Ruja Ignatova, die Kryptoqueen, lebt. Davon ist der Londoner Rechtsanwalt Dr. Jonathan Levy überzeugt. Der Grund: Ein Gericht in Dubai hat 50 Millionen US-Dollar freigegeben, über die Ignatova verfügen kann. Ein Anwalt, Mimoun Madani, den das Gericht als ihren Vertreter anerkannt habe, habe diese Summe in ihrem Namen kassiert. Eine solche Vollmacht einer Toten mache aber keinen Sinn. „Madani und die Anwälte sollen Ruja das Geld geben, denn wenn Ruja tot ist, taugt die Vollmacht nichts“, erläutert Levy in einer Mail an die NRWZ.
Schramberg. Levy, der nach eigenen Angaben zahlreiche Opfer des OneCoin-Betrugs vertritt, hat am Montag, 11. November einen langen Brief an das bulgarische Justizministerium geschrieben.
Darin bittet er das Ministerium, drei weitere Personen in die strafrechtlichen Untersuchungen zu OneCoin aufzunehmen: Die beiden heutigen Hauptfiguren im heutigen OneCoin-Geschäft Georgi Dimitrov G. und Ventsislav Ivov Z. Außerdem möge man den Schweden Pehr K. ebenfalls mit einbeziehen. Die drei würden den Betrug einfach weiterführen und neue Opfer ausnehmen.
Außerdem fordert er die bulgarischen Behörden auf, die OneCoin-Vermögenswerte in Bulgarien einzufrieren und entsprechend von EU-Richtlinien ein Entschädigungsverfahren für die OneCoin-Opfer einzuleiten.
Und schließlich bittet er die Justizministerin, den Generalstaatsanwalt darüber zu informieren, dass ein Gericht in den Vereinigten Arabischen Emiraten Ruja Ignatova fast 50 Millionen US Dollar zugesprochen habe. Geld, das eigentlich den OneCoin-Opfern zustünde.
Geht der OneCoin Betrug weiter?
Levy führt aus, dass mutmaßlich Georgi G. und Ventsislav Z. allein mit der angeblichen Überführung von OneCoins auf die neue Polygon Blockchain ihre Opfer um weitere mindestens 75 Millionen Dollar erleichtert hätten. Die beiden hätten den etwa 3,7 Millionen OneCoin-Konteninhabern erklärt, sie müssten auf die neue Blockchain wechseln, sonst wären ihre Coins und Konten unwiederbringlich verloren. Etwa 1,1 Millionen Kontoinhaber haben den Wechsel nach OneCoin-Angaben tatsächlich vollzogen. Überprüfen kann die NRWZ das nicht.
Für das Wechseln hätten die Opfer zwischen 50 und 100 Dollar „Gebühren“ bezahlt, so Levy. Er beruft sich auf zwei Whistleblower, die bis Dezember 2023 für OneCoin in gehobenen Positionen gearbeitet hätten. Damals sei den beiden klar geworden, dass Ventsislav Z. und Georgi G. „nicht den Besitzern von OneCoins helfen, sondern lediglich sich selbst bereichern wollten“.
Die beiden Whistleblower, deren Namen Levy im Schreiben, das der NRWZ vorliegt, geschwärzt hat, hätten außerdem berichtet, die beide OneCoin-Chefs hätten nie vorgehabt, die OneCoins irgendwie werthaltig zu machen. Entsprechendes Material seien „Falschdarstellungen einschließlich des falschen Preises von etwa 42 Euro pro Token“.
Schließlich behaupteten die beiden Whistleblower, Ventsislav Z. und Georgi G. hätten „Schutzzahlungen an bulgarische Regierungsbeamte geleistet, um weiter ihre kriminelle OneCoin- Organisation betreiben zu können“. Außerdem wollten sie die Illusion erzeugen, OneCoin arbeite von Vietnam und aus der Schweiz aus, „um so Steuern in Bulgarien zu vermeiden“. Überprüfen kann die NRWZ das allerdings nicht.
Zum dritten Mann, dem Schweden Pehr K., stellt Jonathan Levy fest, dieser habe einst an vierter Stelle in der OneCoin-Hierarchie gestanden. K. sei nie angeklagt worden, obwohl er selbst zugegeben hätte, er besäße zehntausende Bitcoin, die er aus seinen OneCoin-Einnahmen gekauft habe.
K. sei reich geworden, habe Steuern vermieden und Geld gewaschen. Unter anderem habe er sich an einer neuen Kryptowährung, Mingo, beteiligt, die wiederum mit dem Boxer Tyson Fury in Verbindung stünde.
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Soweit ist Levys Schreiben an „die liebe Ms. Kovacheva“ erwartbar, nicht sehr überraschend. Doch dann kommt sein Hinweis auf ein Gerichtsverfahren in Dubai: „Am 24. August 2024 hat das Kassationsgericht von Dubai offenbar den Inhalt eines eingefrorenen Kontos bei der Mashreq-Bank im Wert von etwa 50 Millionen Dollar für Ruja Ignatova frei gegeben.“ Dieses Geld sei Ignatova zugesprochen und von ihrem Vertreter Mimoun Madani in Empfang genommen worden.
Das Gericht habe die von Ruja Ignatova auf den Seychellen ausgestellte Vollmacht für Madani akzeptiert, „trotz ihrer zweifelhaften Herkunft“, wie Levy der NRWZ schreibt. Sowohl das Gericht als auch Levy gehen davon aus, dass Madanis Vollmacht falsch war. Der Notar, der die Bestätigung erteilt hatte, hat Levy gegenüber zugegeben, dass er tatsächlich nie gesehen habe, dass Ignatova das Dokument unterschrieben hat.
Levy hat die Bank, die Behörden in den USA, den Seychellen und in Dubai informiert. Auch das Gericht in Dubai habe seine Zweifel an der Vollmacht Madanis geäußert – und dennoch Madani die 50 Millionen im Namen von Ignatova zugesprochen, so Levy zur NRWZ.
Was denn mit den 50 Millionen Dollar geschehen sei, haben wir Levy gefragt. Seine Vermutung: „Wir wissen, wohin Sebastian Greenwoods Geld aus Dubai geflossen ist. Rujas wird wahrscheinlich auf demselben Weg über Kopenhagen gewaschen werden.“
Mutmaßliche Geldwäscher unter sich?
Zur Erinnerung: Sebastian Greenwood, Ignatovas Partner im Bett und bei OneCoin, hatte aus seiner New Yorker Gefängniszelle raus es geschafft, einen Scheck über 20 Millionen Dollar bei einer Bank in Dubai einlösen zu lassen. Dafür hatte er eine Generalvollmacht an Ahmed Abdo Hajj Mohamed Aldubaili ausgestellt. Beglaubigt am 14. März 2021 vom Notar in Dubai.
Dieser Aldubaili war bis September 2021 für die in Kopenhagen ansässige Firma Sequoyah Vaulting als Officer tätig. Sequoyah ist eine dänische Gold- und Diamantenhandelsfirma, die außerdem Safes anbietet als eine „diskrete und sichere Alternative, um Wertsachen aufzubewahren“, wie es auf der Homepage heißt.
Und Aldubaili war Anteilseigner an der Firma.
Ahmed Aldubaili hat aber nicht nur nach Dänemark Beziehungen, er darf auch in Bulgarien wohnen, da er mit einer Bulgarin wohl verheiratet ist, wie der Journalist Nickolay Stoyanov berichtet.
Der Chef des Unternehmens, Dennis Sodelius Lindberg, war im Jahr 2019 im Kosovo wegen Geldwäsche vor Gericht gestanden. Es ging um hunderttausende Euros aus – na was wohl? – OneCoin Geldern, wie damals eine Zeitung aus Pristina und dann auch BehindMLM berichtet haben.
Gelder von Greenwoods Konten in den Vereinigten Arabischen Emiraten seien an Aldubaili geflossen, schreibt Levy der NRWZ. Dann verschwanden sie, obwohl es zu der Zeit eine Beschlagnahmeverfügung eines US-Gerichts gab. „Ab hier wird die Spur kalt.“
Levy versichert, die US-Behörden seien informiert gewesen. Zum Zeitpunkt von Greenwoods Verurteilung vor einem Jahr sei dazu aber nichts verlautet.
Über diesen Ahmed Aldubaili, der schon Greenwood geholfen haben soll, so vermutet es Levy, könnten Ignatovas im August freigekommene in 50 Millionen Dollar ihren Weg aus Dubai über Kopenhagen nach Bulgarien gefunden haben.
Was ist mit den 230.000 Bitcoin?
Hintergrund des juristischen Tauziehens in Dubai war ein angeblicher Vertrag, den Ignatova mit Sheik Saoud Faisal al Qassimi 2017 geschlossen haben soll. Damals soll Ignatova ihre in Dubai gesperrten OneCoin-Konten im Wert von etwa 50 Millionen Dollar an Al Qassimi verkauft haben. Im Gegenzug habe sie vier USB-Sticks mit 230.000 Bitcoin erhalten.
Das Kassationsgericht in Dubai hat nun entschieden, die Kontensperre aufzuheben. Gab es den Bitcoin-Deal vielleicht gar nicht? Levy schwankt. Er schreibt der NRWZ, man könne „nicht ausschließen“, dass es die 230.000 Bitcoin doch gibt. Die merkwürdigen Gerichtsverhandlungen in Dubai könnten vielleicht nur dazu dienen, dieses riesige Vermögen zu verschleiern, vermutet Levy. Die NRWZ kann das allerdings nicht überprüfen.
Diese vier USB-Sticks wären heute etwa 19 Milliarden Euro wert. „Leute machen verrückte Dinge, um an eine solche Menge Geld zu kommen“, schreibt Levy. Dass es die 230.000 Bitcoin gebe, habe Al Qassimi bestätigt.
Das sei auch an Transaktionen, die es gegeben habe, ablesbar. Solche „Scheingerichtsverfahren“, wie das in Dubai im August, seien „eine gute Möglichkeit, die 19 Milliarden Euro verschwinden zu lassen – genau wie die anderen Millionen von den eigentlich eingefrorenen Bankkonten“, schließt Levy.