NRWZ.de
„Mountainbiker vs. Wanderer, oder: „Schwarze Schafe gibt es überall““, Veröffentlicht: Sonntag, 21. Juni 2020, 19.34 Uhr

Mountainbiker vs. Wanderer, oder: „Schwarze Schafe gibt es überall“

Thomas Lutz, Vorstand der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) hat die Einladung der NRWZ angenommen sich am Schramberger Burgenpfad selbst ein Bild von den Problemen zu machen, die zum Artikel „Mountainbiker auf  schmalen Pfaden sorgen für Ärger“ geführt haben. Zunächst haben wir einen Abschnitt des Burgenpfads vom Marxenloch hoch zum Holzabfuhrweg bei Schramberg angeschaut. Anschließend trafen wir uns mit der städtischen Abteilungsleiterin Tourismus und Stadtmarketing, Ayline Schirling, im Rathaus.

Sie berichtete, dass es eben immer wieder zu Beschwerden von Wanderern komme, dass auf den schmalen Wander-Pfaden die Biker unterwegs seien. Nach einem ausführlichen Gespräch über Alternativmöglichkeiten hat sich der Autor des Artikels und NRWZ-Redakteur Martin Himmelheber mit Thomas Lutz über das Mountainbiken im Wald unterhalten.

NRWZ: Herr Lutz, welche Arten von Mountainbikern gibt es eigentlich?

Thomas Lutz: Es gibt die Cross Country-Biker, die Tourenbiker, die Downhiller, die Freerider und die Dirt Rider, um die wichtigsten Kategorien zu nennen.

Und welche vertritt die DIMB?

Alle!

Es gibt doch ganz unterschiedliche Interessen, diejenigen, die Wettkämpfe machen wollen etwas anderes als diejenigen, die Touren unternehmen oder die Buckel runterrasen.

Aus DIMB-Sicht des Sportes ist jeder Mountainbiker gleich. Egal ob er allein, in Gruppen oder im Verein unterwegs ist, oder sich informell organisiert, spielt keine Rolle, die Interessen der Mountainbiker sind alle ähnlich gelagert, sie wollen ihren Sport in der Natur betrieben.

Naja, die im Sportverein betreiben ihren Sport auf vereinseigenen Trainingsgeländen, das juckt niemanden. Diejenigen, die in der Natur durch die Gegend fahren, schon eher.

Beim Mountainbiken liegt es in der Natur der Sache, dass der Sport in der Natur betrieben wird und nicht auf einem Sportgelände.

Ich habe in meinem Journalistenleben viele tausend Artikel geschrieben, eine so heftige Resonanz wie auf diesen Artikel  auf NRWZ.de habe ich aber noch nie erlebt. Wie erklären Sie sich das?

Die Mountainbikeszene ist sehr sensibilisiert auf vermeintlich kritische Berichte und reagiert dann sensibel. Manchmal sind auch Überreaktionen dabei und verlassen den Weg des guten Miteinanders. Damit muss man leben können. Die freie Meinungsäußerung gilt auch für Leute, die gerne über die Stränge schlagen.

Ich hatte den Eindruck, ich hab‘ in ein Wespennest gestochen, man könnte auch sagen, getroffene Hunde bellen…

Welche betroffenen Hunde? (lacht).

Im Hinterkopf haben manche halt doch das Unrechtsbewusstsein, was ich da mache, wenn ich auf einem schmalen 50 Zentimeter breiten Wanderweg runterbrettere, ist eigentlich nicht erlaubt. Die wissen, das ist nicht richtig, also haue ich ordentlich drauf, dann wird der andere schon Ruhe geben.

Ich glaube, das ist so nicht gelagert, es ist vielmehr so, dass die meisten Berichte in den letzten Monaten und Jahren ausschließlich kritisch gegenüber den Mountainbikern waren, egal in welchem Bundesland in Deutschland. Das hinterlässt den Eindruck, dass hier schlechte redaktionelle Arbeit geleistet wird, die in vielen Punkten einfach nicht objektiv genug ist. Das ruft sofort Widerspruch hervor.

Wir sind nun ein paar Wege im Wald abgegangen und haben uns die Spuren angeschaut. Da war statt eines Pfads nur noch der blanke Fels, für Wanderer  schwer zu begehen. An manchen Stellen waren wir uns einig, das stammt von Mountainbikes. Oder?

Ja, Mountainbiker sind diese Wege gefahren, keine Frage und jeder Waldnutzer hinterlässt seine Spuren, auch der Mountainbiker. Nur als alleinige Verursacher für Erosion hingestellt zu werden, dagegen müssen wir uns verwehren.

Ihre Trail Rules sagen allerdings: ‚Hinterlasse keine Spuren.‘ Aber wir haben die Spuren gesehen. Was empfehlen Sie einer Stadt, die diesen Weg ja als Premiumwanderweg ausgewiesen hat?

Niemand kann über einen Weg schweben! Die einzige Möglichkeit ist, den Mountainbikern ein attraktives Angebot an anderen Strecken anzubieten.

Und an den jetzt kaputt gefahrenen Strecken, was kann man da machen?

Wenn die Wanderwege zertifiziert sind, müssen sie so gestaltet sein, dass sie der Zertifizierung entsprechen. Wege müssen von Zeit zu Zeit schon immer gepflegt werden. Unabhängig, wer sie benutzt.

Das heißt, man kann sie wieder so herrichten, dass sie für Mountainbiker weniger attraktiv sind?

(Lacht) Das ist natürlich eine Fangfrage! Jeder naturbelassene Weg ist für Mountainbiker attraktiv.

Man muss nicht dulden, dass die Kurven derartig runter geschrubbt werden, man kann mit einem Baumstamm dort für Abhilfe sorgen?

Wenn ein Weg abzurutschen droht oder durch Erosion so stark gefährdet ist, kann der Wegeigentümer Maßnahmen ergreifen, um das zu verhindern. Egal was die Ursache dafür war.

An dieser Stelle verlief der Burgenpfad hinter dem Baum rechts, durch das Kurvenschneiden einiger Mountainbiker ist hier der Weg stark verbreitert und abgekürzt. Lutz empfiehlt durch geeignete Maßnahmen den Weg in seiner ursprünglichen Gestalt wieder herzurichten.

In Baden-Württemberg gibt es die Zwei-Meter-Regel. Sie besagt, Radfahren im Wald  ist nur auf Wegen erlaubt, die breiter als zwei Meter sind. Andere Pfade sind tabu. Gegen diese Regel laufen sie Sturm, warum?

Aus sportlicher Sicht  – und Mountainbikesport ist inzwischen ein Breitensport – hat Mountainbiken als Kern das Naturerlebnis und das Befahren naturbelassener Wege. Naturbelassene Wege sind in der Regel schmaler als zwei Meter. Mit der Regel sind wir Mountainbiker von diesen Wegen ausgeschlossen. Wir wollen ein ähnliches Naturerlebnis haben wie Wanderer, die auch einen naturbelassenen Weg im Wald begehen möchten und dies toll und schön finden.

Vorhin hat uns ein Mountainbiker erzählt, er sei beim Wandern kürzlich von drei Bikern fast über den Haufen gefahren worden. Was tun sie gegen die schwarzen Schafe, die sich eben nicht an Ihre Regeln halten?

Schwarze Schafe gibt es überall. Wir als Verband können da nicht viel tun, außer zu appellieren, dass unsere Regeln, die wir als Mountainbiker versuchen zu leben, auch angenommen und eingehalten werden.

Und diese Regeln besagen?

Man gefährdet niemand anderes, fährt auf Sicht, macht auf sich aufmerksam und lässt Wanderern den Vortritt. Das ist auf unserer Homepage unter Trail Rules nachzulesen. Es geht nicht nur um die Begegnung zweier verschiedener Nutzergruppen, sondern auch um Sport in der Natur. Was bedeutet das? Es hat auch mit Tieren und der Natur zu tun. Man fährt nur auf Wegen und fährt nicht querfeldein. Das gehört einfach zu den Regeln. Es gibt keinen Breitensport, der ohne Regeln ist.

Dass sich nicht alle Mountainbiker dran halten, ist halt leider Fakt. Sie haben die Spuren vorhin ja gesehen. Sie haben den Mountainbiker gehört, der sich über drei wilde Burschen beklagt, Sie haben die Tourismusleiterin gehört, die die Beschwerden der Wanderer schildert. Es war also kein bedauerlicher Einzelfall, der mir da geschildert wurde. Und wenn ein Förster einen Mountainbiker anhält, der sich nicht dran hält, bekommt er Prügel angedroht und die Übeltäter brausen einfach davon.

Was sollen wir als Verband gegen persönliches Fehlverhalten sagen? Damit sind wir natürlich nicht mit einverstanden. Respekt und ein gutes Miteinander sind die Lösung.

In den einschlägigen Foren gibt es eben solche Tipps bei Begegnungen mit Förstern: ‚Gar nicht erst reden, gleich ausknocken‘ oder ich habe ihm ‚plötzlichen Zahnverlust angedroht‘. Auch nicht gerade die feine englische Art.

Mit Sicherheit nicht, aber die gleichen Argumente hören wir auch von der anderen Seite, dass Leute drohen: ‘Ich halte Euch den Stock in die Speichen.‘ Oder man legt Nagelfallen aus und, und, und. Unliebsame Zeitgenossen gibt es auf beiden Seiten.

 

 

https://www.nrwz.de/schramberg/schwarze-schafe-gibt-es-ueberall/266948