Auf verbotenen Wegen: Mit Ruf & Co. über die Rottweiler Landesgartenschau-Baustelle

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Noch drei Jahre, dann startet die Landesgartenschau Rottweil. Klar, dass da längst am Projekt gearbeitet werden muss. Wie die Arbeiten laufen, davon kann man sich als unbeteiligter Privatmensch kaum ein eigenes Bild machen, denn auf den Baustellen gilt „Betreten verboten“. Deshalb bietet die Stadtverwaltung Führungen an. Am Samstag fanden drei statt, die Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf höchstpersönlich leitete. Er ist, ebenso wie seine Begleiter, intensiv mit dem Thema vertraut und sieht das Projekt trotz aller Emotion als „unfassbar komplex“ an. Als eine „stetige Herausforderung“.

50 Leute pro Führung

Es ist Samstagmorgen, 9.48 Uhr. Zwölf Minuten vor Führungsbeginn kommt der OB. Sein 1er BMW findet noch einen Stellplatz, einen der letzten verfügbaren am ehemaligen ENRW-Verwaltungsgebäude in der Au. Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Führung sind schon da. Das Interesse ist groß, jeder der drei an diesem Samstag angebotenen Rundgänge über das künftige Landesgartenschaugelände ist mit 50 Teilnehmern ausgebucht. Laut der Koordinatorin Miriam Ruess waren die Plätze innerhalb von zwei Tagen nach Veröffentlichung vergeben. Um es gleich vorwegzuschicken: Es wird einen weiteren solchen Tag mit Führungen noch vor dem Sommer geben.

Dies wird kein detaillierter Fachbeitrag …

Und um noch etwas gleich vorwegzuschicken: Dieser Artikel kann kein Fachbeitrag sein über den Stand der Projektplanung und -umsetzung. Wie Ruf schon den Versammelten sagte: Er könne stunden-, ja tagelang über das Projekt Landesgartenschau Rottweil 2028 sprechen. Es sei „unfassbar komplex“ und niemals in die für jede der Führungen vorgesehene Zeit von zwei Stunden zu packen. Zumal Ruf auch noch Fachleute dabei hatte, Ingenieure, die, einmal drin im Thema, im wahrsten Wortsinne gestoppt werden müssen, um zum Ende zu kommen. Wer sich mit dem Projekt auseinandersetzen möchte, findet etwa unter www.rw2028.de eine gute erste Anlaufstelle. Oder er kann im Büro der Landesgartenschau Rottweil 2028 gGmbH vorbeischauen, das sich in der Hochbrücktorstraße 26, in der ehemaligen Commerzbank-Filiale befindet. Oder an einer der nächsten Führungen teilnehmen – das tun einige übrigens mehrfach. Einerseits, weil sehr viele Informationen geboten werden, die man an einem knappen Samstagmorgen gar nicht aufnehmen kann. Andererseits, weil sich das Projekt stetig weiterentwickelt.

Jedenfalls: Elegant im Sakko und mit gar nicht so dreckfesten Schuhen taucht OB Ruf an diesem Morgen auf. Das vermittelt sogleich: Er wird hier nicht den Entertainer geben, er wird weiter als Verwaltungschef auftreten. Er wird Wissen vermitteln, ist nicht zur Bespaßung hier. Aber er gibt sich bürgernah, begrüßt jede und jeden der Anwesenden persönlich mit Handschlag, hat für die eine oder den anderen auch ein paar individuelle Worte. Der Altersdurchschnitt unter den Teilnehmenden liegt bei, sagen wir, gut über 60. Manchmal seien auch ein, zwei Familien dabei, berichtet Ruess von der Landesgartenschau-GmbH. Fünf oder sechs dieser Führungstage gab es bereits, zum zweiten Mal nun geht es auf die Baustelle am früheren Neckarwehr in der Au, hinter dem ehemaligen Gelände der ENRW.

Mit dem Neckar und den Fischen darin bestens vertraut

Doch, nein, zunächst geht es in die entgegengesetzte Richtung. Zur Wendeplatte hoch, von der aus man einen guten Blick auf einen Teil der laufenden Umbaumaßnahmen hat. Dort könnten neben den obligatorischen Warnwesten eigentlich auch schon Kaltgetränke und Häppchen gereicht, Stühle bereitgestellt werden, denn der OB und die ihn begleitenden Ingenieure werden dort erstmals in ihr Thema eintauchen. Tief, für den Laien jedenfalls sehr tief. Ingenieure, eben, die Spaß an ihrem Job haben und die ihre Freude gerne weiterreichen wollen. Man bringe Zeit mit.

Es ist dies an diesem Samstag etwa der Gewässerexperte Peter Geitz, der schon für die Landesgartenschau Wangen gearbeitet hat, der vom Neckar wie von einem lebendigen Wesen mit eigenem Willen spricht, der die Verhaltensweisen von Aal, Äsche, Barbe und so weiter kennt wie andere den Werdegang ihrer Kinder nicht. Geitz, der mit einem Oldtimer-Spider anrauscht wie ein Lebensgenießer und das Projekt Landesgartenschau und den damit verbundenen massiven Umbau des Neckars am Fuße der alten Stadt erklärt wie ein Jobgenießer. Dieser Geitz beschreibt später, mit welchen Tricks er als Ingenieur-Biologe arbeitet, um das neu angelegte Ufer des Neckars zu sichern. Mit Weiden, Erlen, Eschen. Und wo sie tausende dieser Eschen herhaben, nämlich definitiv nicht vom Gartenbaucenter. Sie verwenden die Hölzer, um das neue Neckarufer so zu befestigen, dass dort dauerhaft keine Erosion mehr stattfindet. Außer, der Biber findet die Hölzer zu lecker … Aber das sei ein anderes Thema, auf das er ein anderes Mal eingehen wolle.

Unglaublich viel zu berichten

OB Ruf wiederum nutzt die Führungen, um für Verständnis und Unterstützung für die vielen Baustellen in der Stadt zu werben. Immerhin handele es sich bei der Landesgartenschau 2028 um ein umfangreiches Stadtentwicklungsprojekt, das den Menschen auch über das Veranstaltungsjahr hinaus Verbesserungen bringen solle und werde – als Naherholungsgebiet am Stadtrand, etwa. Wie erwähnt: Ruf könnte eigentlich da auf der Anhöhe in der Au stehenbleiben. Es würde der Tag gehen und die Nacht kommen und gehen und ein neuer Tag anbrechen, und er könnte immer noch berichten. Es gibt, ganz offensichtlich, unglaublich viel zu planen, zu beachten, richtig zu machen und dann zu erzählen. Er kann auf dieser Anhöhe in der vorgegebenen Zeit – manche der Besucher wollen noch auf den Wochenmarkt und davor die verbotene Baustelle betreten – nur ein paar Stichworte liefern. Diese hier wiederzugeben, bringt zudem nichts, weil sie unterfüttert werden müssten. Entschuldigung.

Das ganze Projekt sei, so Ruf, eines, für das man dauernd umplanen, kreativ reagieren und hemdsärmelig handeln müsse. „Eine stetige Herausforderung.“ Aber der OB berichtet sehr gerne darüber, lässt jede Nachfrage zu, beantwortet und weiß alles aus dem Kopf, benötigt keine Notizen, schüttelt die Details aus dem Ärmel, kennt das Projekt aus dem Effeff. Außer vielleicht ein Detail: Die Zahl der erwarteten Besucherinnen und Besucher im Rahmen der Landesgartenschau 2028 in Rottweil nennt Ruf nicht. Es werde „eine Vielzahl kommen“, sagt er. Begründung: Auf eine Zahl werde man festgelegt, den einen sei sie zu niedrig, den anderen zu hoch, keinem sozusagen recht. Also lässt er die Finger davon.

Viel zu sehen und zu hören

10.50 Uhr heißt es endlich: „Richtung ENRW!“ Und damit auf die Baustelle, den verbotenen Weg entlang. Die Leute bringen ihre Jacken zu den Autos. Die Sonne scheint freundlich wärmend auf die beträchtlich große Gruppe. Ingenieur-Biologe Geitz kündigt lächelnd an: „Sie müssen nachher einen Rundumschlag über naturnahen Wasserbau über sich ergehen lassen.“ Die Hobby-Ingenieure im Publikum schreckt das nicht ab, sie folgen den Ausführungen der hauptberuflichen gebannt. Ein Mann mit Dackel nutzt den Moment, den Hund etwas abseits im klaren Neckar-Niedrigwasser baden zu lassen. Eine Frau beantwortet einen Anruf über ihre Uhr. Einige beginnen ihren individuellen Ausflug auf die Baustelle. Sie sehen: Der Weg links des Neckars von der Au nach Göllsdorf existiert nicht mehr. Der Fluss wird ein neues Bett erhalten, der sogenannte Schwarze Felsen als solcher wird wieder erlebbar, je ein Brückchen verbindet schließlich die beiden Neckarseiten von der Au beziehungsweise von Göllsdorf aus. Und sie sehen noch viel, viel mehr. Den neuen Weinberg. Riesige Rohre. Gewaltige Felsbrocken.

Es folgen viele, viele weiter Informationen. So viele, dass sich etwa einer der älteren Herren ausgeklinkt hat, aber auch meint: „Ich muss da unbedingt nochmal mit.“ Er wird die Gelegenheit erhalten: Vor der Sommerpause noch ist eine Fortsetzung geplant, versprach der OB.

Galerie: Der Rundgang in Bildern




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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