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„Sisters of mercy – last exhibition“

Dem Schramberger Künstler Ralf Rota Maier zum Gedenken

 „Ich bin gesund – geheilt!“ Mit diesem Ruf erhob der Künstler Ralf Rota Maier aus Schramberg noch am 29. Mai im SRH-Krankenhaus in Oberndorf am Neckar euphorisch seine Arme in den Himmel – wie die Engel, die er zuweilen malte. Gesund und geheilt war er aber leider nicht. Am 2. Juli starb der zuletzt an Lungenkrebs erkrankte Künstler kurz nach seinem diesjährigen Geburtstag im Alter von 62 Jahren in Villingen-Schwenningen.

Schramberg. Angeschlagen war Ralf Rota Maier bereits seit seinem 60. Geburtstag. Zur Eröffnung seiner Ausstellung „Tierische Zeiten“ im Stadtmuseum Schramberg am 30. Juni 2023 konnte er für ein paar Stunden das Vinzenz-von-Paul-Hospital in Rottweil verlassen, in das er damals nach einem physischen und psychischen Zusammenbruch gekommen worden war.

Alles so schön bunt hier. Ralf Rota Maier in seinem Atelier. Foto: him

An der Bruchkante des Lebens

Jo Glaser von der Musiker Initiative Schramberg (MIS) sang ihm zu Ehren bei der Ausstellungseröffnung seinen Blues „On the edge of the time“ – und alle konnten sehen, dass der Künstler an der Bruchkante des Lebens war.

Das Geburtstagsfest im Kreis vieler Freundinnen und Freunde seiner Person und seiner Kunst war aber nochmals ein Höhepunkt seines Lebens – unvergesslich für alle, die dieses außergewöhnliche Ereignis miterleben konnten.

Einmal Punk, immer Punk

Ralf Maier wurde am 30. Juni 1963 als einer von zwei Söhnen des Werkzeugmachers und späteren Versicherungskaufmanns Kurt Helmut Maier (1927 – 1993) und seiner Ehefrau Elfriede Maier (1927 – 2013) in Schramberg geboren. Gegen seinen vom Nationalsozialismus geprägten Vater rebellierte er als Punk-Rocker mit schwarzer Lederkluft und rotem Irokesenschnitt und zog mit zwei Freunden in das Szene-Gasthaus „Zodiak“. Im Punk-Rock – vor allem in der Musik der „Sex Pistols“ mit Sid Vicious (1957 – 1979) – befreite er sich von der Kleinbürgerwelt seiner Herkunft.

In den 1980er-Jahren gründete er unter dem Namen „Lier“ selbst eine Punk-Rock-Band und trat bei den ersten MIS-Festivals in Schramberg auf. Keine andere Person malte er deshalb später so oft wie Sid Vicious, dessen harte und schnelle Musik ihn zeitlebens als gestischen Maler im wahrsten Sinn des Wortes antrieb. „My brain explosions“ lautete deshalb auch der Titel einer Einzelausstellung bei Podium Kunst im Stadtmuseum Schramberg im Jahr 2020. Die selbstzerstörerische Lebensweise der Punk-Rocker nach dem Motto „Live fast, die young“ hinterließ aber auch bei Ralf Rota Maier ihre Spuren.

„Rockstar“ von Ralf Rota Maier- in der Ausstellung im Schloss im März 2020. Foto: him

Kunststudium

Am Gymnasium Schramberg erkannte und förderte der Kunstlehrer Werner Siepmann sein Begabung für die Bildenden Kunst. In den 1980er-Jahren trat er mit ersten Ausstellungen in der „Villa Junghans“ und in der AOK-Geschäftsstelle in seiner Heimatstadt hervor. Von 1989 bis 1992 studierte er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart als Schüler der Professoren Peter Grau (1928 – 2016) und Erich Mansen (1929 – 2012) aus der Generation seines Vaters.

Als „Neo-Expressionist“ sah er sich vor allem als „Mansen-Schüler“. Seinen Künstlernamen „Rota“ entnahm er einer Figur in der Schullektüre des Trauerspiels „Emilia Gallotti“ von Heinrich von Kleist (1729 – 1781) aus dem Jahr 1772. Das „o“ in seiner Signatur „Rota“ umgab er mit vier Pfeilen mit der Botschaft: „Von Schramberg in die ganze Welt“.

Ralf Rota Maier im Frühjahr 2020. Foto: him

In der Kunstwelt blieb Ralf Rota Maier aber ein weitgehend unbekannt bleibender Außenseiter, der aber gleichwohl im Lauf der Zeit in seiner Heimatstadt und ihrer Umgebung einen beachtlichen Kreis von Freundinnen und Freunden für seine Kunst gewann. Sein Hauptthema war: „Ich male fast nur Menschen. Mich interessiert der Mensch“, sagte er dazu einmal.

Gläubig

Das religiöse Werk von Ralf Rota Maier wurde dagegen zu seinen Lebzeiten kaum sichtbar. Er bezeichnete sich selbst als „gläubig“ und beschäftigte sich auf einigen seiner Bilder mit dem christlichen Symbol des Kreuzes. In dieser Werkgruppe ragt die Bild-Plastik „cross“ aus dem Jahr 2016 besonders heraus. Aber auch Engel waren in seinem Blick. 2017 malte er für die Kapelle „Mutter des guten Rates“ an der alten Steige zwei Engel, die auf dem Altar das Muttergottesbild umgeben.

Die Engel von Ralf Rota Maier aus dem Jahr 2017 in der Kapelle „Mutter des guten Rates“ an der alten Steige in Schramberg. Foto: David Kuhner

Das Foto zu Beginn dieses Nachrufes zeigt ihn daher bewusst im SRH-Krankenhaus in Oberndorf am Neckar im Zeichen des Kreuzes. Beispielhaft lebte er auch – ohne ein Glaubensbekenntnis vor sich herzutragen – den Geist der Bergpredigt: Er lebte in Armut, hatte Hunger und Durst, war ein Trauernder, Barmherziger, Sanftmütiger und Friedensstifter – auch mit einigen Bildern gegen den Krieg als Geißel der Menschheit wie seinem Triptychon „Bombenteppich“  zum Russland-Ukraine-Krieg aus dem Jahr 2022.

Wunderbare Heilung von Psychose

Von der Diagnose Lungenkrebs wollte sich der jahrzehntelange Kettenraucher nicht den Lebensmut nehmen lassen. Im Gegenteil: Wie durch ein Wunder wurde er von einer ihn in den letzten Lebensjahren belastenden Psychose noch befreit, konnte sich wie schon lange nicht mehr bewegen und wollte mit der unvermeidlichen Chemo-Therapie beginnen.

Voller Euphorie plante er zu seinem 62. Geburtstag eine Ausstellung, nachdem ihn die Krankenschwestern des SRH-Krankenhauses in Oberndorf am Neckar sein Herz berührten hatten und er ihre Herzen: „Sisters of mercy – last exhibition“ sollte sie heißen, inspiriert von der gleichnamigen britischen Rockband der 1980er-Jahre und in seinem Atelier in der Schillerstraße 105 in Schramberg zu sehen sein.

Die Bild-Skulptur „cross“ von Ralf Rota Maier aus dem Jahr 2016. Foto: Martin Kasenbacher

Die zehn Sisters of Mercy blieben ungemalt

Er hatte dazu die zehn Krankenschwestern seiner Station fotografiert und kaufte sich nach seiner Rückkehr nach Schramberg noch zehn Leinwände. Die Kraft hatte er am Ende seines Lebens aber nicht mehr dazu. Die Leinwände blieben unberührt. Zu gerne hätte man sich mit den „sisters of mercy“ über dieses Denkmal der Liebe eines sterbenden Künstlers gefreut. Der Tod war dem Gläubigen aber gnädig, wie in den letzten Tagen zu erfahren war, da er nicht am Lungenkrebs sterben musste, sondern durch einen Herzinfarkt sterben konnte.

In seiner Heimatstadt ist die Trauer um einen eigenwilligen und geradlinigen Individualisten und Künstler groß. Auf seiner Facebookseite widmete ihm die heute in Neuseeland lebende Schrambergerin Stephanie Kercher diese Zeilen, mit denen sie für viele spricht, die um Ralf Rota Maier trauern:

„In the rising of the sun and in its going down,

we remember them.

In the blowing of the wind and in the chill of winter,

we remember them.

In the opening of buds and in the rebirth of spring,

we remember them.

In the blueness of the sky and in the warmth of summer,

we remember them.

In the rustling of leaves and in the beauty of autumn,

we remember them.

In the beginning of the year and when it ends

we remember them.

When we are weary and in need of strength,

we remember them.

When we are lost and sick at heart,

we remember them.

When we have joys we yearn to share,

we remember them.

So long as we live, they too shall live, for they are now a part of us,

as we remember them.”

Bildtexte:

Abb. 1: „Ich bin gesund – geheilt!“ Ralf Rota Maier im SRH-Krankenhaus in Oberndorf am Neckar am 29. Mai 2025.

Foto: Carsten Kohlmann

Abb. 2: Die Engel von Ralf Rota Maier aus dem Jahr 2017 in der Kapelle „Mutter des guten Rates“ an der alten Steige in Schramberg.

Foto: David Kuhner

Abb. 3: Die Bild-Skulptur „cross“ von Ralf Rota Maier aus dem Jahr 2016.

Foto: Martin Kasenbacher




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