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Urteil im Prozess wegen Mordes an der Mutter – Gericht: Es war Totschlag im Affekt

Der 21 Jahre junge Mann aus Schramberg, der seine Mutter getötet hat, ist vom Landgericht Rottweil am Mittwochnachmittag nach vier Verhandlungstagen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah als erwiesen an, was der junge Mann von Anfang an zugab: Er hatte seine Mutter erschlagen, wollte die Leiche dann verstecken. Die rechtliche Wertung, allerdings: Totschlag. Nicht Mord. Man befinde sich im Jugendstrafrecht, mahnte der Richter.

Weil ein psychiatrischer Gutachter ihn als vermindert einordnete, wurde die Tat allerdings als Totschlag gewertet. Ein Schluss, von dem sich die Nebenklage nicht sehr überzeugt zeigte. Eine Schwester der Toten stürmte während der Urteilsbegründung aus dem Saal. Der Vorsitzende Richter sprach den Hinterbliebenen seinen Respekt aus.

Zusammengefasst

  • Ein 21-jähriger Mann wurde nach dem Totschlag seiner Mutter zu sieben Jahren Haft verurteilt.
  • Das Gericht entschied, dass er im Affekt handelte und eine verminderte Schuldfähigkeit hatte.
  • Trotz der Grausamkeit der Tat verhielt er sich anschließend unprofessionell und ohne Effizienz.
  • Die Angehörigen der Toten und des jungen Täters zeigten sich unzufrieden mit dem Urteil und dem emotionalen Zustand des Angeklagten.
  • Das Urteil reflektiert die Herausforderungen im Jugendstrafrecht und das schwere Erbe für die Familie.

An jenem Februartag 2025 (über den wir hier ausführlich berichten) hat der Schramberger seine Mutter in einer emotionalen Ausnahmesituation getötet. Im Affekt. Das sagte der psychiatrische Sachverständige, der für das Rottweiler Landgericht die Schuldfähigkeit des jungen Mannes festzustellen hatte. Eine Einschätzung, die die Nebenklägerinnen und Nebenkläger im Saal – Verwandte der Getöteten und des 21-Jährigen – überrascht bis fassungslos aufnahmen. Gemäß Paragraph 21 des Strafgesetzbuches wird die Schuld eines Täters im Falle einer eingeschränkten Schuldfähigkeit gemildert. Dies geschieht, wenn zum Zeitpunkt der Tat der Täter nicht vollständig unzurechnungsfähig war, jedoch seine Fähigkeit zur Einsicht oder Steuerung erheblich beeinträchtigt war. Das ist nicht, was die Hinterbliebenen der Toten hören wollen.

Die Strafkammer am Rottweiler Landgericht. Foto: Peter Arnegger

Das Urteil lautete auf Totschlag. Zudem, doch das fiel beim Strafmaß nicht wesentlich ins Gewicht, sah es das Gericht als erwiesen an, dass der junge Mann kinder- und jugendpornografische Schriften besessen habe. In der Konsequent: sieben Jahre Haft. Er muss das Verfahren nicht bezahlen – mangels Mitteln, mutmaßlich -, auch die Kosten für die Nebenklage fallen auf die Staatskasse zurück. Deren Vertreter hatte diese Kosten schon dadurch niedrig gehalten, dass er als alleiniger Anwalt für die Verwandten und Hinterbliebenen auftrat.

Die nötigen Mordmerkmale seien nicht zu erkennen gewesen, so der Vorsitzende Richter. Keine Habgier, keine Heimtücke, etwa. Das Jugendstrafrecht sieht bei Totschlag bis zu zehn Jahre Haft vor.

Das Urteil sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass man sich im Jugendstrafrecht befinde, hieß es in der Urteilsbegründung. Auch habe sich der junge Täter geständig gezeigt, reuig, habe die Schuld am schlimmsten Verbrechen, das man begehen kann, und auf die Folgen klar auf sich genommen. Er alleine trage die Schuld und er sei sich bewusst, welch unvorstellbares Leid die Familie erfahren hat.

Auch sei es schwierig, den Verlauf des Tattags nachzuvollziehen, weil das Opfer tot ist und es keine Zeugen gibt, ließ der Vorsitzende Richter durchblicken. Man habe hier eine Familie vor sich, die eine Fassade aufgebaut habe, die nach außen hin den Anschein erweckte, dass alles in Ordnung sei. Nach dem Tod des Vaters habe der Sohn die Verantwortung für alles Finanzielle übertragen bekommen – und die Mutter habe ihn unkontrolliert walten lassen. „Da sind Fehler gemacht worden“, sagte der Richter. Das begründe keinen Schuldvorwurf, aber es zeige auf, „in welcher Scheinwelt der Angeklagte gelebt hat“. Seine Mutter ebenfalls.

Man müsse auch sehen, dass es auch für das Leben des Täters ein Davor und Danach gebe. Er werde nie mehr in seine Heimatstadt zurückkehren können. Er werde seine Störungen in einer jahrelangen Therapie auf- und intensiv an sich arbeiten müssen. Er werde sich seiner Tat und den Folgen stellen müssen.

Den am Ende tödlichen Streit sah das Gericht als Höhepunkt einer Entwicklung. Als den Moment, in dem das Lügengebäude zusammenbrach, das der Sohn vor allem für seine Mutter, aber auch für die Umwelt aufgebaut hatte. Als den Tag, an dem klar geworden sei, wie katastrophal die finanzielle Situation der kleinen Familie ist. Mietschulden, Lohnpfändung, leer geräumte Konten, kein Einkommen des Sohnes.

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass Mutter und Sohn an jenem Februartag in Streit geraten sind. Dass er – gleichsam unglücklicherweise – vom Kochen noch den Fleischklopfer in der Hand hatte, als sie ihm heftige, lautstarke Vorwürfe gemacht hat. Der Sohn sei davon überrascht worden, habe erwartet, dass sie ihm wie immer verzeiht. Dass sie dies nicht tat, dass sie sehr laut geworden sei, habe den Affektstau in ihm gelöst. Da habe er „zugeschlagen, bis sie endlich ruhig war, bis sie zu Boden gegangen ist.“ Dort verblutete die Frau. Es sei für eine affektive Tat nicht ungewöhnlich, dass ein Täter zuschlage, um endlich Ruhe zu haben, verwies der Richter auf den psychiatrischen Sachverständigen. Und dass der Täter sich dann innerlich von der Tat entferne, gar nicht erkenne, was er da getan habe. Der junge Mann schien damals wie in eine Parallelwelt zu entschlüpfen. Er empfing Besuch, als wäre nichts geschehen. Putzte leidlich den Tatort, kaufte sich zuvor ein entsprechendes Reinigungsmittel. Warf den blutigen Fleischklopfer in den Küchenmülleimer. Und versteckte den Leichnam nur notdürftig, „ohne Raffinesse bei der Tatverdeckung“, so der Richter in der Urteilsbegründung, in einer Dachbox, als die Polizei sich ankündigt.

Zudem „liegen beim Angeklagten verschiedene Störungen vor“, so der Richter. Etwa des Sozialverhaltens – indem er nicht zur Schule ging, beispielsweise. Auch eine Persönlichkeitsstörung. Und es gebe deutlich den Drang zum krankhaften Lügen und Übertreiben. Ebenfalls ein Krankheitsbild.

Der Anwalt der Nebenklage, der Rottweiler Strafrechtler Wido Fischer, hatte auf Mord plädiert. Im Gespräch mit der NRWZ räumte er aber ein, dass er erwartet hatte, dass die Kammer auf Totschlag erkennt. Einen entsprechenden Hinweis zur rechtlichen Würdigung der Tat gab die Kammer auch eingangs des Prozesses, der mit dem Vorwurf des Mordes aufgenommen worden war. Im Jugendstrafrecht, nach dem geurteilt wurde, liege zwischen beiden Strafrahmen nicht allzu viel Raum, erklärte der Anwalt zudem. Er glaube aber, dass es sich nicht um eine affektive Tat gehandelt haben könne, weil sich alles im Leben des jungen Mannes auf diesen letzten Punkt zugespitzt habe. Weil sich alles dorthin entwickelt habe. Das habe auch der junge Täter wissen müssen.

Das Interesse an dem Verfahren war groß, der vom Prozessbereich durch eine Glaswand getrennte Zuschauersaal immer gut gefüllt. Auch zur Urteilsverkündung kamen neben den Angehörigen selbst viele Menschen.

Den vielen Blicken während der Urteilsverkündung wollte sich der junge Mann nicht aussetzen, verdeckte durchgehend sein Gesicht. Direkt nach der Urteilsverkündung wurde er wieder in die Zelle des Gerichtsgebäudes verbracht, wird in Haft bleiben.

Den am Prozess teilnehmenden Verwandten des Täters und der Getöteten sprach der Vorsitzende Richter seinen Respekt aus. Sie hätten den für sie überaus schwierigen Prozess mit großer Kraft und Ruhe gestellt. Der Richter sagte aber auch: „Es ist sicherlich nicht leicht für die Angehörigen, diese Begründung zu hören.“




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.
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Was ein Hohn. Bei einem 20 Jährigen gilt eben nicht das Jugendstrafrecht. Dafür müssten erhebliche Reifeverzögerungen festgestellt werden. Aber die libertär verblödeten Gutmenschenrichter nehmen Reifeverzögerungen seit Jahrzehnten in solchen Prozessen einfach immer wieder pauschal an ohne eine überzeugende Begründung. 7 Jahre würdest du für so eine brutale Abschlachtung in keinem Land der Welt bekommen. Und eine emotionale Ausnahmesituation als verminderte Schuldfähigkeit anzunehmen ist der nächste Hohn. Fast alle Tötungsdelikte sind nicht eiskalt berechnend geplant sondern passieren in emotionalen Ausnahmesituationen. Wenn man das ständig als Rechtfertigung akzeptieren würde, kämen nur noch Kuschelurteile bei raus.

Was ein widerliches Urteil. Brutale Abschlachtung und der Richter findet nur Verständnis für den Täter. Jugendstrafrecht ? Welche Reifeverzögerungen gab es denn bei dem zum Tatzeitpunkt 20 jährigen. Wieder mal ein Hippie Richter der das pauschal annimmt. 7 Jahre würdest du für so eineWahnsinnstat in keinem Land der Welt kriegen.

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