Villa Junghans: Vier Möglichkeiten

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„Sehr hilfreich“, „viel gelernt“ „ganz neue Erkenntnisse“- so lautete das Urteil einiger Stadträtinnen und Stadträte nach dem Vortrag des Gastronomieexperten Ingo Wessel zur möglichen Zukunft der Villa Junghans. Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr nannte das Thema einen „Aufreger in der Stadt“. Wegen des erwarteten Publikumsinteresses hatte sie die Sitzung in die Aula des Gymnasiums verlegt. Gekommen waren dann aber nur etwa zehn Bürgerinnen und Bürger.

Bevor Wessel seine Analyse  vorstellte, versicherte Eisenlohr erneut, die Stadtverwaltung habe immer gewollt „dass eine Gastronomie bleibt“. Der Gedanke, das Haus an eine Anwaltssozietät zu verkaufen, sei in den letzten drei Jahren nicht verfolgt worden. „Das ist ein Gerücht.“

Ingo Wessel ist Gastronomieberater aus der Nähe von Hamburg. Er hat sich die Villa im Frühjahr schon angeschaut und über die zukünftige Nutzung und Bewirtschaftung nachgedacht. Das sei gegenwärtig nicht so einfach, „denn die Rahmenbedingungen für die Gastronomie ändern sich gerade rasant“, so Wessel.

Ingo Wessel bei seinem Vortrag im Gemeinderat. Foto: him

Vor- und Nachteile der Villa

In seinem Vortrag hat der Gastro-Fachmann vier Nutzungskonzepte vorgestellt und diese jeweils in Bezug gesetzt zum Gebäude, zum Denkmalschutz und zum Standort- und Marktpotenzial.

Die Lage der Villa mitten im Park der Zeiten sei etwas ganz Besonderes, „das sollte man schützen“. Er zählte zehn Pluspunkte für die Villa auf. Dazu gehöre, dass die Räume im Original erhalten seien, die Geschichte der Villa, der sehr attraktive Außenbereich, der Saal und  die Parkplätze direkt am Haus. Auch dass es bereits eine gastronomische Infrastruktur gebe, sei ein Pluspunkt. So auch die große Verbundenheit der Schramberger zur Villa.

Außergewöhnliche Lage mitten im Park. Archiv-Foto: him

Herausforderungen

Wessel sah  aber auch die großen Probleme, neudeutsch „Herausforderungen“, die mit dem Betrieb der Villa verbunden sind: Zum einen, dass die Stadt die Villa „geerbt“ habe (was nicht  ganz korrekt ist, die Stadt hat das Gebäude in den 30er-Jahren für 100.000 Reichsmark gekauft.)

Es gebe einen großen Instandsetzungsstau. Wie groß der allerdings sei, hänge stark von der künftigen Nutzung ab. Nach 16 Jahren haben die Pächter gekündigt. Man müsse überlegen, welche Investitionen erforderlich seien, ob die  Zahl der Zimmer mit zwölf ausreiche und welche Pachteinnahmen zu erwarten seien.

Aus Sicht der  sei die Villa ein „Katalysator für die Stadtentwicklung“, sie biete ein Übernachtungsangebot und die Möglichkeit  große Feste zu feiern.  Ein Gastronom, der die Villa übernehme, schaue hingegen auf die Einnahmemöglichkeit. Da seien Bankette  viel lukrativer als ein À-la-carte-Restaurant.

Auch mit Übernachtungen sei mehr zu verdienen. Die Fixkosten seien  hoch, denn  von der Küche zum Lager und zum Gastraum gebe es lange Wege. Das erhöhe die Mitarbeiterzahl, beobachtete der Fachmann. Da an den Getränken, nicht am Essen verdient werde, sei eine Vinothek oder Bar wichtig.

Vier Nutzungskonzepte

Aus diesen  Bedingungen stellte Wessel vier Nutzungsmodelle vor: Restaurant-Hotel gehoben, Top-Boutique-Hotel-Restaurant mit Leuchtturmwirkung, Café-Restaurant-Gastgarten mit Gästezimmern  oder Boarding House mit Gastronomie.

Das erste Modell Restaurant-Hotel entspräche in etwa der derzeitigen Nutzung. Für einen auskömmlichen Betrieb sei allerdings die Zimmerzahl „deutlich zu niedrig“. 30 Betten seien das mindeste. Ein externer Bettenbau wäre eine Möglichkeit, auch um das Restaurant auszulasten. Ob ein solcher Bau sich aber refinanziere, sei fraglich. Problematisch sei auch, dass es unmöglich sei, in der Villa gleichzeitig große Teste zu feiern und ein à la carte Restaurant zu betreiben. Schließlich brauche es für ein solches Konzept einen „Gastgeber mit Herzblut“, heute schwer zu finden.

Ein Boutique-Hotel könnte von der Größe bleiben wie bisher. Die Zimmer müssten aber „fantastisch“ sein. Man bräuchte kein komplettes Restaurant, würde nur die Hausgäste verköstigen und gelegentlich große Feste veranstalten. Der Nachteil: Das Restaurant für jedermann würde wegfallen.

Ein eher einfaches Café mit Restaurant, Biergarten und Gästezimmern stünde den Schrambergern offen. Ein Treff im Park, auf ein Bier und eine Kleinigkeit zu essen. Um das aber wirtschaftlich betreiben zu können, benötige man „150, besser 200 Gäste am Tag – jeden Tag.“  Das sei, wenn überhaupt, in der Fußgängerzone möglich.

Die  vierte Variante Boarding House käme ganz ohne Restaurant aus, wäre einfach zu betreiben, für die Schramberger aber meist verschlossen. Lediglich ausnahmsweise wären Feste dort dann möglich.

Investitionen drei geteilt

Bei den Investitionen müsse man drei Bereiche unterscheiden: Zum einen die Gebäudesanierung mit neuen Leitungen, Fenstern, Fassade und so weiter. Diese müsse die Stadt als Eigentümerin stemmen. Die erforderliche Summe in Millionenhöhe sei nicht zu refinanzieren.

Der nutzungsspezifische Ausbau mit Aufzug, Küche und Zimmern müsste in frühestens 15 Jahren zu refinanzieren sein. Ebenso die Ausstattung. Diese sollte nach frühestens zehn Jahren refinanziert sein.

Die verschiedenen Vor- und Nachteile der vier Modelle stellte Wessel auf  einer Grafik dar:

Grafik: Wessel

Betreibermodelle

Schließlich präsentierte der Fachmann noch drei Betreibermodelle: Verpachten, Vermieten und Erbpacht.

Wenn die Stadt die Villa verpachtet, müsste sie fast alle Investitionen selbst stemmen. Beim Vermieten übernähme der Mieter den Ausbau. Bei einem Erbbaurechtsvertrag mit mindestens 30 Jahren Laufzeit würde die Stadt nur die Grundsanierung übernehmen. Ein Investor würde den Rest übernehmen, nach seinen Plänen ausbauen  und einen Betreiber suchen. Wessel nannte  Beispiele aus Rottweil und Überlingen.

Wessel wog schließlich noch die verschiedenen Modelle gegeneinander ab. Dabei fiel das Boarding-House durch, denn weder sei es offen für die Bevölkerung noch ließe sich der Saal nutzen. Am ehesten, so ließ Wessel durchblicken, könnte er sich das Top-Boutique-Hotel vorstellen, weil das Haus dann auch für Feiern zur Verfügung stünde.

OB Eisenlohr dankte Wessel für die Präsentation, die auch für die Verwaltung neu gewesen sei. Sie betonte, dass heute keine Entscheidung getroffen werde. „Es ist der Start eines Diskussionsprozesses.“ Ihr Herz würde für eine Lösung schlagen, von der auch die Schramberger etwas hätten, versicherte sie.

Über die ausführliche Diskussion werden wir noch berichten.

Das interessiert diese Woche



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„Sehr hilfreich“, „viel gelernt“ „ganz neue Erkenntnisse“- so lautete das Urteil einiger Stadträtinnen und Stadträte nach dem Vortrag des Gastronomieexperten Ingo Wessel zur möglichen Zukunft der Villa Junghans. Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr nannte das Thema einen „Aufreger in der Stadt“. Wegen des erwarteten Publikumsinteresses hatte sie die Sitzung in die Aula des Gymnasiums verlegt. Gekommen waren dann aber nur etwa zehn Bürgerinnen und Bürger.

Bevor Wessel seine Analyse  vorstellte, versicherte Eisenlohr erneut, die Stadtverwaltung habe immer gewollt „dass eine Gastronomie bleibt“. Der Gedanke, das Haus an eine Anwaltssozietät zu verkaufen, sei in den letzten drei Jahren nicht verfolgt worden. „Das ist ein Gerücht.“

Ingo Wessel ist Gastronomieberater aus der Nähe von Hamburg. Er hat sich die Villa im Frühjahr schon angeschaut und über die zukünftige Nutzung und Bewirtschaftung nachgedacht. Das sei gegenwärtig nicht so einfach, „denn die Rahmenbedingungen für die Gastronomie ändern sich gerade rasant“, so Wessel.

Ingo Wessel bei seinem Vortrag im Gemeinderat. Foto: him

Vor- und Nachteile der Villa

In seinem Vortrag hat der Gastro-Fachmann vier Nutzungskonzepte vorgestellt und diese jeweils in Bezug gesetzt zum Gebäude, zum Denkmalschutz und zum Standort- und Marktpotenzial.

Die Lage der Villa mitten im Park der Zeiten sei etwas ganz Besonderes, „das sollte man schützen“. Er zählte zehn Pluspunkte für die Villa auf. Dazu gehöre, dass die Räume im Original erhalten seien, die Geschichte der Villa, der sehr attraktive Außenbereich, der Saal und  die Parkplätze direkt am Haus. Auch dass es bereits eine gastronomische Infrastruktur gebe, sei ein Pluspunkt. So auch die große Verbundenheit der Schramberger zur Villa.

Außergewöhnliche Lage mitten im Park. Archiv-Foto: him

Herausforderungen

Wessel sah  aber auch die großen Probleme, neudeutsch „Herausforderungen“, die mit dem Betrieb der Villa verbunden sind: Zum einen, dass die Stadt die Villa „geerbt“ habe (was nicht  ganz korrekt ist, die Stadt hat das Gebäude in den 30er-Jahren für 100.000 Reichsmark gekauft.)

Es gebe einen großen Instandsetzungsstau. Wie groß der allerdings sei, hänge stark von der künftigen Nutzung ab. Nach 16 Jahren haben die Pächter gekündigt. Man müsse überlegen, welche Investitionen erforderlich seien, ob die  Zahl der Zimmer mit zwölf ausreiche und welche Pachteinnahmen zu erwarten seien.

Aus Sicht der  sei die Villa ein „Katalysator für die Stadtentwicklung“, sie biete ein Übernachtungsangebot und die Möglichkeit  große Feste zu feiern.  Ein Gastronom, der die Villa übernehme, schaue hingegen auf die Einnahmemöglichkeit. Da seien Bankette  viel lukrativer als ein À-la-carte-Restaurant.

Auch mit Übernachtungen sei mehr zu verdienen. Die Fixkosten seien  hoch, denn  von der Küche zum Lager und zum Gastraum gebe es lange Wege. Das erhöhe die Mitarbeiterzahl, beobachtete der Fachmann. Da an den Getränken, nicht am Essen verdient werde, sei eine Vinothek oder Bar wichtig.

Vier Nutzungskonzepte

Aus diesen  Bedingungen stellte Wessel vier Nutzungsmodelle vor: Restaurant-Hotel gehoben, Top-Boutique-Hotel-Restaurant mit Leuchtturmwirkung, Café-Restaurant-Gastgarten mit Gästezimmern  oder Boarding House mit Gastronomie.

Das erste Modell Restaurant-Hotel entspräche in etwa der derzeitigen Nutzung. Für einen auskömmlichen Betrieb sei allerdings die Zimmerzahl „deutlich zu niedrig“. 30 Betten seien das mindeste. Ein externer Bettenbau wäre eine Möglichkeit, auch um das Restaurant auszulasten. Ob ein solcher Bau sich aber refinanziere, sei fraglich. Problematisch sei auch, dass es unmöglich sei, in der Villa gleichzeitig große Teste zu feiern und ein à la carte Restaurant zu betreiben. Schließlich brauche es für ein solches Konzept einen „Gastgeber mit Herzblut“, heute schwer zu finden.

Ein Boutique-Hotel könnte von der Größe bleiben wie bisher. Die Zimmer müssten aber „fantastisch“ sein. Man bräuchte kein komplettes Restaurant, würde nur die Hausgäste verköstigen und gelegentlich große Feste veranstalten. Der Nachteil: Das Restaurant für jedermann würde wegfallen.

Ein eher einfaches Café mit Restaurant, Biergarten und Gästezimmern stünde den Schrambergern offen. Ein Treff im Park, auf ein Bier und eine Kleinigkeit zu essen. Um das aber wirtschaftlich betreiben zu können, benötige man „150, besser 200 Gäste am Tag – jeden Tag.“  Das sei, wenn überhaupt, in der Fußgängerzone möglich.

Die  vierte Variante Boarding House käme ganz ohne Restaurant aus, wäre einfach zu betreiben, für die Schramberger aber meist verschlossen. Lediglich ausnahmsweise wären Feste dort dann möglich.

Investitionen drei geteilt

Bei den Investitionen müsse man drei Bereiche unterscheiden: Zum einen die Gebäudesanierung mit neuen Leitungen, Fenstern, Fassade und so weiter. Diese müsse die Stadt als Eigentümerin stemmen. Die erforderliche Summe in Millionenhöhe sei nicht zu refinanzieren.

Der nutzungsspezifische Ausbau mit Aufzug, Küche und Zimmern müsste in frühestens 15 Jahren zu refinanzieren sein. Ebenso die Ausstattung. Diese sollte nach frühestens zehn Jahren refinanziert sein.

Die verschiedenen Vor- und Nachteile der vier Modelle stellte Wessel auf  einer Grafik dar:

Grafik: Wessel

Betreibermodelle

Schließlich präsentierte der Fachmann noch drei Betreibermodelle: Verpachten, Vermieten und Erbpacht.

Wenn die Stadt die Villa verpachtet, müsste sie fast alle Investitionen selbst stemmen. Beim Vermieten übernähme der Mieter den Ausbau. Bei einem Erbbaurechtsvertrag mit mindestens 30 Jahren Laufzeit würde die Stadt nur die Grundsanierung übernehmen. Ein Investor würde den Rest übernehmen, nach seinen Plänen ausbauen  und einen Betreiber suchen. Wessel nannte  Beispiele aus Rottweil und Überlingen.

Wessel wog schließlich noch die verschiedenen Modelle gegeneinander ab. Dabei fiel das Boarding-House durch, denn weder sei es offen für die Bevölkerung noch ließe sich der Saal nutzen. Am ehesten, so ließ Wessel durchblicken, könnte er sich das Top-Boutique-Hotel vorstellen, weil das Haus dann auch für Feiern zur Verfügung stünde.

OB Eisenlohr dankte Wessel für die Präsentation, die auch für die Verwaltung neu gewesen sei. Sie betonte, dass heute keine Entscheidung getroffen werde. „Es ist der Start eines Diskussionsprozesses.“ Ihr Herz würde für eine Lösung schlagen, von der auch die Schramberger etwas hätten, versicherte sie.

Über die ausführliche Diskussion werden wir noch berichten.

Das interessiert diese Woche

Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.