Freitag, 29. März 2024

Kein UFO: Flugzeug flog exakte Schleifen über Schramberg

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.
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Am Mittwochmittag flog eine zweimotorige Cessna 402 hoch über Schramberg. Der Pilot steuerte die Maschine exakt von Ost nach West, kehrte um, flog parall Richtung Osten, wieder eine Kehre. Die Maschine mit der Kennung OK-MIS mit dieser „sehr geometrischen Flugroute über Schramberg“ hat Stefan Link, selbst Pilot, gegen 13 Uhr beobachtet.

Über eine Internetadresse: https://www.flightradar24.com  hat Link das Flugzeug und die Flugroute gefunden und abfotografiert. Was steckte hinter diesem Flug?  Ein Muster wie aus einem Buch von Erich von Däniken. Nein, keine Götter, die hier landen wollen oder ähnlicher Hokuspokus. Es geht um simple Pläne.

Einen ersten Hinweis hat Link selbst recherchiert: „Die OK-MIS gehört zu einer tschechischen Firma für Luftvermessung und Luftbilder.“ Und noch etwas hat er herausgefunden: „Die Maschine ist in Prag gestartet.“

Dahinter steckt die LGL

Eine Nachfrage bei der Stadtverwaltung ergab, von dieser Seite gab es keinen Auftrag zur Befliegung wie damals, als die gesplittete Abwassergebühr eingeführt wurde. Aber Tiefbauchef Horst Bisinger hatte den richtigen Tipp: „Fragen Sie mal im Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg, kurz LGL.“

Dort arbeitet grade wegen Corona nur noch eine Notbesatzung. Es dauert ein wenig, bis ich Manfred Wengle in der Stuttgarter LGL-Zentrale erreiche. Sein Amt lasse grundsätzlich jedes Jahr ein Drittel des Landes abfliegen, um Luftbilder und Karten zu aktualisieren, erzählt er mir. Es gebe ja „eine große Bautätigkeit im Land“, und da veralteten solche Aufnahmen rasch. Er will die Anfrage aber an einen Fachmann weiterleiten.

Bilder für Stadtplaner und Flurbereiniger

Kurze Zeit später ruft Abteilungsleiter Karl-Heinz Holuba aus dem „Homeoffice“ an und bestätigt, dass die von Stefan Link beobachtete Cessna auf einem Vermessungsflug für das LGL unterwegs war. Regelmäßig im Frühjahr, wenn die Bäume noch keine Blätter haben, lasse man bestimmte Abschnitte aus der Luft fotografieren, so Holuba. „Diese Luftbilder brauchen wir für Planungszwecke oder auch für die Flurbereinigung“, so Holuba zur NRWZ. Wenn Kommunen Bebauungspläne beispielsweise aufstellen, nützen sie ebenfalls die Fotos.

Ausgeschrieben würden die Aufträge europaweit, und so habe eine Firma aus Prag den Auftrag für diesen Vermessungsflug erhalten. „Es gab diesmal Probleme wegen Corona, aber weil wir einen hoheitlichen Auftrag haben, bekam der Pilot die Genehmigung“, erzählt Holuba. Auch eine Firma aus Slowenien, aber auch deutsche Unternehmen erhielten solche Aufträge.

Ein weiter Weg bis zum Einsatzort.

Ähnlich wie beim Flug über Schramberg am Mittwoch werde das LGL „demnächst in diesem Gebiet auch sogenannte Laserscanbefliegungen im Auftrag der Gewässerdirektion zur Aktualisierung der Hochwassergefahrenkarten Baden-Württemberg durchführen“, berichtet Holuba weiter.

Dabei handle es sich um ein hochgenaues Aufnahmeverfahren zur systematischen Abtastung der Geländeoberfläche. „Daraus entstehen digitale Oberflächenmodelle und digitale Geländemodelle in einer Genauigkeit von nur wenigen Zentimetern, die sich zum Beispiel für Hochwassersimulationen sehr gut eignen.“

Auch google bedient sich

Die digitalen Luftaufnahmen würden immer  bei Flügen in West-Ostrichtung aufgenommen und dann als entzerrte „Orthofotos“ den Nutzern zur Verfügung gestellt. Dazu zählen neben den Kommunen auch beispielsweise google. Die Firma werde über Bundeseinrichtungen beliefert. Wenn man sich die Urheberquelle bei google-Maps anschaue, stehe da manchmal GeoBasis-DE, das seien dann diese Bilder.

Verwendet Google nicht Satellitenfotos?  „Ja, schon, aber die haben eine viel geringere Auflösung“, sagt Holuba.  „Vom Satellit sind es vielleicht zehn Meter, unsere Flugaufnahmen haben eine Auflösung von zehn bis 20 Zentimetern.“

Die LGL-Bilder stehen teilweise jedermann auch kostenlos zur Verfügung. „Schauen Sie mal unter Geoportal Baden-Württemberg“,  so Holuba, „und geben Sie dort Ihr Suchwort ein.“ Das sei eine der Dienstleistungen des LGL. Und tatsächlich, mit wenigen Klicks ist man da:

Screenshot: him

 

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1 Kommentar

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3 Jahre her

Interessant, das konnte ich auch schon beobachten und hatte mich gefragt was dahinter steckt. Jetzt weiss ich es, besten Dank.

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