Rottweil. „Der Freundeskreis Asyl in Rottweil steht vor dem Aus.“ Mit diesen Worten umschreibt Mathis Heidger die Situation bei einem Treffen mit Mitgliedern von Forum für Rottweil (FFR) im interkulturellen Zentrum Hasen. Als Träger, der sich hauptsächlich um die Betreuung und Beratung geflüchteter Menschen aus Rottweil und Umgebung kümmert, werden der Verein und seine hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Projektgeldern finanziert. Beziehungsweise: Sollten finanziert werden. Denn dem Verein geht das Geld aus, die Insolvenz droht. Die verantwortliche Behörde bittet auf Nachfrage der NRWZ um Geduld.
Die Gelder zahlt eigentlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den paritätischen Wohlfahrtsverband in Vierteljahresschritten aus. Doch seit Jahresbeginn erhält der Verein Freundeskreis Asyl in Rottweil nach eigenen Angaben kein Geld mehr vom BAMF. Dem Verein ergehe es „wie wohl den meisten Trägern in Deutschland“, teilt der Freundeskreis mit. Die Gründe für die ausbleibenden Zahlungen seien unklar, so Heidger.
Die NRWZ hat beim BAMF nachgefragt. Warum bleiben die Zahlungen für die Integrations- und Migrationsberatungsprojekte aus? Eine Sprecherin des Bundesamtes teilt nach Rücksprache mit dem Integrationsbereich mit: „Das Antragsverfahren für Projektförderung startete 2023 aufgrund einer zunächst unklaren Haushaltslage und damit einhergehenden parlamentarischen Abstimmungsbedarfen später als in vorherigen Jahren. Dennoch wird mit Hochdruck die Bearbeitung der Anträge der Bundesverbände der MBE (Migrationsberatung, Anm. der Red.) vorgenommen und ist zu großen Teilen bereits abgeschlossen.“ Weiter erklärt die Sprecherin: „Dem Bundesamt ist die wichtige Arbeit der Beratungsstellen vor Ort ein großes Anliegen.“
Die ausstehende Summe von 60.000 Euro sei zwar schriftlich zugesagt, berichtet wiederum der Rottweiler Freundeskreis Asyl. Doch wann das BAMF zahle, sei ungewiss. „Das Ministerium lässt uns am ausgestreckten Arm verhungern.“ Größere Träger wie die Caritas könnten solche Zahlungslücken eher ausgleichen. Doch dem Rottweiler Verein geht die Puste aus.
Der Vorstand hat sich nunmehr dazu entschlossen, ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Sollten die Mittel nicht bald kommen, sieht es laut Vereinsmitteilung so aus: Migrationsberater Heidger, der Dualen Studentin und dem Vermieter werde zur Monatsmitte gekündigt, der Verein werde aufgelöst. Der Stadt seien bei einer Zwischenfinanzierung offenbar die Hände gebunden, erläutert Heidger auf Nachfrage von Stadträtin Elke Reichenbach.
Für die Mitglieder von FFR eine unverständliche Situation: „Ihnen kann ja nur noch Geld helfen“, sagt etwa FFR-ler Martin Steinert. Stadtrat Reiner Hils findet es „unfassbar, wie gewachsene Strukturen vom BAMF leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.“ Bedauerlich sei, dass die Stadt offenbar keine Handhabe besitze, dem Verein mit einer Zwischenfinanzierung unter die Arme zu greifen.
Sollte der Verein aufgelöst werden, zerbrechen damit auch ehrenamtliche Strukturen, die in Rottweil seit über 45 Jahren gewachsen sind, teilt der Verein weiter mit. Über Jahrzehnte hinweg hätten ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer sich um Geflüchtete gekümmert, diese betreut, beraten und bei anstehenden Gerichtsverfahren begleitet. „Das sind Aufgaben, die die Stadt seit Jahrzehnten entlasten“, führt FFR-Sprecher Michael Leibrecht an. Er hoffe darauf, dass die Situation noch zu retten ist, und die Stadt sich in einer solch wichtigen Integrationsaufgabe künftig stärker engagiere – finanziell wie ideell.