Bürgermeister erklärt sich zu Nasal-Test: „Wir werden kein Kind zwingen“

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Ein ungewöhnlicher Vorgang: Gegen das Ansinnen von Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich, Kinder in Kitas und Kindergärten der Gemeinde künftig nur noch über die Nase auf das Corona-Virus testen zu wollen, formierte sich Protest. Eine Mutter startete eine Online-Petition – deren Erfolg bislang allerdings verhalten ist. Die NRWZ hat Bürgermeister Ulbrich gebeten, seine Beweggründe darzulegen. Dies hat er getan. Und er kommt zu dem Schluss: „Wir werden aber in jedem Fall kein Kind irgendwelchem Zwang aussetzen, wenn es sich partout gegen die Testung weigert.“ In solchen Fällen werde es eine individuelle Lösung geben. Außerdem erklärt er, dass die Gemeinde auch Unterstützung erhalten habe.

Ende vergangenen Jahres schrieb Ralf Ulbrich einen Brief an die Eltern der örtlichen Kindergärten. Darin kündigt er an, dass in seiner Gemeinde nur noch sogenannte Nasaltests vorgenommen werden. Die Erfahrungen der vergangenen Monate mit Lolli-Tests hätten gezeigt, dass es zu falsch-positiven beziehungsweise falsch-negativen Tests gekommen sei. In einer Petition, die die Nasaltests als unnötigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Kinder bezeichnet, wird die Rückkehr zu den Lolli-Tests gefordert.

Ausführliche Stellungnahme

Die NRWZ hat Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich gebeten, die Entscheidung der Gemeinde zu erklären und auf die Petition zu reagieren. Hier seine Stellungnahme im Wortlaut:

Wir haben in Deißlingen mittlerweile weit über ein halbes Jahr Erfahrung mit den Lolli-Tests. Diese waren im Frühjahr 2021 relativ neu, sind dann aber in großer Zahl auf den Markt gekommen. Die meisten Tests haben damals eine vorläufige Zulassung als Medizinprodukt durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bekommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinerlei Auswertungen über die Wirksamkeit. Die Erfahrung der vergangenen Monate – bundesweit, aber auch in unseren Einrichtungen – haben nun gezeigt, dass die Lolli-Test in der Tat nur selten das halten, was sie versprechen. Die Fehlerquote beim Test ist als hoch zu bezeichnen, da es regelmäßig zu falsch positiven Testungen kommt, was epidemiologisch zwar die unkritischere Falschtestung ist, aus Sicht der Betroffenen aber weitreichende Konsequenzen hat: Nicht nur bei uns in Deißlingen, sondern auch in Spaichingen, Friedrichshafen und anderen Kommunen wurden in den vergangenen Wochen daraufhin Gruppen geschlossen, nur um sie nach erfolgter PCR-Testung (die an Zuverlässigkeit nicht zu überbieten ist) wieder zu öffnen. Das ist zunächst einmal für die betroffenen Familien belastend. Wir müssen aber auch davon ausgehen, dass die Fehlerquote bei den negativen Tests wohl vergleichbar groß ist, sodass viele Infektionen unbemerkt bleiben und sich ausbreiten können. Auch hier gibt es in einer unserer Einrichtungen bereits entsprechende Erfahrungen, die am Vertrauen der Eltern in die Testungen rütteln.

Durch das Testen wollen wir seit vielen Monaten in unseren Kindertageseinrichtungen die Ausbreitung von Infektionen verhindern. Und ab nächste Woche ist dies nun sogar ein gesetzlicher Auftrag, weil immer öfter auch Kindertageseinrichtungen zu Infektionsherden werden.

Das BfArM hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Zulassungen von Lolli-Test wieder zurückgenommen. Von ursprüngliche mehreren Dutzend haben aktuell nur wenige eine solche Zulassung, während es mehrere hundert andere zugelassene Nasal- und Spuck-Tests gibt. So taucht auch der in der Petition angeführte Test dort beispielsweise lediglich als Spuck-Test auf.

Auf der anderen Seite haben wir mehrfach positive Erfahrungen mit den Nasal-Tests in unseren Schulen gesammelt. Sehr zuverlässig wurden dort mehrere Positiv-Fälle herausgefiltert. Ausnahmslos alle diese Fälle wurden durch PCR-Tests bestätigt.

Das alles hat uns dazu veranlasst, als Träger zusammen mit den Leitungen unserer Kindergärten künftig ausschließlich Nasal-Test anzubieten. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass aus den Einrichtungen sowohl vom Personal als auch von den Eltern Zweifel an der Wirksamkeit der Lolli-Tests aufgeworfen wurden. So gab es auch seit der Verteilung des Elternbriefs schon eine deutliche Zahl an positiven Rückmeldungen aus der Elternschaft, die kein Problem mit der Nasal-Testung ihrer Kinder haben.

Wir werden ab nächster Woche nur noch Kinder betreuen können, die einen gültigen Negativ-Test vorweisen können. Es steht allen Eltern frei, mit Ihren Kindern alternativ zum Nasal-Test einen Spucke-Test in einem der privaten Testzentren abzulegen und das Testzertifikat mitzubringen. Sollte eines der Testzentren mit Lolli-Test arbeiten, können wir das nicht infrage stellen. Wir – und damit schließe ich alle unsere Kindergartenleitungen mit ein – sind aber von diesen Tests nicht mehr überzeugt und wollen die Tests nicht als bloßes „Feigenblatt“ benutzen, sondern um Infektionsherde in unseren Einrichtungen zu verhindern.

Ich kann nur um Verständnis für diese Maßnahme werben, die dem Schutz aller Kinder dient. Sie wird auf jeden Fall nur in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen aufrechterhalten und wird jetzt letztlich unsererseits vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Omikron-Variante als wirksamstes Mittel erachtet. Von körperlicher Gewalt gegen die Kinder und von einer Bedrohung der Unversehrtheit zu sprechen, geht in meinen Augen aber entschieden zu weit. Wir bieten den Eltern an, ihre Kinder selbst zu testen und wenn dies im anderen Fall durch unser Personal erfolgt, dann ausschließlich durch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jeder Erwachsene sollte aus eigener Erfahrung wissen, dass die Testung im vorderen Nasenbereich (und nur um die handelt es sich) keinerlei Schmerzen verursacht. Sie mag für die Kinder gewöhnungsbedürftig sein, aber das waren die Lolli-Tests im Frühjahr 2021 auch. Bereits damals gab es vereinzelt Bedenken aus der Elternschaft, die sich dann in der Anwendung nicht bestätigt haben. Wenn Eltern und ErzieherInnen entsprechend sensibel mit der Thematik umgehen und die Kinder darauf vorbereiten, sollte das auch dieses Mal der Fall sein. Wir werden aber in jedem Fall kein Kind irgendwelchem Zwang aussetzen, wenn es sich partout gegen die Testung weigert. In solchen Fällen wird es Lösungen geben, die dann aber im Einzelfall zwischen Eltern und ErzieherInnen gefunden werden müssen.

Ralf Ulbrich, Bürgermeister, Deißlingen

Das interessiert diese Woche



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Ein ungewöhnlicher Vorgang: Gegen das Ansinnen von Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich, Kinder in Kitas und Kindergärten der Gemeinde künftig nur noch über die Nase auf das Corona-Virus testen zu wollen, formierte sich Protest. Eine Mutter startete eine Online-Petition – deren Erfolg bislang allerdings verhalten ist. Die NRWZ hat Bürgermeister Ulbrich gebeten, seine Beweggründe darzulegen. Dies hat er getan. Und er kommt zu dem Schluss: „Wir werden aber in jedem Fall kein Kind irgendwelchem Zwang aussetzen, wenn es sich partout gegen die Testung weigert.“ In solchen Fällen werde es eine individuelle Lösung geben. Außerdem erklärt er, dass die Gemeinde auch Unterstützung erhalten habe.

Ende vergangenen Jahres schrieb Ralf Ulbrich einen Brief an die Eltern der örtlichen Kindergärten. Darin kündigt er an, dass in seiner Gemeinde nur noch sogenannte Nasaltests vorgenommen werden. Die Erfahrungen der vergangenen Monate mit Lolli-Tests hätten gezeigt, dass es zu falsch-positiven beziehungsweise falsch-negativen Tests gekommen sei. In einer Petition, die die Nasaltests als unnötigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Kinder bezeichnet, wird die Rückkehr zu den Lolli-Tests gefordert.

Ausführliche Stellungnahme

Die NRWZ hat Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich gebeten, die Entscheidung der Gemeinde zu erklären und auf die Petition zu reagieren. Hier seine Stellungnahme im Wortlaut:

Wir haben in Deißlingen mittlerweile weit über ein halbes Jahr Erfahrung mit den Lolli-Tests. Diese waren im Frühjahr 2021 relativ neu, sind dann aber in großer Zahl auf den Markt gekommen. Die meisten Tests haben damals eine vorläufige Zulassung als Medizinprodukt durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bekommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinerlei Auswertungen über die Wirksamkeit. Die Erfahrung der vergangenen Monate – bundesweit, aber auch in unseren Einrichtungen – haben nun gezeigt, dass die Lolli-Test in der Tat nur selten das halten, was sie versprechen. Die Fehlerquote beim Test ist als hoch zu bezeichnen, da es regelmäßig zu falsch positiven Testungen kommt, was epidemiologisch zwar die unkritischere Falschtestung ist, aus Sicht der Betroffenen aber weitreichende Konsequenzen hat: Nicht nur bei uns in Deißlingen, sondern auch in Spaichingen, Friedrichshafen und anderen Kommunen wurden in den vergangenen Wochen daraufhin Gruppen geschlossen, nur um sie nach erfolgter PCR-Testung (die an Zuverlässigkeit nicht zu überbieten ist) wieder zu öffnen. Das ist zunächst einmal für die betroffenen Familien belastend. Wir müssen aber auch davon ausgehen, dass die Fehlerquote bei den negativen Tests wohl vergleichbar groß ist, sodass viele Infektionen unbemerkt bleiben und sich ausbreiten können. Auch hier gibt es in einer unserer Einrichtungen bereits entsprechende Erfahrungen, die am Vertrauen der Eltern in die Testungen rütteln.

Durch das Testen wollen wir seit vielen Monaten in unseren Kindertageseinrichtungen die Ausbreitung von Infektionen verhindern. Und ab nächste Woche ist dies nun sogar ein gesetzlicher Auftrag, weil immer öfter auch Kindertageseinrichtungen zu Infektionsherden werden.

Das BfArM hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Zulassungen von Lolli-Test wieder zurückgenommen. Von ursprüngliche mehreren Dutzend haben aktuell nur wenige eine solche Zulassung, während es mehrere hundert andere zugelassene Nasal- und Spuck-Tests gibt. So taucht auch der in der Petition angeführte Test dort beispielsweise lediglich als Spuck-Test auf.

Auf der anderen Seite haben wir mehrfach positive Erfahrungen mit den Nasal-Tests in unseren Schulen gesammelt. Sehr zuverlässig wurden dort mehrere Positiv-Fälle herausgefiltert. Ausnahmslos alle diese Fälle wurden durch PCR-Tests bestätigt.

Das alles hat uns dazu veranlasst, als Träger zusammen mit den Leitungen unserer Kindergärten künftig ausschließlich Nasal-Test anzubieten. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass aus den Einrichtungen sowohl vom Personal als auch von den Eltern Zweifel an der Wirksamkeit der Lolli-Tests aufgeworfen wurden. So gab es auch seit der Verteilung des Elternbriefs schon eine deutliche Zahl an positiven Rückmeldungen aus der Elternschaft, die kein Problem mit der Nasal-Testung ihrer Kinder haben.

Wir werden ab nächster Woche nur noch Kinder betreuen können, die einen gültigen Negativ-Test vorweisen können. Es steht allen Eltern frei, mit Ihren Kindern alternativ zum Nasal-Test einen Spucke-Test in einem der privaten Testzentren abzulegen und das Testzertifikat mitzubringen. Sollte eines der Testzentren mit Lolli-Test arbeiten, können wir das nicht infrage stellen. Wir – und damit schließe ich alle unsere Kindergartenleitungen mit ein – sind aber von diesen Tests nicht mehr überzeugt und wollen die Tests nicht als bloßes „Feigenblatt“ benutzen, sondern um Infektionsherde in unseren Einrichtungen zu verhindern.

Ich kann nur um Verständnis für diese Maßnahme werben, die dem Schutz aller Kinder dient. Sie wird auf jeden Fall nur in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen aufrechterhalten und wird jetzt letztlich unsererseits vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Omikron-Variante als wirksamstes Mittel erachtet. Von körperlicher Gewalt gegen die Kinder und von einer Bedrohung der Unversehrtheit zu sprechen, geht in meinen Augen aber entschieden zu weit. Wir bieten den Eltern an, ihre Kinder selbst zu testen und wenn dies im anderen Fall durch unser Personal erfolgt, dann ausschließlich durch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jeder Erwachsene sollte aus eigener Erfahrung wissen, dass die Testung im vorderen Nasenbereich (und nur um die handelt es sich) keinerlei Schmerzen verursacht. Sie mag für die Kinder gewöhnungsbedürftig sein, aber das waren die Lolli-Tests im Frühjahr 2021 auch. Bereits damals gab es vereinzelt Bedenken aus der Elternschaft, die sich dann in der Anwendung nicht bestätigt haben. Wenn Eltern und ErzieherInnen entsprechend sensibel mit der Thematik umgehen und die Kinder darauf vorbereiten, sollte das auch dieses Mal der Fall sein. Wir werden aber in jedem Fall kein Kind irgendwelchem Zwang aussetzen, wenn es sich partout gegen die Testung weigert. In solchen Fällen wird es Lösungen geben, die dann aber im Einzelfall zwischen Eltern und ErzieherInnen gefunden werden müssen.

Ralf Ulbrich, Bürgermeister, Deißlingen

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