Die Landesregierung Baden-Württemberg weitet die Testpflicht an Schulen und Kitas aus. Ab dem Ende der Weihnachtsferien bis zum Beginn der Fasnetsferien (10. Januar bis einschließlich 25. Februar) werden die Testhäufigkeit erhöht und der von den Tests betroffene Personenkreis vergrößert. Das betrifft auch Kinder. Der Bürgermeister von Deißlingen, Ralf Ulbrich, hat in einem noch am Silvestertag verschickten Schreiben an die Eltern der örtlichen Kindergärten angekündigt, künftig keine sogenannten Lolli-Tests anbieten zu wollen, sondern auf Nasaltests umzusteigen. Er erntet Gegenwind in Form einer Online-Petition.
„Wir ziehen das Testnetz wegen Omikron enger und stellen für alle Nicht-Geboosterten weitere Tests zur Verfügung. So leisten wir einen weiteren Beitrag zur Sicherung des Präsenzbetriebs.“ Damit hat Kultusministerin Theresa Schopper die Politik der Landesregierung begründet. Vor allem wegen der Omikron-Variante des Corona-Virus wolle Baden-Württemberg das Testnetz an Schulen und Kitas sowie in der Kindertagespflege noch enger stricken, heißt es in einer Mitteilung des Kultusministeriums vom 5. Januar. Die „Durchführung des Schulunterrichts in Präsenz und die Aufrechterhaltung der Kinderbetreuungsangebote hat neben dem Gesundheitsschutz oberste Priorität“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Vorgearbeitet hat dem der Bürgermeister der Gemeinde Deißlingen am 31. Dezember mit einem Schreiben an die Eltern der Kindergärten der Gemeinde, das der NRWZ vorliegt. Man habe gehofft, zu diesem Zeitpunkt im Kampf gegen Corona „durch einen umfassenden Impfschutz in der Bevölkerung“ schon weiter zu sein, schreibt Ulbrich. Doch seien die Inzidenzen gerade auch in der Altersgruppe der Kitakinder sehr hoch.
Teststrategie soll beschlossen werden
In der ersten Woche nach den Ferien sollen sich alle nicht-geboosterten Schülerinnen und Schüler täglich testen lassen, wenn an ihrer Einrichtung Antigenschnelltests zum Einsatz kommen. Dies hat das Kultusministerium am gestrigen Mittwoch bekanntgegeben. Sollten PCR-Pooltests in Verwendung sein, sollen die Schulen nach Möglichkeit weitere Antigenschnelltests anbieten. Ab der zweiten Woche bis zu den Faschingsferien stehen dann drei Antigenschnelltests oder zwei PCR-Testungen für die Kinder und Jugendlichen auf dem Pflichtprogramm, wenn sie nicht geboostert sind. Ferner gilt für das gesamte nicht-geboosterte Personal an Schulen, Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege mit Start nach den Weihnachtsferien eine Testpflicht an jedem Präsenztag, wenn keine Boosterimpfung vorliegt. Über einen entsprechenden zwischen Finanz-, Kultus- und Sozialministerium abgestimmten Beschlussvorschlag werde der Ministerrat in Kürze entscheiden. „Nach aktuellen Erkenntnissen kann der Schutz durch Auffrischungsimpfungen deutlich erhöht werden“, so das Ministerium in seiner Mitteilung. Bis Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie weiteres Personal einen Booster erhalten hätten, werde also ein zusätzliches Testangebot geschaffen. „Zudem ist es wichtig, dass sich alle Betroffenen schon vor der Rückkehr nach den Ferien an Schulen, Kitas und Co. testen lassen, um die Sicherheit weiter zu erhöhen“, heißt es aus dem Kultusministerium weiter. Dies ist neben dem Aufruf zum Impfen und Boostern ein weiterer Appell der Landesregierung an die Bürgerinnen und Bürger. „Das Verhalten jedes einzeln ist mit Omikron noch bedeutender geworden.“
In Deißlingens Kindergärten keine Lolli-Tests mehr
Deißlingens Bürgermeister Ulbrich steht hinter dieser Politik. In seinem Schreiben kündigte er an, die Testpflicht wie von der Landesregierung vorgegeben, ab 10. Januar umsetzen zu wollen. Allerdings: In der Gemeinde sollen nur noch sogenannte Nasaltests vorgenommen werden. Die Erfahrungen der vergangenen Monate mit Lolli-Tests hätten gezeigt, dass es zu falsch-positiven beziehungsweise falsch-negativen Tests gekommen sei. Das Verfahren der Nasaltests sei dagegen bereits bei Schülern ab der 1. Klasse erfolgreich angewendet worden, argumentiert Ulbrich. Nasaltests zeichneten sich im Gegensatz zu Lolli-Tests durch die Anwendung im vorderen Nasenbereich aus. Es kämen keine Langstäbchen zum Einsatz, die bis in den hinteren Nasenbereich vordringen könnten.
Die regelmäßigen Testungen sollen „vor Eintritt in die Einrichtung“ vorgenommen werden. Und zwar in der Einrichtung, nicht zuhause. Allerdings könnten Eltern in Anwesenheit einer geschulten Erzieherin ihre Kinder selbst testen beziehungsweise dem Test beiwohnen. Bürgermeister Ulbrich lädt die Eltern dazu ein. Für ungetestete Kinder gelte in Kindertageseinrichtungen und -pflegestellen ein Zutritts- und Teilnahmeverbot.
Auch hier geht Ulbrich weiter als es das Land fordert. „Die Testungen können entweder vor Ort in der Kita vorgenommen werden oder zu Hause von den Eltern“, so das Kultusministerium noch Mitte Dezember 2021. In letzterem Fall müssten die Eltern der Einrichtung gegenüber erklären, dass sie der Testung nachgekommen sind und das Testergebnis negativ war. Tests von anerkannten Teststationen würden dabei auch anerkannt.
Ausnahmen von der Testpflicht
Das Land formuliert es so: „Bisher waren immunisierte Personen von der Testpflicht ausgenommen. Nach den Weihnachtsferien gilt diese Ausnahme nur noch für Personen mit einer Auffrischungsimpfung, der sogenannten Booster-Impfung, sowie für Genesene, die mindestens eine Impfung erhalten haben.“
Freiwillig können sie aber an den Testungen teilnehmen, so der Deißlinger Bürgermeister. Auch gelte die Testpflicht etwa nicht für Kinder, an denen ein COVID-19-Test aufgrund einer Behinderung nicht vorgenommen werden könne.
Impfempfehlung der STIKO
Der Druck, auch Kinder impfen beziehungsweise boostern zu lassen, wird damit erhöht. Aktuell spricht die STIKO, die Ständige Impfkommission, eine Impfempfehlung für Kinder ab dem 5. Lebensjahr aus, die an einer Vorerkrankung leiden. Sie empfiehlt Kindern im Alter von 5 bis 11 Jahren mit Vorerkrankungen die Impfung gegen COVID-19. Zusätzlich wird die Impfung Kindern empfohlen, in deren Umfeld sich Kontaktpersonen mit hohem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf befinden, die selbst nicht oder nur unzureichend durch eine Impfung geschützt werden können (etwa Hochbetagte sowie Immunsupprimierte). Ferner können auch 5- bis 11-jährige Kinder ohne Vorerkrankungen gegen COVID-19 nach entsprechender ärztlicher Aufklärung geimpft werden, sofern ein individueller Wunsch der Kinder und Eltern oder Sorgeberechtigten besteht.
Petition gestartet
Nicht gegen die COVID-19-Impfungen an sich, aber gegen die Abschaffung der Lolli-Tests in Deißlingen wehren sich Menschen online. Eine Frau, nach Informationen der NRWZ eine junge Mutter, hat eine Petition „zum Wohle und zum Schutz unserer Kinder vor weiteren unnötigen Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit“ gestartet, wie sie schreibt. Sie ruft dazu auf: „Schützen Sie die Kinder damit auch vor anderen Krankheiten, die mit einer Verletzung der Nasenschleimhaut einhergehen.“ Und: „Wir fordern die Abschaffung der Nasaltestung in allen Kindertageseinrichtungen in Deißlingen sowie die Durchführung der zugelassenen Lolli-Tests.“
An die 300 Menschen haben die Petition an diesem Dreikönigsmorgen unterschrieben, gestartet wurde sie knapp 24 Stunden zuvor. Während sich der Einflussbereich Bürgermeister Ulbrichs auf seine Gemeinde Deißlingen und die dortigen Einrichtungen beschränkt, wird die Petition dagegen überregional unterstützt. Teilnehmende stammen etwa auch aus Sigmaringen, Sindelfingen und Rottweil.
Argumente der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner – zumeist sind es Frauen:
Nichtmal darüber nachdenken, es ist eine Qual für die Kleinen. Schon die Testung bei Erwachsenen ist schmerzhaft.
Ich bin selbst Mutter von zwei Kindern. Meine Kids sind schon vom Lollitest total gestresst. Der nasale Test ist meiner Meinung nach eine Qual für die Kinder! Der Lollitest ist deutlich angenehmer für die Kinder. Also sollte dieser auch bevorzugt verwendet werden!
Die Kinder werden verängstigt und die Ergebnisse sind nicht aussagekräftig, da oft falsch positiv. Kinder erkranken von dem Virus nicht schwer, warum quält ihr sie?
Change.org
Die Corona-Verordnung Kita des Landes gebe den Verzicht auf Lolli-Tests nicht her, argumentiert die Initiatorin der Petition. Neben der richtigen Technik sei „bei Kindernasen besondere Vorsicht bei dem Einführen des Tupfers in die Nase geboten“, so die Mutter weiter. „In der Nase sitzen viele Nerven und bei jeder Testung wir die empfindliche Nasenschleimhaut der Kinder gereizt. Dies führt unweigerlich zu kleinen, oberflächlichen Verletzungen und zu einer Art Austrocknen der Schleimhaut.“ Durch die verletzte Schleimhaut gelangten Bakterien der eigenen Schleimhautflora ein und vermehrten sich. So könne es zu einer bakteriellen Infektion kommen.
In einem Punkt musste Bürgermerister Ulbrich bereits zurückrudern beziehungsweise per erneutem Schreiben an die Eltern etwas klarstellen. So hatte er in seinem Brief zum Jahreswechsel noch erklärt, die STIKO empfehle „eine COVID-19-Impfung für Kinder im Alter von 5 bis 11 Jahren.“ Da dies so uneingeschränkt (bislang) nicht stimmt, reichte Ulbrich am gestrigen Mittwoch eine Konkretisierung nach, die Einschränkung der Impfempfehlung auf Kinder mit Vorerkrankung. Im Einleitungstext der Petition wird ihm dieser Lapsus dennoch vorgeworfen.