Leipziger Materialismus im Bürgersaal

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Sie nennen sich „materialistinnen“: Acht Künstlerinnen aus Leipzig, die nun gemeinsam den Bürgersaal am Rottweiler Friedrichsplatz bespielen – auch und gerade in Zeiten grassierender Digitalisierung mit sinnlich-konkreter, materiell-gegenständlicher Kunst. Diesen Samstag wird ihre Ausstellung eröffnet.

Der Name hat es in sich: Bei „materialistinnen“ geht gleich ein ganzes Fass möglicher Bezüge auf. Vom „blankem“ Materialismus als nur auf Gewinn und Besitzmehrung ausgerichteter Lebensweise. Bis zum „historischen Materialismus“ als Geschichtsdogma des Marxismus. Nach einer Abfolge von Krisen versprach dieser ein klassen- und eigentumsloses Paradies. Letztere Heilsbotschaft geistert eher zombiehafte noch durch marginale Zirkel. Erstere feiert hingegen fröhliche Urstände.

An den großen Anklängen hat das Leipziger Künstlerinnen-Kollektiv durchaus Freude, wie Agnes Lammert, Sprecherin der Gruppe, im Gespräch mit der NRWZ erkennen lässt. Im Kern jedoch zielt der Titel auf etwas Anderes. Nämlich darauf, dass sich hier Bildhauerinnen zusammengetan haben, die mit konkreten Materialien arbeiten – eine bewusste Profilschärfung, während immer mehr digitale Konzepte eine teils entmaterialisierte Kunstproduktion durchdringen. Und auch ein prägnanter Kontrapunkt zum Image Leipzigs als exponiertem Standort von Malerei.

Im Bürgersaal präsentiert das Oktett nun – als erste gemeinsame Schau – eine große Bandbreite an bildhauerischen Positionen. Zu sehen sind einerseits wahre Blickfänger. Eine große, schwere Wandarbeit aus Gummischläuchen etwa, die wie zu einem dicken Teppich verwoben wirken. Mitten im Saal schraubt sich wuchtig ein Treppenfragment empor. Und von der Balustrade leuchtet ein Neon-Schriftband einen spiegelartigen Denkspruch „Care of Matter – Matter of Care“ in den Bürgersaal hinein – auch dies eine Bezugnahme zum Materiellen, das Sorge, ja Pflege erfordert. Und damit fast ein Leitspruch der Ausstellung.

Ein Treppenframent schraubt sich nun in den Saal hinein. Foto: privat

Es gibt aber auch kleinere, weniger imposant auftretende Arbeiten zu entdecken. Klassische Bronze-Güsse etwa, organisch gebogene Keramiken und archaisch anmutende Betonreliefs. Besonders poetisch mit dem Raum in Interaktion tritt eine Arbeit, bei der vier Stahlrohe wie dünne Ärmchen ein Wachsobjekt von der Decke herunter zu reichen scheinen – ganze siebeneinhalb Meter, bis die Skulptur knapp über dem Boden zart zum Schweben kommt.

Das Verbindende bei diesen Arbeiten: Freude am Materiell-Gegenständlichen, an der Arbeit mit Konkretem sowie am findigen Umgang mit dem Bürgersaal. Auf den Dreischritt „Material – Handlung – Raum“ bringt es Agnes Lammert im Gespräch. Materialistisch wirkt das alles in einem erfrischend konkreten, sinnlichen Sinne, nicht in einem überbaulich-ideologischen. Da sind die „materialistinnen“ fast schon antimaterialistisch unterwegs, indem sie sich solidarisch verhalten, einander unterstützen, Arbeitsmittel teilen. Dem kreativen Ertrag kommt dieser innovative Leipziger Materialismus jedenfalls, wie die facettenreiche Ausstellung zeigt, sehr zugute.

Info: Die Ausstellung wird diesen Samstag um 19 Uhr eröffnet und ist bis 3. Juli zu sehen. Geöffnet ist das Forum Kunst dienstags, mittwochs und freitags von 14 bis 17 Uhr, donnerstags 17 bis 20 Uhr, sowie wochenends von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr. Die jeweils gültigen Corona-Regeln sind zu beachten.

Das interessiert diese Woche



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Sie nennen sich „materialistinnen“: Acht Künstlerinnen aus Leipzig, die nun gemeinsam den Bürgersaal am Rottweiler Friedrichsplatz bespielen – auch und gerade in Zeiten grassierender Digitalisierung mit sinnlich-konkreter, materiell-gegenständlicher Kunst. Diesen Samstag wird ihre Ausstellung eröffnet.

Der Name hat es in sich: Bei „materialistinnen“ geht gleich ein ganzes Fass möglicher Bezüge auf. Vom „blankem“ Materialismus als nur auf Gewinn und Besitzmehrung ausgerichteter Lebensweise. Bis zum „historischen Materialismus“ als Geschichtsdogma des Marxismus. Nach einer Abfolge von Krisen versprach dieser ein klassen- und eigentumsloses Paradies. Letztere Heilsbotschaft geistert eher zombiehafte noch durch marginale Zirkel. Erstere feiert hingegen fröhliche Urstände.

An den großen Anklängen hat das Leipziger Künstlerinnen-Kollektiv durchaus Freude, wie Agnes Lammert, Sprecherin der Gruppe, im Gespräch mit der NRWZ erkennen lässt. Im Kern jedoch zielt der Titel auf etwas Anderes. Nämlich darauf, dass sich hier Bildhauerinnen zusammengetan haben, die mit konkreten Materialien arbeiten – eine bewusste Profilschärfung, während immer mehr digitale Konzepte eine teils entmaterialisierte Kunstproduktion durchdringen. Und auch ein prägnanter Kontrapunkt zum Image Leipzigs als exponiertem Standort von Malerei.

Im Bürgersaal präsentiert das Oktett nun – als erste gemeinsame Schau – eine große Bandbreite an bildhauerischen Positionen. Zu sehen sind einerseits wahre Blickfänger. Eine große, schwere Wandarbeit aus Gummischläuchen etwa, die wie zu einem dicken Teppich verwoben wirken. Mitten im Saal schraubt sich wuchtig ein Treppenfragment empor. Und von der Balustrade leuchtet ein Neon-Schriftband einen spiegelartigen Denkspruch „Care of Matter – Matter of Care“ in den Bürgersaal hinein – auch dies eine Bezugnahme zum Materiellen, das Sorge, ja Pflege erfordert. Und damit fast ein Leitspruch der Ausstellung.

Ein Treppenframent schraubt sich nun in den Saal hinein. Foto: privat

Es gibt aber auch kleinere, weniger imposant auftretende Arbeiten zu entdecken. Klassische Bronze-Güsse etwa, organisch gebogene Keramiken und archaisch anmutende Betonreliefs. Besonders poetisch mit dem Raum in Interaktion tritt eine Arbeit, bei der vier Stahlrohe wie dünne Ärmchen ein Wachsobjekt von der Decke herunter zu reichen scheinen – ganze siebeneinhalb Meter, bis die Skulptur knapp über dem Boden zart zum Schweben kommt.

Das Verbindende bei diesen Arbeiten: Freude am Materiell-Gegenständlichen, an der Arbeit mit Konkretem sowie am findigen Umgang mit dem Bürgersaal. Auf den Dreischritt „Material – Handlung – Raum“ bringt es Agnes Lammert im Gespräch. Materialistisch wirkt das alles in einem erfrischend konkreten, sinnlichen Sinne, nicht in einem überbaulich-ideologischen. Da sind die „materialistinnen“ fast schon antimaterialistisch unterwegs, indem sie sich solidarisch verhalten, einander unterstützen, Arbeitsmittel teilen. Dem kreativen Ertrag kommt dieser innovative Leipziger Materialismus jedenfalls, wie die facettenreiche Ausstellung zeigt, sehr zugute.

Info: Die Ausstellung wird diesen Samstag um 19 Uhr eröffnet und ist bis 3. Juli zu sehen. Geöffnet ist das Forum Kunst dienstags, mittwochs und freitags von 14 bis 17 Uhr, donnerstags 17 bis 20 Uhr, sowie wochenends von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr. Die jeweils gültigen Corona-Regeln sind zu beachten.

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