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Mehrere Unfälle an ein und derselben Stelle auf der A 81 – aber keine „Unfallhäufungsstelle“

Es ist ein Autobahnabschnitt wie viele, viele andere in Deutschland: eine Gerade zwischen zwei leichten Kurven, ein Waldgebiet wechselt zu einem Industriegelände, eine Brücke überspannt die Fahrbahn. Keine Besonderheiten. Und doch sind genau dort, auf der A 81 Singen-Stuttgart zwischen Oberndorf und Sulz am Neckar bereits mehrere Unfälle geschehen, schon drei allein in diesem Jahr. Jedes Mal verließ der Wagen die Fahrbahn nach rechts, raste in die Böschung und blieb dort schwer beschädigt liegen. Ist das also eine „Unfallhäufungsstelle“? Nein, sagt die zuständige Autobahn GmbH.

Unfall am 19. März 2025.
Unfall am 9. Juli 2025.
Unfall am 14. Juli 2025. Alle Fotos: Peter Arnegger

Die A 81 Singen-Stuttgart. Ein kurzes Stück auf Höhe Vöhringen. Dreimal passierte es allein 2025 – und zwar an genau diesem Abschnitt der Autobahn, fast auf den Meter genau:

  • 19.03.2025: Ein Seat kommt von der Autobahn ab, durchfährt einen Wildschutzzaun und überschlägt sich neben der Autobahn. Der Fahrer wird schwer verletzt, er muss von der Feuerwehr aus dem Fahrzeugwrack befreit werden.
  • 09.07.2025: Ein BMW X3 kommt an genau derselben Stelle von der Autobahn ab. Diesen Unfall übersteht der Fahrer glücklicherweise unverletzt. Entgegen ersten Befürchtungen wurde er nicht im Fahrzeug eingeklemmt, vielmehr konnte er den Wagen laut Polizei selbstständig verlassen.
  • Und der 14.07.2025: An diesem Tag kommt ein weiterer BMW X3 an dieser Stelle von der Fahrbahn ab. Die Einsatzkräfte fanden nur noch ein Wrack vor. Der Wagen hatte die Fahrbahn verlassen, rechts einen Wildschutzzaun überquert und ist dann völlig demoliert und kopfüber an einem Baum liegen geblieben. Eines der Räder wurde dabei abgerissen. Der Wagen hatte sich laut Polizei mehrfach überschlagen. Glücklicherweise war der Fahrer nach diesem Unfall „wach und ansprechbar“, wie der Einsatzleiter der Feuerwehr damals der NRWZ sagte.

Die Polizei, die nach diesen Unfällen ermittelt, kommt zu zwei unterschiedlichen Ursachen. Zweimal war nicht angepasste Geschwindigkeit schuld, einmal, am 9. Juli, hatte der Unfall einen medizinischen Grund. Dennoch mutet es seltsam an, wenn ein kurzer Abschnitt so häufig Schauplatz schwerer Crashes wird. Auch die Einsatzkräfte haben sich beim dritten Unfall dieser Art darüber gewundert. Ob da wohl eine Wasserader liege, fragte eine Rettungssanitäterin mehr im Spaß.

Eine belastbare Theorie hatte niemand. Auch die Polizei nicht. Und man macht sich im zuständigen Präsidium keine größeren Sorgen. „Nachdem in den letzten Jahren kein vergleichbarer Unfall sich hier ereignet hat und es bei einem der aktuellen Unfälle um einen Unfall aufgrund eines Gesundheitsproblems zum Unfall gekommen war, würden wir das nicht als gehäuftes Auftreten werten“, schreibt ein Sprecher des Konstanzer Polizeipräsidiums auf Anfrage der NRWZ.

Ohnehin würden sogenannte Unfallhäufungsstellen auf den Autobahnen nicht mehr von der Polizei ausgewertet. Dies macht die Autobahn GmbH als Trägerin und Betreiberin der Schnellstraßen. Allerdings stehen diese unter besonderer Beobachtung der Polizei: „Die Autobahn ist im Gegensatz zu anderen qualifizierten Straßen eine Straßenart mit sehr viel Gefahrenpotenzial“, so der Sprecher des Präsidiums, „insbesondere wegen der hohen Geschwindigkeiten, die dort gefahren werden.“ Und er ergänzt: „Da in dem besagten Bereich regelmäßig Baustellen eingerichtet werden, sei dieser Teil der BAB immer öfter im speziellen Fokus von uns.“

Dreimal kracht es an derselben Stelle, doch auch die Autobahn GmbH gibt sich gleichermaßen unbesorgt: „Der genannte Bereich ist nicht als Unfallhäufungsstelle bekannt.“ Es gebe keine verkehrstechnische Erklärung, warum es innerhalb der letzten Monate zu der Häufung kam. „Zumindest ein Unfall ist auf einen medizinischen Grund zurückzuführen“, sagt auch eine Sprecherin der Autobahn GmbH. Deren Niederlassung Südwest ist verantwortlich für rund 1050 Kilometer Autobahn in Baden-Württemberg (ohne A7 und A96), in Teilen von Hessen und von Rheinland-Pfalz. In diesem Bereich steht sie nach eigenen Angaben mit den zuständigen Polizeibehörden im regelmäßigen Austausch, um eventuelle Unfall- und Gefahrenlagen frühzeitig zu erkennen. Anhand der einzelnen Unfallberichte versuchen Autobahn GmbH und Polizei bei diesen Verkehrsschauen charakteristische Unfallursachen zu erkennen und passende Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen.

Die nächste turnusmäßige Verkehrsschau, bei der auch dieser Streckenabschnitt wieder bewertet wird, an dem es nun gleich dreimal passiert ist, findet im Zeitraum Herbst 2025 bis Frühjahr 2026 statt. „Sollte die Polizei vorher eine Unfallhäufungsstelle erkennen, würde eine anlassbezogene Unfallkommission einberufen werden, um diese Stelle gemeinsam zu überprüfen und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen einzuleiten“, ergänzt die Sprecherin der Autobahn GmbH. (Wobei die Polizei ja schon schrieb: „Unfallhäufungsstellen auf den Autobahnen werden nicht mehr von der Polizei ausgewertet. Dies macht die Autobahn GmbH.“)

Einfach die Geschwindigkeit an dem Teilstück begrenzen – das geht nicht. „Aufgrund der übergeordneten Verkehrsbedeutung von Autobahnen können Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen gemäß § 45 Abs. 9 StVO nur dann angeordnet werden, wenn sie zwingend geboten sind“, heißt es seitens der Autobahn GmbH. Im Wortlaut: Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung […] erheblich übersteigt. Vor Anordnung müssen Polizei und Straßenbaulastträger (Autobahnmeistereien/Betriebsdienst) beteiligt werden. Die Entscheidung trifft dann die Verkehrsbehörde der Autobahn GmbH.

Tödlicher Unfall am 19. September 2021 (siehe unten). Foto: privat

Schon früher verunfallten Menschen auf der A 81 zwischen Oberndorf und Sulz. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz hat recherchiert und folgende Unfälle im Nahbereich dieser genannten Stelle gefunden:

  • Während der Fahrt mit einem Transporter zwischen den Anschlussstellen Oberndorf und Sulz verschluckt sich ein Fahrer eines Transporters am 23. Februar 2021 beim Kaffeetrinken und verursacht infolge eines Hustenanfalls einen Unfall. Der 50-jährige Mann war mit einem Peugeot Boxer kurz vor 8 Uhr etwa auf Höhe Vöhringen auf der A81 unterwegs, als es zu dem Unfall kam. Bei dem Hustenanfall verlor der 50-Jährige die Kontrolle über den Boxer, streifte zunächst die Mittelschutzplanke und kam dann nach rechts von der Autobahn ab. Dort überfuhr der Transporter einen Wildschutzzaun und blieb mit einem Sachschaden in Höhe von rund 5000 Euro auf einem angrenzenden Feldweg stehen. Der 50-jährige Fahrer hatte Glück und blieb unverletzt.
  • Am 19. September 2021 kommt ein 46-Jähriger zwischen den Anschlussstellen Oberndorf und Sulz in einer langgezogenen Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab und kollidiert mit seinem Wagen mit einem Brückenpfeiler. Der 46-Jährige zog sich hierbei lebensgefährliche Verletzungen zu und verstarb noch an der Unfallstelle. Im Fahrzeug befanden sich zudem die beiden 6 und 8 Jahre alten Kinder des Fahrers. Beide Kinder wurden schwer verletzt und zur weiteren Behandlung in Kliniken verbracht. Zur Ermittlung der Unfallursache befanden sich Beamte der Verkehrspolizei Zimmern vor Ort. Es entstand Sachschaden in bislang unbekannter Höhe.
  • Am 26. Juli 2023 kommt es etwas weiter nördlich zu mehreren Unfällen, bei denen Blechschäden die Autofahrer bei Starkregen und auf der regennassen Fahrbahn die Kontrolle über ihre Wagen verloren haben. Die Polizei warnte damals: „Bei Starkregen und/ oder bei auftretenden Aquaplaning gehen Sie vom Gas! Verringern Sie ihre Geschwindigkeit deutlich!“



Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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