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Von Flatterbandwegen und möglichem Feiertagsandrang

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Einfach geschwind einkaufen gehen, rasch noch in den Supermarkt – das war wohl einmal. Im Landkreis Rottweil gelten wegen zu hoher 7-Tages-Inzidenz seit dem gestrigen Montag – neben einigen anderen Maßnahmen – Zugangsbeschränkungen für den nicht ohnehin geschlossenen Einzelhandel. Die Filialbetreiber vor Ort setzen auf Flatterband und Sicherheitspersonal. Einer der Supermarktbetreiber macht sich Sorgen wegen der anstehenden Feiertage. Er befürchtet einen zu großen Andrang.

Auf den ersten 800 Quadratmetern (m²) Verkaufsfläche darf sich pro 20 m² Verkaufsfläche nur ein Kunde aufhalten. Darüber hinaus darf sich nur ein Kunde pro 40 m² Verkaufsfläche aufhalten. In einem Ladengeschäft mit 600 m² Verkaufsfläche dürfen sich also maximal 30 Kundinnen und Kunden aufhalten. Bei 1.200 m² Verkaufsfläche wäre das Limit bei 50 Kundinnen und Kunden erreicht (800 m² = 40 Kundinnen und Kunden + weitere 400 m² = 10 Kundinnen und Kunden).

Quelle: Landratsamt Rottweil

Soweit die Verfügung des Landratsamts Rottweil in Bezug auf den Einzelhandel. Sie gilt seit dem gestrigen Montag, 19. April. Sichtbares Zeichen vor den Supermärkten vor Ort: Flatterbänder, die den Zugang regulieren sollen.

Die Eingangssituation in Zimmern, bei Kaufland. Etwas unübersichtlich. Zudem kreuzen sich drinnen die Wege der Kunden. Fotos: privat

Beispiel Kaufland Zimmern. Dort gibt es einen eigenwilligen Aufbau. Dort haben sie aus Gestellen, Flatterband und Warnbaken einen Zugangsbereich für ihre Kunden geschaffen, der an den Eingang eines großen Festivals erinnert, diesem aber qualitativ nicht ganz ebenbürtig ist. Schildchen versuchen den Kunden dahin gehend aufzuklären, wo und wie er denn nun in den Markt kommt. Ein Leser der NRWZ hat beobachtet: „Ich bin gerade im Kaufland Zimmern, wo der Eingang/Ausgang separiert wurde, die Kunden sich im Markt aber bereits an der Info wie gehabt begegnen. Dies ist wieder mal eine weitere Aktion, die nur für Kopfschütteln sorgt.“ Die örtlichen Verhältnisse lassen offenbar keine andere Anordnung zu als diese:

Man geht links zum Ausgang hinein und rechts zum Eingang später wieder hinaus. Sobald man durch die Tür hineinkommt, kreuzt man automatisch den Weg der herauskommenden Besucher vor der Infotheke. Die beiden jungen Securitymitarbeiter vor dem Eingang, die mehr damit beschäftigt waren, sich mit einer jungen Dame zu unterhalten, erklärten mir in einem angenervten Ton, dass dieses Hygienekonzept von der Marktleitung so angeordnet worden sei, sie selbst aber auch keine Ahnung hätten

… schreibt uns unser Leser. Daraus folgt: Man müsste den Marktaufbau drinnen umkehren. Oder eine weitere Tür einsetzen.

Bei Kaufland in Rottweil sieht das besser aus. Dort lassen sich – es ist ein Neubau – die herein kommenden Kunden von den hieraus gehenden trennen.

Das Kaufland in Rottweil. Hier hat niemand randaliert, die umgestürzten Wagen sollen das Flatterband halten und so helfen, den Kundenverkehr zu kanalisieren. Mit anderen Worten: Des g’hört so. Fotos: gg

Edeka: Nicht mehr als 100 Kunden – „ein Witz“

Maximal 100 Kunden – so viele dürfen zeitgleich aktuell den Edeka-Culinara-Markt in Rottweil besuchen. Dessen Chef, Detlev Maier, regelt das mit 100 bereit stehenden Einkaufswagen und der Pflicht für jeden Kunden, einen zu nutzen. Damit setzt er die Corona-Verordnung des Landkreises um, die in diesem Punkt wortgleich inzwischen auch von der Landesregierung erlassen worden ist für Stadt- und Landkreise, in denen die 7-Tages-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 200 über liegt.

100 Kunden – für Supermarktbetreiber Maier „ein Witz und unhaltbar vor den Maifeiertagen.“ Er rechnet vor: „Wenn die 100 Leute eine halbe Stunde brauchen, können wir rechnerisch am Tag 2600 Haushalte bedienen. Kaufland ähnlich. Die Discounter 1000 Haushalte. Das wird eng bei 10.000 Haushalten in Rottweil.“ Und die halbe Stunde sei knapp kalkuliert. So ein Einkauf könne länger dauern. Maier sieht auch Schwierigkeiten bei Metzgereien und Bäckereien. „Ein, zwei Kunden, und die sind dicht.“

100 Einkaufswagen stehen bei Edeka in Rottweil noch für Kunden bereit. Wer keinen bekommt, kann nicht rein. Fotos: privat

Kunde im Klassenzimmer

Bis kommenden Donnerstag sieht der Supermarktbetreiber noch keine Probleme, aber am Wochenende könnte es eng werden. Maier versorgt in seinem Edeka-Culinara werktags täglich 1500 Kunden und bis zu 2800 samstags. Mehr als rechnerisch nach den aktuellen Beschränkungen rein dürfen. „Das zulässige Kundenaufkommen wurde mehr als halbiert“, so Maier. „40 Quadratmeter pro Kunde ist sensationell, das ist so die durchschnittliche Größe eines Klassenzimmers …“ Wenn den Kunden „nur“ 20 Quadratmeter pro Person zugebilligt würden, könnten 160 gleichzeitig einkaufen, so Maier, „das wäre dann fast wie bisher. Damit könnte man leben und die Versorgung ordentlich abbilden.“

Kaufland will Vorgaben „pragmatisch umsetzen“

Kaufland haben wir einige Fragen vorgelegt. So wollten wir von dem Unternehmen wissen, ob die Vorgaben der Corona-Verordnung vor Ort individuell von den Filialleitern umgesetzt oder vom Unternehmen vorgegeben werden und ob eine Kontrolle stattfindet. Auch, ob es bereits Probleme gegeben hat und ob Kaufland erwartet, dass nicht alle Ihre Kunden jederzeit ungehindert werden einkaufen können, etwa weil der Andrang im Einzelfall zu groß sein könnte.

Eine Unternehmenssprecherin antwortet: „In allen Bundesländern stehen wir mit den zuständigen Behörden in Kontakt und setzen alles daran, behördlich auferlegte Zugangsreglementierungen zeitnah und pragmatisch umzusetzen. Zur Umsetzung der aktuellen Beschränkung werden wir entweder die Einkaufwagen entsprechend begrenzen und jeden Kunden bitten, einen Einkaufswagen zu benutzen oder die Kundenanzahl mit Eingangszählern erfassen. So können wir sicherstellen, dass die Vorgabe eingehalten wird.“

Appell: Nur alleine einkaufen gehen

Kaufland appelliert an seine Kunden, nur alleine einkaufen zu gehen sowie die gesamte Dauer der Öffnungszeiten zu nutzen und vor allem montags, dienstags und mittwochs einkaufen zu gehen. „Eine Ausnahme hiervon bilden Kunden, die bewegungseingeschränkt sind beziehungsweise Mütter oder Väter mit kleinen Kindern“, so die Unternehmenssprecherin. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen werde man, wenn notwendig, durch Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten unterstützt.

„Viele notwendige Verhaltensregeln haben sich mittlerweile gut eingespielt“, so die Kaufland-Sprecherin abschließend. „Die Kunden tragen eine Maske und achten darauf, die entsprechenden Abstands- und Hygieneregeln während des Einkaufs einzuhalten.“

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

4 Kommentare

  1. Ich finde es sehr löblich, dass Menschenleben gerettet werden sollen, dadurch, dass im Culinara darauf bestanden wird, dass man, wenn man abends 19.30 den fast leeren Markt zu zweit betritt auch zwei Einkaufswagen benützen muss.

    Vielleicht sollte man sich aber auch mal Gedanken darüber machen, ob das nicht völlig sinnfrei ist.

    Die Vorschrift des Landes kenne ich schon, aber da steht nichts von Einkaufswagen, sondern von Personen pro qm.

    Von anderen Kunden musste ich mich dann noch anpflaumen lassen, das sei doch kein Problem, jetzt noch einen Einkaufswagen zu holen, ich solle mich halt anpassen und da müsse man jetzt durch.

    Ich bin zunehmend genervt und erschrocken über die um sich greifende Herdenmentalität, offensichtlich sinnlose Anweisungen zu befolgen. Kritisch nachfragen nicht erwünscht. Selber denken nicht erwünscht.

    Das macht mir noch mehr Angst als das Virus.

    • Hallo, Frau Löffler,

      gestatten Sie mir, dass ich Ihnen hier antworte, eigentlich als Privatperson. Was Sie anschneiden, ist wichtig. Aus meiner Sicht am Ende gar entscheidend: Schaffen wir es, gemeinsam das Virus zu besiegen, oder schaffen wir es nicht? Schaffen wir es, uns an – teils vielleicht unter Umständen auch sinnfreie – allgemeine Regeln zu halten, oder schaffen wir es nicht? Können wir einmal uns selbst hintanstellen, mal für die Gemeinschaft denken und handeln? Können wir vielleicht manche Dinge einfach tun, statt sie zu hinterfragen, zu kritisieren, zu verweigern und am Ende doch nur auf die individuelle, die persönliche Ausnahme hinzuarbeiten?

      Ich finde es auch sehr löblich, dass der Betreiber des Rottweiler Edeka-Culinara Regeln aufgestellt hat, die Menschenleben schützen sollen. Punkt. Mehr muss man eigentlich nicht dazu sagen. Jetzt müssen wir uns nur daran halten.

      Aber es soll Sie ja nicht betreffen, Sie wollen die Ausnahme sein. Sie kommen also zunächst zu zweit in den Markt, was unnötig ist. Wenn zur selben Zeit maximal 100 Personen einkaufen dürfen, nehmen diejenigen, die nicht alleine einkaufen gehen wollen, anderen den Platz weg. Aus Egoismus.

      Zudem kommt einer von Ihnen ohne Einkaufswagen, obwohl der Betreiber dies als Maßnahme vorsieht, die Kunden zu zählen – das müssen Sie übersehen haben, denn Sie halten die Maßnahme ja für sinnfrei. Sie sind damit nicht die einzige, den lieben langen Tag müssen die Leute vom Edeka ihre Kunden dazu anhalten, jetzt eben einen Einkaufswagen zu benutzen. Sehen viele nicht ein. Haben alle eine Ausrede. Stellen alle eine Ausnahme dar, ebenfalls aus reinem Egoismus. Was ist dann aber mit den Leuten, die im Pulk, als Familie kommen? Sind diese in Ihren Augen auch eine Ausnahme, die nur einen Wagen brauchen? Oder wo legen Sie die Grenze? Und warum dort?

      Und Sie hinterfragen – hier eine Anordnung des Hausherrn des Edekamarktes. Nicht eine Landes- oder Bundes-Verordnung, sondern eine örtliche Maßnahme. Das darf der Mann, er hat das Hausrecht. Und er verlangt doch beileibe keine unerfüllbare Sache von Ihnen – sondern nur, dass Sie bitte einen Einkaufswagen nutzen sollen. Und zwar gültig für den gesamten Tag, nicht nur bis 19.30. Und nicht nur für lockige Singles unter 25, beispielsweise. Sondern für alle.

      Ich bin zunehmend genervt von Menschen, die jede Anordnung höchstpersönlich auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen wollen, und die doch nur eines im Sinn haben: eine Ausnahme zu erreichen. Ich bin zunehmend erschrocken über die Bockigkeit einiger, die nicht im Sinne der Gemeinschaft handeln können.

      Was mich auch nervt, ist, dass sämtliche Maßnahmen nur auf Fehler abgeklopft werden. Nicht auf ihren Sinn. Auf das Positive. Und dass diejenigen, die sich dem Schicksal fügen und sich an die Regeln halten, gleich wieder als unkritische Herde, als Schlafschafe bezeichnet werden.

      Mein Ansatz hier wäre der gewesen: Ich gehe alleine zum Einkaufen und nehme den Hinweis anderer, dass ich jetzt eben einen Wagen brauche, als Verweis auf einen Fehler, den ich gemacht habe. Ich würde mir angesichts des geringen Betriebs im Laden dann denken, dass es gut auch ohne den Wagen gegangen wäre. Aber was soll’s, hab‘ ich eben auch einen. Wie alle. Aus Solidarität. Weil wir alle zusammenhalten.

      Dass so viele aber nur auf ihren eigenen Vorteil pochen, das macht mir mehr Angst als das Virus.

  2. Also wenn mehr Heimlieferservice angeboten würde im Kreis würden das sicher auch viele in Anspruch nehmen. Persönlich habe ich wenig Lust eine Stunde Schlange zu stehen – grade in einer Pandemie. Insgesamt ist die Sinnhaftigkeit den Verkehr vor der Türe zu stauen mehr als fragwürdig. Wem soll das etwas helfen? Statt 15 Minuten schnell was kaufen soll man jetzt 45 Minuten am Ort verweilen? Da muss man sich ja schon an den Kopf fassen.

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