Donnerstag, 18. April 2024

Neue Rüttelstrecke B 462 – jetzt endlich sicher?

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(Meinung). Nach mehreren tödlichen Unfällen, nach ungezählten Beinahe-Kollisionen, bei denen sich Fahrzeuge lebensgefährlich eng entgegen kamen, sollte die Bundesstraße 462 zwischen Rottweil und Schramberg-Sulgen entschärft werden. Sollten Schutzstreifen zwischen den Fahrbahnen für mehr Sicherheit sorgen. Jetzt sind die neuen Markierungen aufgebracht, ist die Strecke freigegeben. Und? Ist sie sicherer? 

Es ist Mittwochmorgen. Eine Rettungskraft ruft mich an. Ein Mensch der immer wieder an Unfallstellen gerufen wird, schwer Verletzte zu versorgen, Personen aus Autowracks zu retten hat. Ein Mensch, der oft schon um das Leben eines anderen gekämpft hat, und der diesen Kampf in den dunklen Momenten verloren geben musste. 

Dieser Mensch ist enttäuscht. Die neuen Schutzstreifen auf der B 462, sie funktionierten nicht, sagt er. „Sie rütteln nicht richtig.“ Nach seiner Wahrnehmung würde auch künftig der typische Handynutzer über diese Streifen fahren, sie vielleicht leicht wahrnehmen, und dann wie gewohnt „im Gegenverkehr landen“. Mit den bekannten verheerenden Folgen. „Meine persönliche Meinung: Das war für die Katz.“

Vor allem im Bereich Dunningen sollte der Umbau Entlastung bringen, Unfälle vermeiden helfen. Der Umbau sollte die Strecke sicherer machen. Haben die Straßenbauer dieses Ziel erreicht? In den Augen des Anrufers nicht. Auch online ist schon Kritik laut geworden. Die Lobeshymnen einer der Lokalzeitungen wollen einzelne User auf deren Facebook-Seite nicht teilen. „Verschwendung von Steuergeldern“, lautet ein Vorwurf. Da gehöre eine Trennung hin, damit nicht mehr überholt werden kann. Die nächsten Unfälle würden nicht lange auf sich warten lassen, so die Befürchtung. Andere finden den Umbau dagegen gelungen.

Es ist weiterhin Mittwochmorgen, ich fahre die Strecke jetzt mal selbst ab. Die gefährlichen Abschnitte sind offenbar tatsächlich entschärft worden. Die neuen Markierungen zeigen jetzt unterschiedliche Grade der Gefahr für Überholer an. Weisen aus, wo es langsam eng wird, wo man wieder auf seiner Spur sein sollte. Und an den Abschnitten, wo Überholen schlicht Lebensgefahr bedeutet, rütteln die doppelten Linien richtig beim Darüberfahren. Handynutzer sollte das wachrütteln. In den übrigen Abschnitten geben die eng gestrichelten Doppellinien ebenfalls eine Rückmeldung, wenn man sie überfährt. Wobei es stimmt: Dort sind sie deutlich weniger wahrnehmbar.

Bürgermeister Peter Schumacher, dessen Gemeinde Dunningen von der B 462 umfahren wird und der als ehrenamtlicher DRK-Retter allzu oft bei schrecklichen Unfällen hilft, hat sich ebenfalls die Strecke angeschaut. Er könne die Einschätzung des Anrufers, des Kritikers, „nicht teilen“, sagt Schumacher der NRWZ. „In den Bereichen, wo Überholverbot herrscht und die beiden Linien doppelt durchgehend sind, ist es meines Erachtens sehr deutlich wahrnehmbar.“ Dort, wo kein Überholverbot herrscht, sind die Linien schließlich entsprechend „normal“ ausgeführt.

„Ich halte den Umbau für gelungen“, ergänzt der Dunninger Bürgermeister und DRK-Retter. „Es wird sich zeigen, ob die schweren Unfälle dadurch abnehmen.“

Doppelte Linie, rüttelnd ausgeführt: B 462 bei Dunningen. Fotos: gg

Allerdings: Die Anpassungen wurden nötig, weil bereits furchtbare Unfälle passiert sind. Die Schnellstraße wird eng geführt, es gibt auf etlichen Kilometern keine Ausweichmöglichkeit. Ungeduldige Autofahrer erleben die B 462 zwischen Rottweil und Sulgen als Prüfung. Ängstliche ebenso.

Selbstverständlich sind die Straßenbauer nicht direkt für Unfälle verantwortlich. Das ist immer der, der am Handy spielt. Oder der, der riskant und rücksichtslos überholt. Doch die Planer hätten Vorsorge treffen können. Eine räumliche Trennung der Fahrbahn, beispielsweise. Ausweichstellen. Andernorts wird es doch vorgemacht, wie es geht. Nun konnte nur noch Kosmetik erfolgen.

Doch Schumacher hat hier die Erklärung: „Natürlich wäre ein wechselnd zweispuriger Ausbau immer besser. Aber das wäre aus Gründen der Finanzierbarkeit und des Grunderwerbs Utopie.“

Fazit: Die B 462 zwischen Rottweil und Dunningen wurde entschärft, aber sie bleibt anspruchsvoll. Daher haben es die Autofahrerinnen und Autofahrer jetzt – wie überall im Straßenverkehr – selbst in der Hand. Wir müssen diese Strecke nicht ausreizen. Wir können das Handy beiseite lassen, wir können auch einmal für mehrere Kilometer einem Lkw hinterher schleichen. Ja, auch mit 70. Das nervt, aber das geht. Niemand zwingt uns, auf Teufel komm’ raus zu überholen. Eine durchgezogene Linie ist eine Mauer. Ein Überholverbot ist Gesetz. Beide gilt es zu achten. Auf dem Streckenabschnitt sind maximal 100 km/h erlaubt. Wir müssen nicht unser eigenes und das Leben anderer gefährden. 

Vielleicht wäre das der richtige Weg, künftig schwere Unfälle zu vermeiden, wenn schon die Straße nicht ausreichend sicher sein kann.

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Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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