Im Bann der Thesen

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

ROTTWEIL – Aktueller geht’s nicht: Während die Briten in einem grotesken, nonstop neue Wendungen produzierenden Drama aus der EU taumeln, bringt das Zimmertheater ein Stück mit dem Titel „Raub der Europa“ zur Krise des Kontinents auf die Bühne. Am Freitag war Premiere.

Die Idee ist super: Mit den Mitteln des Theaters, mit leibhaftigen Menschen, die lieben, leiden, genießen und hassen, die sich über Themen zoffen und mit Haut und Haar suchend im Leben stecken, Gedanken darüber zu machen, wie es mit Europa weitergehen soll. Wie man einen destruktiven Kapitalismus zähmt, allen ein würdiges Leben ermöglicht, und den Despoten und Populisten als reife Demokraten gelassen trotzt.

Aber Regisseur Peter Staatsmann will in dem vom Zimmertheater-Team selbst entwickelten Stück noch weit mehr verhandeln: Geschlechterkämpfe, Eltern-Kind-Beziehung, Generationen-Konflikte, Konsumsucht, Klimakatastrophe – um nur einiges zu nennen. Das ist an sich packend brisant. Es führt aber zu einem immensen Geflecht an Text und Thesen, die von den Protagonisten zur Sprache gebracht und teils auch ausagiert werden müssen. In Teilen funktioniert es. Man ist immer wieder elektrisiert von der brillanten Treffsicherheit einer Analyse, eines Arguments. Oder dem Umstand, dass ein Konflikt, ein jämmerlicher Zwiespalt einen Protagonisten quält und schier zerreißt.

Da ist die Inszenierung stark, ganz stark. Da zeigt sich, was Theater jeder anderen Kunstform voraushat: Dass es im konkreten Gegenüber von Mensch zu Mensch Empathie, Mitdenken und Mitfühlen ermöglicht und erzwingt. Dass immer wieder Hölderlin zitiert wird, dessen visionäre Kraft die zermürbte Gegenwart befreiend überstrahlt, passt dazu hervorragend. Aber in Teilen wirkt die Inszenierung unausgereift und überfrachtet. Es wird zu viel hineingepackt, Themen wechseln unvermittelt – und der eigentlich rote Faden, Europa im Spannungsfeld zwischen Idealen und Realität, blitzt nur selten auf.

Wie gut, dass die Schauspieler enorme Energien aktivieren. Margerita Wiesner verkörpert die jugendliche Idealistin mit einem Feuer und einer Gradlinigkeit, die mitreißt. David Gundlach macht bemerkenswert erlebbar, wie ein feinsinniger Träumer vom Geld korrumpiert wird. Petra Weimer gibt mit Grandezza eine Altachtundsechzigerin, die trotz aller Annehmlichkeiten irgendwann an den gemachten Kompromissen zu ersticken droht. Und Peter Raffalt spielt souverän den arrivierten Firmeninhaber, den kaum Zweifel kratzen, der aber mit posenhaft ausgestellten Skrupeln zu manipulieren versteht.

Oft kommt gleichwohl eine Premiere noch nicht auf den Punkt. Die weiteren Aufführungen werden an Stringenz gewinnen, noch etwas knackiger werden. Dann kann man das Stück als ein vitales, zum Nachdenken anregendes Theatererlebnis empfehlen.

Info: Weitere Aufführungen am 29. und 30. März, am 4., 5., 6. und 12. April, sowie am 10., 11., 17., 18., 24. und 25. Mai und am 2. Juni.

Das interessiert diese Woche



Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

ROTTWEIL – Aktueller geht’s nicht: Während die Briten in einem grotesken, nonstop neue Wendungen produzierenden Drama aus der EU taumeln, bringt das Zimmertheater ein Stück mit dem Titel „Raub der Europa“ zur Krise des Kontinents auf die Bühne. Am Freitag war Premiere.

Die Idee ist super: Mit den Mitteln des Theaters, mit leibhaftigen Menschen, die lieben, leiden, genießen und hassen, die sich über Themen zoffen und mit Haut und Haar suchend im Leben stecken, Gedanken darüber zu machen, wie es mit Europa weitergehen soll. Wie man einen destruktiven Kapitalismus zähmt, allen ein würdiges Leben ermöglicht, und den Despoten und Populisten als reife Demokraten gelassen trotzt.

Aber Regisseur Peter Staatsmann will in dem vom Zimmertheater-Team selbst entwickelten Stück noch weit mehr verhandeln: Geschlechterkämpfe, Eltern-Kind-Beziehung, Generationen-Konflikte, Konsumsucht, Klimakatastrophe – um nur einiges zu nennen. Das ist an sich packend brisant. Es führt aber zu einem immensen Geflecht an Text und Thesen, die von den Protagonisten zur Sprache gebracht und teils auch ausagiert werden müssen. In Teilen funktioniert es. Man ist immer wieder elektrisiert von der brillanten Treffsicherheit einer Analyse, eines Arguments. Oder dem Umstand, dass ein Konflikt, ein jämmerlicher Zwiespalt einen Protagonisten quält und schier zerreißt.

Da ist die Inszenierung stark, ganz stark. Da zeigt sich, was Theater jeder anderen Kunstform voraushat: Dass es im konkreten Gegenüber von Mensch zu Mensch Empathie, Mitdenken und Mitfühlen ermöglicht und erzwingt. Dass immer wieder Hölderlin zitiert wird, dessen visionäre Kraft die zermürbte Gegenwart befreiend überstrahlt, passt dazu hervorragend. Aber in Teilen wirkt die Inszenierung unausgereift und überfrachtet. Es wird zu viel hineingepackt, Themen wechseln unvermittelt – und der eigentlich rote Faden, Europa im Spannungsfeld zwischen Idealen und Realität, blitzt nur selten auf.

Wie gut, dass die Schauspieler enorme Energien aktivieren. Margerita Wiesner verkörpert die jugendliche Idealistin mit einem Feuer und einer Gradlinigkeit, die mitreißt. David Gundlach macht bemerkenswert erlebbar, wie ein feinsinniger Träumer vom Geld korrumpiert wird. Petra Weimer gibt mit Grandezza eine Altachtundsechzigerin, die trotz aller Annehmlichkeiten irgendwann an den gemachten Kompromissen zu ersticken droht. Und Peter Raffalt spielt souverän den arrivierten Firmeninhaber, den kaum Zweifel kratzen, der aber mit posenhaft ausgestellten Skrupeln zu manipulieren versteht.

Oft kommt gleichwohl eine Premiere noch nicht auf den Punkt. Die weiteren Aufführungen werden an Stringenz gewinnen, noch etwas knackiger werden. Dann kann man das Stück als ein vitales, zum Nachdenken anregendes Theatererlebnis empfehlen.

Info: Weitere Aufführungen am 29. und 30. März, am 4., 5., 6. und 12. April, sowie am 10., 11., 17., 18., 24. und 25. Mai und am 2. Juni.

Das interessiert diese Woche