Woche gegen Rassismus: Erfahrungen eines Jamaikaners

„Mich beleidigen, weil ich schwarz bin, das ist nicht cool“

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Die Schramberger Journalistin und Buntspecht-Stadträtin Lara Kiolbassa verwendet seit einiger Zeit ihren zweiten Vornamen Inge mit. Gefragt weshalb sie das mache, hat sie eine verblüffende Antwort: „Mit einem deutschen Zweitnamen, das war auch schon in der Schule so, hinterfragen viel weniger Leute, ob ich Deutsche bin und ‚gut‘ deutsch sprechen kann…“

Im Zusammenhang mit der möglichen Unterbringung von Geflüchteten in der ehemaligen Pfaff-und-Schlauder-Fabrik höre sie häufig, die Leute hätten Angst vor Migranten. „Es ist aber auch umgekehrt“, sagt Kiolbassa, „viele Migranten haben auch Angst vor uns Einheimischen.“

Angst ist gegenseitig

Wenn eine junge Frau mit weißer Hautfarbe, hier geboren zur Schule gegangen, in vielen Vereinen aktiv, bei der Fasnet in der Stadtmusik, im Kleidle und bei verschiedenen Balletten immer vorn mit dabei, von Diskriminierungserfahrungen berichtet – wie wird es dann dem Gartenbauer Geovaughni Solomon aus Jamaika ergehen?

Aus Anlass der Woche gegen Rassismus hat sich die NRWZ mit Solomon in seiner Wohnung in Dunningen getroffen und über seine Erfahrungen gesprochen.

Kennengelernt hatten wir uns auf einer Baustelle in Schramberg (wir haben berichtet). Geovaughni (gesprochen italienisch Giovanni) hatte mir erzählt, wie er als 13-jähriger nach Deutschland zu seiner Mutter auf die Schwäbische Alb gekommen war.

Wie er schnell deutsch gelernt hatte, nach der Schule in Geislingen an der Steige eine Lehre als Landschafts- und Gartenbauer begonnen und dann schließlich vor zwei Jahren in Schönbronn bei einem Gartenbauer angefangen hatte.

Solomon Geovaughni (18) Dk 070224
Bei der Arbeit im Februar in Schramberg. Foto: him

Eigentlich mega zufrieden

In Dunningen hat er zunächst eine Ein-Zimmerwohnung gemietet, konnte dann in ein größeres Apartment im selben Haus umziehen: „Ich bin mega zufrieden“, sagt er. „Ich habe ein Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche. Ich habe noch einen extra Raum und ein Bad. Was will ich mehr?“

In einer Ecke hat er sich mit Beamer und Laptop eine Video-Ecke eingerichtet. An der Wand hängt ein Bücherregal und eine Uhr im Holzgehäuse. Ein altes Skateboard ziert eine andere Wand. Auch die Miete passe, die Lage mitten im Dorf, Bushaltestelle vor der Tür, Bäcker, Metzger, Solomon hat „alles, was ich brauche“.

Ein eigenes Auto hat er nicht, den Führerschein macht er grade. Morgens holt ihn sein Chef ab und sie fahren gemeinsam nach Schönbronn zur Arbeit. Im Herbst beginnt Geovaughni nochmal als Auszubildender im dritten Lehrjahr. Die abgebrochene Lehre möchte er unbedingt beenden. Alles gut also?

„Du Scheiß N….“

Auch Geovaughni hat wegen seiner schwarzen Hautfarbe schon Anfeindungen erlebt. In Rottweil sei er auf der Straße unterwegs gewesen und da habe ihn ein Mann angeblafft: „Du Scheiß N…r, geh‘ in dein Land zurück.“ Er habe sich in mehrfacher Hinsicht gewundert. Einmal wisse diese Person doch gar nichts über ihn: „Beleidigen und verurteilen, nur weil ich schwarz bin?  Das macht keinen Sinn, das ist nicht cool.“

Zum anderen habe es ihn überrascht, dass es in Rottweil passierte: „Ich schätze die Leute in Rottweil, die sind sehr liberal und offen.“ Er habe sich gedacht, der Mensch hat vielleicht grad keinen guten Tag gehabt, aber trotzdem nagt so ein Spruch an einem.

Während der Schulzeit habe es den ein oder anderen blöden Witz gegeben, aber das habe ihm nichts ausgemacht. Auch heute versuche er, dumme Sprüche zu ignorieren. „Ich lebe mein Leben und ich lebe gern im Frieden, vor allem hier in Dunningen.“ Viele Leute grüßten ihn, wenn er im Dorf unterwegs sei. Und wenn andere das nicht so cool fänden, dass er hier lebe, dann sei das deren Problem, nicht seines.

Zoff an der Fasnet

An der Fasnet gab es dann aber doch eine Szene, die schlecht hätte ausgehen können. Auch da sei er blöd angemacht worden wegen seiner Hautfarbe und es kam zu einer – auch körperlichen – Auseinandersetzung. Die Security und Freunde hätten ihn zum Glück von dem anderen weggezogen.

Er sei nach hause gegangen, um sich abzuregen. Seine Lehre aus der Geschichte: „So blöd es klingt, man muss es einfach runterschlucken und einfach weitergehen.“ Würde man sich mit Fäusten wehren, dann wäre das ja genau das, was diese Leute haben wollen. „Sie wollen, dass es nachher heißt, ‚der Dunkelhäutige schlägt auf Deutschen ein‘.“

Hinterher zu beweisen, warum es zu der Auseinandersetzung kam, sei schwer. Zwei seiner Kumpels hätten vor drei Jahren aus einem ähnlichen Anlass eine Schlägerei gehabt und müssten nun wegen Körperverletzung 4000 Euro Geldstrafe zahlen. „So viel kostet jetzt mein Führerschein…“

Dass er vor acht Jahren nach Deutschland gekommen ist, das habe er noch keine Sekunde bereut, betont Geovaughni. Demnächst könnte es auch mit dem deutschen Pass klappen. Seine Mutter habe für sich und ihn die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, das müsste bald klappen.

So arg viel werde das für ihn ja nicht ändern, glaubt Solomon. Aber praktisch sei das schon mit dem Pass, sagt er und lacht: „Ich kann mehr Länder bereisen ohne Visum.“

Juks Nein Zu Rassismus Aufkleber Dk 180423 (3)
Aufkleber des JUKS zur Woche gegen Rassismus. Archiv-Foto: him

Kulturelle Unterschiede

Wir unterhalten uns über Gastfreundschaft. Ganz wichtig sei die in seiner alten Heimat, so Solomon. „Die Jamaikaner sind sehr offen und laden dich sofort ein, komm‘ mit zum Essen.“ Das sei in Deutschland nicht so üblich. Da gebe es schon kulturelle Unterschiede.

Es gebe aber auch im Land kulturelle Unterschiede. Zwischen Dunningen und Freiburg zum Beispiel: „Die Leute in Freiburg sind mega cool, mega offen, mega herzlich. Da habe ich nie irgendwas erlebt mit Rassismus.“ Vielleicht sei das auf dem Land einfach noch anders. Die Angst vor dem Fremden stärker. „Da, wo viele Ausländer sind, da weiß man, das ist alles locker und easy.“

In Dunningen gebe es Leute, die ihn mögen und grüßen, aber in die ein oder andere Kneipe gehe er nicht, „denn es ist einfach eine komische Stimmung, wenn ich da reingehe“. Auch habe er das Gefühl. es gebe Menschen im Dorf, die ihn nicht mögen.

Rassistischer Spruch (siehe Pfeil, das N-Wort verpixelt) in einem öffentlichen Klo in der Schramberger Innenstadt mit falscher Rechtschreibung. Foto: him

Skaten bringt mega gute Vibes

Bei der Arbeit sei seine Hautfarbe kein Problem. Man arbeite zusammen, feire Betriebsfeste gemeinsam. Aber nach Feierabend hätten sie doch unterschiedliche Interessen. Einige Kollegen betrieben noch eine Landwirtschaft. „Ich gehe skaten oder in die Berge zum Wandern.“

In seinem Wohnzimmer hängt ein BMX-Rad an der Wand. Früher sei er viel mit dem BMX-Rad unterwegs gewesen, aber „Skaten macht viel mehr Spaß, du bist viel freier.“ Skater verstünden, was er meine: „Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich, weil sobald du auf dein Brett steigst, da fühlst du dich einfach so komplett frei.“

Wenn einen etwas stresse und man gehe Skaten, dann komme man in eine ganz andere Stimmung. „Alle deine Kollegen im Park“, schwärmt Solomon, „alle mega gute Vibes, du bist am Skaten, die sagen ‚ey, krasser Trick‘ und sowas. Es ist halt alles ganz anders – und danach ist man viel besser gelaunt …“ Und keiner guckt auf die Farbe der Haut.

 

Das interessiert diese Woche



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Die Schramberger Journalistin und Buntspecht-Stadträtin Lara Kiolbassa verwendet seit einiger Zeit ihren zweiten Vornamen Inge mit. Gefragt weshalb sie das mache, hat sie eine verblüffende Antwort: „Mit einem deutschen Zweitnamen, das war auch schon in der Schule so, hinterfragen viel weniger Leute, ob ich Deutsche bin und ‚gut‘ deutsch sprechen kann…“

Im Zusammenhang mit der möglichen Unterbringung von Geflüchteten in der ehemaligen Pfaff-und-Schlauder-Fabrik höre sie häufig, die Leute hätten Angst vor Migranten. „Es ist aber auch umgekehrt“, sagt Kiolbassa, „viele Migranten haben auch Angst vor uns Einheimischen.“

Angst ist gegenseitig

Wenn eine junge Frau mit weißer Hautfarbe, hier geboren zur Schule gegangen, in vielen Vereinen aktiv, bei der Fasnet in der Stadtmusik, im Kleidle und bei verschiedenen Balletten immer vorn mit dabei, von Diskriminierungserfahrungen berichtet – wie wird es dann dem Gartenbauer Geovaughni Solomon aus Jamaika ergehen?

Aus Anlass der Woche gegen Rassismus hat sich die NRWZ mit Solomon in seiner Wohnung in Dunningen getroffen und über seine Erfahrungen gesprochen.

Kennengelernt hatten wir uns auf einer Baustelle in Schramberg (wir haben berichtet). Geovaughni (gesprochen italienisch Giovanni) hatte mir erzählt, wie er als 13-jähriger nach Deutschland zu seiner Mutter auf die Schwäbische Alb gekommen war.

Wie er schnell deutsch gelernt hatte, nach der Schule in Geislingen an der Steige eine Lehre als Landschafts- und Gartenbauer begonnen und dann schließlich vor zwei Jahren in Schönbronn bei einem Gartenbauer angefangen hatte.

Solomon Geovaughni (18) Dk 070224
Bei der Arbeit im Februar in Schramberg. Foto: him

Eigentlich mega zufrieden

In Dunningen hat er zunächst eine Ein-Zimmerwohnung gemietet, konnte dann in ein größeres Apartment im selben Haus umziehen: „Ich bin mega zufrieden“, sagt er. „Ich habe ein Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche. Ich habe noch einen extra Raum und ein Bad. Was will ich mehr?“

In einer Ecke hat er sich mit Beamer und Laptop eine Video-Ecke eingerichtet. An der Wand hängt ein Bücherregal und eine Uhr im Holzgehäuse. Ein altes Skateboard ziert eine andere Wand. Auch die Miete passe, die Lage mitten im Dorf, Bushaltestelle vor der Tür, Bäcker, Metzger, Solomon hat „alles, was ich brauche“.

Ein eigenes Auto hat er nicht, den Führerschein macht er grade. Morgens holt ihn sein Chef ab und sie fahren gemeinsam nach Schönbronn zur Arbeit. Im Herbst beginnt Geovaughni nochmal als Auszubildender im dritten Lehrjahr. Die abgebrochene Lehre möchte er unbedingt beenden. Alles gut also?

„Du Scheiß N….“

Auch Geovaughni hat wegen seiner schwarzen Hautfarbe schon Anfeindungen erlebt. In Rottweil sei er auf der Straße unterwegs gewesen und da habe ihn ein Mann angeblafft: „Du Scheiß N…r, geh‘ in dein Land zurück.“ Er habe sich in mehrfacher Hinsicht gewundert. Einmal wisse diese Person doch gar nichts über ihn: „Beleidigen und verurteilen, nur weil ich schwarz bin?  Das macht keinen Sinn, das ist nicht cool.“

Zum anderen habe es ihn überrascht, dass es in Rottweil passierte: „Ich schätze die Leute in Rottweil, die sind sehr liberal und offen.“ Er habe sich gedacht, der Mensch hat vielleicht grad keinen guten Tag gehabt, aber trotzdem nagt so ein Spruch an einem.

Während der Schulzeit habe es den ein oder anderen blöden Witz gegeben, aber das habe ihm nichts ausgemacht. Auch heute versuche er, dumme Sprüche zu ignorieren. „Ich lebe mein Leben und ich lebe gern im Frieden, vor allem hier in Dunningen.“ Viele Leute grüßten ihn, wenn er im Dorf unterwegs sei. Und wenn andere das nicht so cool fänden, dass er hier lebe, dann sei das deren Problem, nicht seines.

Zoff an der Fasnet

An der Fasnet gab es dann aber doch eine Szene, die schlecht hätte ausgehen können. Auch da sei er blöd angemacht worden wegen seiner Hautfarbe und es kam zu einer – auch körperlichen – Auseinandersetzung. Die Security und Freunde hätten ihn zum Glück von dem anderen weggezogen.

Er sei nach hause gegangen, um sich abzuregen. Seine Lehre aus der Geschichte: „So blöd es klingt, man muss es einfach runterschlucken und einfach weitergehen.“ Würde man sich mit Fäusten wehren, dann wäre das ja genau das, was diese Leute haben wollen. „Sie wollen, dass es nachher heißt, ‚der Dunkelhäutige schlägt auf Deutschen ein‘.“

Hinterher zu beweisen, warum es zu der Auseinandersetzung kam, sei schwer. Zwei seiner Kumpels hätten vor drei Jahren aus einem ähnlichen Anlass eine Schlägerei gehabt und müssten nun wegen Körperverletzung 4000 Euro Geldstrafe zahlen. „So viel kostet jetzt mein Führerschein…“

Dass er vor acht Jahren nach Deutschland gekommen ist, das habe er noch keine Sekunde bereut, betont Geovaughni. Demnächst könnte es auch mit dem deutschen Pass klappen. Seine Mutter habe für sich und ihn die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, das müsste bald klappen.

So arg viel werde das für ihn ja nicht ändern, glaubt Solomon. Aber praktisch sei das schon mit dem Pass, sagt er und lacht: „Ich kann mehr Länder bereisen ohne Visum.“

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Aufkleber des JUKS zur Woche gegen Rassismus. Archiv-Foto: him

Kulturelle Unterschiede

Wir unterhalten uns über Gastfreundschaft. Ganz wichtig sei die in seiner alten Heimat, so Solomon. „Die Jamaikaner sind sehr offen und laden dich sofort ein, komm‘ mit zum Essen.“ Das sei in Deutschland nicht so üblich. Da gebe es schon kulturelle Unterschiede.

Es gebe aber auch im Land kulturelle Unterschiede. Zwischen Dunningen und Freiburg zum Beispiel: „Die Leute in Freiburg sind mega cool, mega offen, mega herzlich. Da habe ich nie irgendwas erlebt mit Rassismus.“ Vielleicht sei das auf dem Land einfach noch anders. Die Angst vor dem Fremden stärker. „Da, wo viele Ausländer sind, da weiß man, das ist alles locker und easy.“

In Dunningen gebe es Leute, die ihn mögen und grüßen, aber in die ein oder andere Kneipe gehe er nicht, „denn es ist einfach eine komische Stimmung, wenn ich da reingehe“. Auch habe er das Gefühl. es gebe Menschen im Dorf, die ihn nicht mögen.

Rassistischer Spruch (siehe Pfeil, das N-Wort verpixelt) in einem öffentlichen Klo in der Schramberger Innenstadt mit falscher Rechtschreibung. Foto: him

Skaten bringt mega gute Vibes

Bei der Arbeit sei seine Hautfarbe kein Problem. Man arbeite zusammen, feire Betriebsfeste gemeinsam. Aber nach Feierabend hätten sie doch unterschiedliche Interessen. Einige Kollegen betrieben noch eine Landwirtschaft. „Ich gehe skaten oder in die Berge zum Wandern.“

In seinem Wohnzimmer hängt ein BMX-Rad an der Wand. Früher sei er viel mit dem BMX-Rad unterwegs gewesen, aber „Skaten macht viel mehr Spaß, du bist viel freier.“ Skater verstünden, was er meine: „Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich, weil sobald du auf dein Brett steigst, da fühlst du dich einfach so komplett frei.“

Wenn einen etwas stresse und man gehe Skaten, dann komme man in eine ganz andere Stimmung. „Alle deine Kollegen im Park“, schwärmt Solomon, „alle mega gute Vibes, du bist am Skaten, die sagen ‚ey, krasser Trick‘ und sowas. Es ist halt alles ganz anders – und danach ist man viel besser gelaunt …“ Und keiner guckt auf die Farbe der Haut.

 

Das interessiert diese Woche

Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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