Donnerstag, 28. März 2024

Kratziger denn je: Die hoorig Katz

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.
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Schramberg. Ein volles Haus erlebte das Stadtmuseum am Freitagabend. Kein Wunder: eröffneten doch Museumsleiter Carsten Kohlmann und sein Team eine Sonderausstellung zu Schramberg heimlichem Wappentier, der „Hoorig Katz“.

Um die Gäste standesgemäß zu begrüßen, hatte Kohlmann eine sehr frühe Version des Schramberger Narrenmarschs abgespielt. Schon nach wenigen Tönen erhob sich die Gästeschar und stimmte ein. QWenig überraschend, waren doch etliche Elferräte, Obernarren und sonst der Schramberger Fasnet eng verbundene Besucherinnen und Besucher gekommen.

Eröffnung mit historischem Narrenmarsch

Das habe es auch noch nie gegeben, Gesang des Publikums bei einer Ausstellungseröffnung, scherzte Kohlmann. Im ehemaligen Gasthaus Hammerhäusle sei ein Tonband aufgetaucht, auf der der 1952 von Walter Pfeifle komponierte Narrenmarsch zu hören ist.

Eröffnungsgäste beim Narrenmarsch. Foto: him

Kohlmann zeigte sodann ein Bild von der alten Steige, das Johannes Haller 1850 gemalt hatte. Auch da sei eine schwarze Katze schon zu erkennen. Und lustigerweise hatte die frühere Besitzerin des Bildes auf der Rückseite ebenfalls ein Fasnetsabzeichen mit einer Hoorig Katz geklebt.

Die Stadtchronik von 1856 enthält einen Eintrag vom 17. Februar. Darin ordnete die Obrigkeit an, dass der Landjäger und der Polizeidiener einschreiten sollen, wenn an der Fasnet der „unsittliche Ruf hoorig, hoorig, hoorig isch dia Katz“ ertöne.

Das Bild von Johannes Haller mit der Katze rechts unten. Im Vordergrund die Schramberger Stadtchronik von 1856. Foto: him

Katzenwagen wieder entdeckt

Heute sei die „Hoorig Katz so selbstverständlich geworden und ein bedeutender Aspekt der Fasnet“.
Bei der Arbeit für die Ausstellung sei auch der legendäre Katzenwagen aus den 30er bis 60er Jahren in den Blick geraten. Und beim Abstauben dieses Jahr hätten ihn die Obernarren in das Lager der Zunft am Schwabenhof mitgenommen, wo der Katzenwagen noch heute steht, erzählte Kohlmann.

Historische Aufnahme des Katzenwagens.

Kohlmann erinnerte an den schwarz-gelben Schal mit der Katze, den Hubert Dold 2007 erfunden habe und den die „einmalige Verkaufskanone“ Berger Sepp bis zu seinem Tod unter die Leute gebracht habe. Auf demselben Tonband wie der Narrenmarsch waren auch Aufnahmen von Katzenmusiken aus den 50er Jahren gespeichert. Auch davon gab es Kostproben, bevor Michael Zimmermann aus Schwenningen zu seinem Festvortrag anhob.

Katzenmusiker in Schramberg.

Festvortrag von Professor Doktor Michael Zimmermann

In professoral verschnörkelten und wie Katzenschwänze geringelten Sätzen, breitete der Schwenninger Geschichtswissenschaftler ein Panorama an Thesen, woher denn die Faszination und Bedeutung der Katze in ihrer schwarzen Ausprägung für die Fasnet im allgemeinen, aber die Schramberger im Besonderen, der er seit seiner Kindheit in enger Verbundenheit zugetan sei, komme, aus, nicht vergessend, in seinem Redetext auch die ein oder andere Spitze gegen eine Zunft aus dem Nicht-Schwenninger Bezirk der Doppelstadt Villingen-Schwenningen ob ihrer Reiseunlust und am Hergebrachten festhaltend, aber auch gegen andere Fasnetsforscher, die nicht seines Geistes, sprich anderer – oder besser: falscher – Meinung seien, abzusondern.

Professor Michael Zimmermann. Foto: him

Zimmermann sprach, soweit der Berichterstatter ihm folgen konnte, davon, dass die Hoorig Katz eine Symbolfigur der Schramberger Fasnet sei, und „längst die eigentliche Herrscherin der Stadt, zumindest an den Hohen Tagen“.

Katzen zogen Freyas Wagen

Er erinnerte daran, dass bei den alten Germanen zwei Katzen den Wagen der Göttin Freya gezogen haben. Er wusste unzählige Zünfte aufzuführen, die alle irgendwie mit Katzen was am Hut haben. Er berichtete von der Villinger Katzenmusik Miau, die kürzlich ihren 150. Geburtstag gefeiert habe. Dort beim Narrentreffen seien auch die Schramberger Narren vertreten gewesen und hätten das „prächtigste Bild“ geboten, lobte Zimmermann.

Er berichtete vom Rügebrauch aus dem Mittelalter, von Nacktkatzen, altägyptischen Kulten um die Katze, vom Katzenschlagen in Dänemark und dem Volksglauben, wonach die Katze „die rechte Hand des Teufels“ sei.

Katze rasiert

Auch Zimmermann zitierte aus der Schramberger Stadtchronik von 1856. Weil sie gegen das Verbot verstoßen hätten, seien damals drei Schramberger vorgeladen worden. Der Färbermeister Karl Wolber sei mit seinem Hund unterwegs gewesen und habe die Leute gefragt: Was ist der Hund? – Hoorig. Zwei andere Burschen waren angezeigt worden, weil sie beim Fasnetsball im „Lamm“ wortlos eine Katze rasiert hatten. Zwei Beispiele für zivilen Ungehorsam, der die Obrigkeit lächerlich gemacht hat.

Warum die „Hoorig Katz“ unsittlich sei? Nach langer Rede ließ Zimmermann die Katze aus dem Sack und zitierte den Volkskundler Lutz Röhrich. Die Katze gelte als Symboltier der weiblichen Vulva. Er erinnerte an die volkstümlichen Synonyme wie der deutschen „Muschi“ oder „pussy“ im englischen.

Dann ging er auf den Text des Narrenmarsches ein und wunderte sich über die Zeile: „Und wenn die Katz nit hoorig isch, gfällt se dene Maidle it.“

Von da kam er zur utopischen Forderung nach einem Anbau ans Schloss für eine Narrenabteilung und scherzte über andre mögliche Narrenrufe: Hooriger Bär oder hooriger Hund. „Oder: borschtig isch dia Sau.“ Langer Beifall.

Aktuelle Bezüge zu den Coronajahren

Kohlmann dankte seinem Team für die Unterstützung, aber auch vielen Leihgeberinnen und Leihgebern. Er freute sich, das nach zwei Jahren coronabedingter Ausfällen mit „kaum mehr vorstellbarem Ausnahmezustand“ die Rückkehr zur Fasnet möglich sei.

An diese zwei Jahre erinnerten einige Ausstellungsstücke, etwa die Coronafahne. Die Hoorig Katz, so Kohlmann abschließend, sei „auch in dieser Zeit lebendig geblieben, buckliger und kratziger vielleicht.“

Plakat von marianne Zänker. Als Postkarte im Stadtmuseum zu erwerben.
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