Widerlich.

Es scheint, dass ein knapp 30-jähriger Ungar sein Geschlechtsteil und seine Triebe überhaupt nicht im Griff hat. Das führte ihn zunächst in U-Haft und nun vor die erste große Strafkammer des Landgerichts Rottweil. Der Staatsanwalt verlas am ersten Prozesstag die Anklage, mehr war nicht zu sagen. Genug für einen Tag unter Gottes wärmender Herbstsonne. Ein Hinweis: Die Informationen darüber, was der gute Mann getan haben soll, konsumiert man besser nicht vor oder während einer Mahlzeit.
Im schlimmsten Fall geht es um den Vorwurf der Vergewaltigung. Im Raum stehen auch sexueller Übergriff in Tateinheit mit Beleidigung, Körperverletzung, räuberische Erpressung, Exhibitionismus. Der Mann scheint jedenfalls nicht der übliche, einfache Wirrkopf oder Unhold zu sein, der im Supermarkt gerne mal seine Hose herunterlässt. Da ist weit mehr.
Folgendes soll er getan haben:
- Im September 2024 soll der Angeklagte in Stuttgart von hinten an eine auf den Treppen vor ihrem Wohnhaus sitzende Frau herangetreten sein, sein Glied entblößt und ihr ins Gesicht ejakuliert haben. Die Frau hat sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen.
- Im November und Dezember 2024 soll der Angeklagte insgesamt dreimal vor den Fenstern der Stuttgarter Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Studentinnen auf sich aufmerksam gemacht haben. Sodann soll er sein Glied entblößt und gegen die Fensterscheibe ejakuliert haben.
- Und schließlich soll er im Februar 2025 nachts in Rottweil, wo er vor der Inhaftierung wohnte, in eine Erdgeschosswohnung eingedrungen sein. Dort soll er der 80-jährigen Bewohnerin die Hose heruntergezogen haben und mit einem Finger in sie eingedrungen sein. Mangels Erektion soll er schließlich von der Bewohnerin abgelassen, Bargeld an sich genommen und die Wohnung verlassen haben.
So formuliert es jedenfalls die Anklage.
Und deshalb steht der knapp 30-Jährige seit Donnerstag vor Gericht. Während die Sonne an diesem Herbstmorgen mit ihrem warmen Licht wieder einmal überschwänglich den Schwurgerichtssaal des Rottweiler Landgerichts flutet, wird der Mann hereingeführt – von sechs großgewachsenen, teils vollbärtigen Justizbeamten und an Händen und Füßen gefesselt. Stehend und mit ernsten Mienen bewachen sie den kleinen, schlanken Mann mit den zurückgegeelten schwarzen Haaren. Er verdeckt sein Gesicht nicht, lässt mit gesenktem Kopf den scharfen Blick durch den Saal schweifen. Man fühlt sich gescannt von ihm. Abgeschätzt.
Attila, heißt der Mann mit Vornamen. Ein auf den ersten Blick eher verhuscht wirkender Kleiner mit großem Namen. Vor seiner Verhaftung hat er als Barkeeper gearbeitet. Im Gerichtssaal taucht er mit EA7-Shirt, knallenger Jeans und Nikes auf. In ihm steckt, sollte sich die Anklage bewahrheiten, ein Widerling.
Der schwerwiegenste Vorwurf: eine Seniorin in ihrer Wohnung überfallen zu haben
Denn, so wird ihm vorgeworfen: Der Mann drang im Februar 2025 nachts gegen 0.15 Uhr in die Erdgeschosswohnung einer Seniorin in Rottweil ein, drückte ein Fenster auf, gegen das sie sich stemmte, um ihn draußen zu halten. Er soll sich dann auf die alleinlebende Frau gestürzt, versucht haben, sie zu vergewaltigen. Seine Drohung: „Wenn Du schreien, Du tot.“ Sein Vorhaben gelang nicht, er bekam keinen hoch. Dann soll er umgeschaltet und Geld verlangt haben, Seine abschließende Drohung: „Keine Polizei, sonst Du tot!“ Dann verschwand er. Die Frau wandte sich an die Polizei, trotz ihrer Angst und ihres Schreckens.
Der Staatsanwalt las vor, die Übersetzerin übertrug es. Attila blieb dabei regungslos, hörte zwar zu, ließ seinen Blick jedoch weiterhin umherschweifen. Nach knapp 20 Minuten war der erste Prozesstag vorbei. Der Grund: Der psychiatrische Gutachter, der den Mann während seiner Aussage beurteilen soll, konnte am ersten Verhandlungstag nicht teilnehmen. Und so wurde der Angeklagte wieder abgeführt.
Für den Prozess vor der Ersten Großen Strafkammer des Rottweiler Landgerichts sind sechs Verhandlungstage angesetzt, der erste davon endete bereits nach der Verlesung der Anklage. Da waren nur die Personalien des Mannes gerichtlich festgestellt worden, seine Befragung zu seinem Lebenslauf und zu den Vorwürfen soll folgen. Für den Prozess werden zwei Dolmetscher benötigt. Zwölf Zeuginnen und Zeugen sind geladen worden. Das Urteil wird erst im Dezember erwartet.











