Schon gelesen?

Schon gelesen?

Die Stadt bittet Nachbargemeinden zur Kasse

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Rottweil – Die Schulen sind der Stadt Rottweil und ihrem Gemeinderat lieb und teuer. Auch wenn sie mehrheitlich von Schülerinnen und Schülern besucht werden, die nicht hier wohnen.

Sollen nun die Städte und Gemeinden, aus denen die auswärtigen Schüler kommen, sich an den Sanierungsmaßnahmen der Schulgebäude beteiligen? Ja, sagt die Stadt Rottweil – und sieht sich in dieser Ansicht durch ein Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 6. Dezember 2022 bestätigt. Dies besagt nämlich, dass eine Schulgemeinde durchaus die Nachbarn zur Zahlung heranziehen darf, aus denen die auswärtigen Schülerinnen und Schüler kommen. Ein Nikolausgeschenk des VGH für die Stadt also.

Bei der anstehenden Sanierung des Albertus-Magnus-Gymnasiums (AMG) beispielsweise, für die 6,4 Millionen städtische Mittel (also ohne die Zuschüsse berechnet) eingeplant sind, will die Stadt 21 benachbarte Städte und Gemeinden des Umlands zur Kasse bitten. Bei der bereits abgeschlossenen, aber noch nicht abgerechneten Sanierung der Achertschule sind es sieben. Und bei der laufenden Sanierung des Droste-Hülshoff-Gymnasiums (DHG), bei der 14,5 Millionen städtische Mittel ausgegeben werden, sind es gar 24. Insgesamt etwas über zehn Millionen sollen so gen Rottweil fließen – die Stadt bittet zur Kasse.

„Bitten“ ist zunächst auch das richtige Wort – denn diese sieben, 20 respektive 24 Kommunen sollen, wie es das Schulgesetz laut Gemeinderatsvorlage vorsieht, zum Abschluss einer Vereinbarung gebeten werden, mit der sie sich zur Kostentragung verpflichten. Das ist durchaus naheliegend, denn nur etwa 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler des AMG wohnen in Rottweil – beim DHG sind es etwa 45, in der Achertschule immerhin knapp 57 Prozent.

Darüber hinaus kommen AMG-Schüler aus Aldingen, Bad Dürrheim, Bösingen, Deißlingen, Dietingen, Dotternhausen, Dunningen, Epfendorf, Frittlingen, Niedereschach, Oberndorf, Ratshausen, Schömberg, Sulz, Trossingen, Villingendorf, Villingen-Schwenningen, Weilen, Wellendingen, Zimmern o. R.. Für das DHG listet Stadtkämmerer Herbert Walter Bösingen, Deißlingen, Deilingen, Denkingen, Dietingen, Dormettingen, Dotternhausen, Dunningen, Epfendorf, Eschbronn, Frittlingen, Gosheim, Niedereschach, Oberndorf, Ratshausen, Schömberg, Schramberg, Trossingen, Villingendorf, Villingen-Schwenningen, Weilen, Wellendingen, Zimmern u.d.B. und Zimmern o. R. auf.

Das heißt nun nicht, dass die Stadt Rottweil ihre gesamten Sanierungskosten auf die Nachbarn abwälzen kann. Berücksichtigt wird bei der Berechnung auch, dass die Stadt Rottweil ja nun den Wert ihres Eigentums, also der Schulen, erhöht. Da gehen schon mal zehn Prozent ab. Die nach der Berechnung verbleibende Summe aber wird prozentual nach der Anzahl der Schüler berechnet. Auf die Doppelstadt Villingen-Schwenningen, aus der in jedem der beiden Gymnasium eine Person lernt, entfallen 33.000 Euro. Auf die Gemeinden in der Nähe natürlich deutlich mehr: Deißlingen beispielsweise soll insgesamt etwa 1,9 Millionen Euro zahlen, Zimmern 1,8 Millionen.

Das muss der Oberbürgermeister jetzt den jeweiligen Städten und Gemeinden mitteilen, deren Gemeinderäte dann darüber befinden sollen, ob eine freiwillige Vereinbarung abgeschlossen wird. Er habe sich bereits beizeiten mit den Gemeinde-Oberhäuptern in Verbindung gesetzt, sagte Rottweils OB Dr. Christian Ruf gestern dem Gemeinderat. Sollte sich eine der Gemeinden weigern, so muss die Stadt das Kultusministerium einschalten. Dann wird womöglich aus dem „Bitten“ ein „Fordern“. Aber so weit ist es natürlich noch nicht.

Ein warmer Segen also für den städtischen Haushalt – etwas über zehn Millionen Euro könnten so hereinkommen. Nicht überraschend daher, dass der Gemeinderat dieses Vorgehen einstimmig befürwortete. Und Appetit auf mehr bekam – doch auf die Frage von Hans-Peter Alf (CDU), ob man auch für frühere Schulsanierungen einen Anteil verlangen könne, gab Stadtkämmerer Herbert Walter eine klare Antwort: Was abgerechnet ist, kann nicht mehr einbezogen werden.

Die Kehrseite, die gestern nicht zur Sprache kam: Für Rottweiler Schülerinnen und Schüler, die auswärtige Schulen besuchen, müsste sich die Stadt natürlich auch an deren Sanierungskosten beteiligen.

image_pdfPDF öffnenimage_printArtikel ausdrucken
Wolf-Dieter Bojus
Wolf-Dieter Bojus
... war 2004 Mitbegründer der NRWZ und deren erster Redakteur. Mehr über ihn auf unserer Autoren-Seite.

1 Kommentar

  1. Mich würde noch interessieren, ob das juristisch auch wirklich schon austherapiert worden ist. Gibt es da keinen Ärger, wenn bspw. eine Kommune 30 Jahre wenig investiert und dann wegen ewiger Diskussion im Rat noch in eine satte Teuerung rauscht, jetzt eine Umlandgemeinde zur Kasse bittet, die zufällig in diesem Jahr 100 Schülernde dort beschulen lässt? Was ist, wenn morgen drei durchfallen und wieder auf die Realschule in der Gemeinde wechseln, dass wären ja gleich locker mal 100.000€ weniger. Gibt es da einen Stichtag, oder kann ich jetzt als Gemeinde Schülernden eine Prämie zahlen, wenn sie ganz zufällig noch in einen Ort wechseln, der „noch“ nicht saniert? Was wenn die dann nach ein paar Jahren zurückwechseln? Habe ich als zahlende Umlandgemeinde auch Mitspracherechte bezüglich Qualität? Das klingt alles ganz nett für die Gemeinden, die bisher die Kosten allein stemmen mussten, ich fürchte aber, dass das noch richtig Ärger gibt.

Kommentarfunktion ist geschlossen.