen eher so aussah, als ob die Fasnet wie 2021 der Corona-Pandemie zum Opfer fallen würde.
Corona war denn auch direkt oder indirekt immer wieder Thema. Und sei es nur, indem Fedarahannesse, die ja auf Kalbsschwänzle an ihren Stecken verzichten mussten, stattdessen Mund-Nasen-Bedeckungen an der Spitze baumeln ließen.
Überhaupt entfaltete sich viel Fantasie dabei, die kahlen Stecken-Köpfe neu zu beleben: Viele hängte Tüten oder kleine Körbe dran, mit denen sie dann Gutsle verteilten oder die Zuschauer dezent neckten. Diese dankten es ihnen, mit viel guter Laune, die deutlich machte: Vielen waren froh, einfach wieder Fasnet feiern zu können.
Ergänzung: Auf den Artikel hin haben die Redaktion zahlreiche Rückmeldungen erreicht. U.a. erhielten wir den Hinweis, dass doch Signale der Verbundenheit mit der Ukraine beim Narrensprung zu finden gewesen seien. So habe es einzelne Foulards und Bajass-Anstecker in Ukraine-Farben und mit dem „Peace“-Symbol als Appell für Frieden gegeben. Hierzu kam auch ein Foto, das wie hier veröffentlichen. Ein weiterer Hinweis betraf Narrenbücher: In einzelnen sei das Thema Ukraine kurzfristig noch aufgegriffen worden. Wir danken für die wertvollen Hinweise!