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"Dubai Unlocked Investigation" beschäftigt sich mit OneCoin und den Ignatovs / FBI: Ruja Ignatova lebt

OneCoin: Die Immobilien der Ignatovs und ihrer Helfer

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Frühling 2024 in Sofia. Ein Reporter eines bulgarischen Investigativ-Journals hat die Adresse von Konstantin Ignatov ausfindig gemacht. Der Bruder der „Kryptoqueen“ Ruja Ignatova war kürzlich aus den USA in seine alte Heimat Bulgarien zurückgekehrt. Am 6. März hatte ihn Richter Edgardo Ramos in New York wegen Bankbetrugs zwar verurteilt, die Strafe aber als verbüßt gewertet.

Ignatov, der wie seine Schwester in Schramberg aufgewachsen ist, machte noch ein paar Selfies als freier Mann auf dem Time Square, am Flughafen und fliegt dann über Istanbul nach Hause. Mama Veska Ignatova hat für ihren Sohn schon alles angerichtet. Sie hat ihm eine dreistöckige Villa in einer der besseren Gegenden der Stadt überschrieben, wie die Reporter im Grundbuchamt herausgefunden haben.

Gutbürgerlich

In der Uliza Lyulyakova Gradina, einer schmalen, ruhigen Nebenstraße hatte seine Schwester Ruja 2016 das Haus für die Mutter Veska gekauft, wie ein bulgarischer Kollege der NRWZ berichtet. Hinter einem Metall-Zaun steht die Villa mit zwei Balkonen und kleinem Vorgarten, hinter dem Haus ein Garten mit Büschen und Rasen. Ein paar Häuser weiter befindet sich ein Schönheitssalon, die irakische Botschaft ist ums Eck. Am anderen Ende der Straße liegt die japanische Botschaft. Gutbürgerliche Gegend.

In den Frühlingstagen nach seiner Heimkehr geht Ignatov immer mal wieder in der Stadt spazieren, den „Bully“ an der Leine, den Sohn an der Hand. Auch trifft er sich mit alten Kumpels und postet Bilder auf Instagram.

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Ignatov Post auf Instagram am 10. April 2024

Der Reporter klingelt, Konstantin öffnet selbst und spricht ganz freundlich mit dem Besucher, bis der sich als Journalist zu erkennen gibt. Da knallt er ihm die Türe vor der Nase zu.

Ignatov, der als persönlicher Assistent seiner Schwester im Sommer 2016 bei OneCoin angefangen hat, ist offenbar nervös. Eigentlich will er ja mit OneCoin seit fünf Jahren nichts mehr zu tun haben. Er schreibt, da mitgemacht zu haben, sei „der größte Fehler“ seines Lebens. Er habe mit dem Kapitel OneCoin abgeschlossen und wolle ein neues Leben anfangen.

Doch nun steht da ein Reporter vor seiner Tür.

Die Dubai Unlocked Investigation

In letzter Zeit war es um den OneCoin-Schwindel und die verschwundenen Milliarden sehr ruhig geworden. Seit dem 17. Mai sind OneCoin, Ruja Ignatova und ihre in den Kryptowährungsbetrug verstrickten Freunde und Helfer wie Sebastian Greenwood, Frank Schneider oder die St.-Brüder wieder ein großes Thema.

Der Spiegel berichtet, das ZDF, viele ausländische Zeitungen und Zeitschriften, wie Le Monde, The Times, der Rolling Stone aus den USA bis hin zur in Singapur erscheinenden Singapore Strait Times.

Der Grund: ein internationaler Medienverbund hat geheime Unterlagen über Immobilienobjekte in Dubai zugespielt bekommen. Das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“, kurz OCCRP, in dem sich 74 Medien weltweit zusammengetan haben, hat die Informationen aus dem „Dubai Land Department“ über Monate ausgewertet und geprüft.

Drogenhändler, Geldwäscher, Schwindler aller Art, aber auch korrupte Politiker, Waffenhändler, Terrorfinanziers haben sich in Dubai angesiedelt und teure Immobilien gekauft. Aber auch etliche der OneCoin Größen.

Belegt: Ignatova kauft sich in Dubai ein

In den Unterlagen lässt sich nun auch nachweisen, was ein Zeuge schon am 13. November 2019 in New York vor Gericht erklärt hatte, nämlich dass Ruja Ignatova ein Millionen-teures Anwesen in Dubai gekauft hat. (Die NRWZ hat berichtet.)  Damals seien fünf Millionen Dollar auf ein Konto in Dubai für den Kauf geflossen, hatte Charles Reeder ausgesagt. Reeder war Partner in der Anwaltskanzlei von Locke Lord, die immer wieder für Ignatova und OneCoin tätig geworden war, auch bei ihrem Penthouse-Kauf in London.

OCCRP berichtet nun, Ruja Ignatova habe 2015 in Dubai ein Penthouse über eine Briefkastenfirma erworben. Es befinde, sich ganz oben, im 14. Stock des „Oceana Residence“, wie der Spiegel schreibt.

Im Dezember 2019, also gut zwei Jahre nach ihrem Untertauchen am 25. Oktober 2017, sei die Immobilie an einen jungen Rechtsanwalt aus Großbritannien verkauft worden hat das Investigativ-Netzwerk ICIJ herausgefunden. Offen bleibt, an wen der Erlös geflossen ist. Inzwischen gehöre das Penthouse einem Münchner, so der Spiegel.

Neben dem Penthouse besaß sie zusammen mit zwei ihrer Geschäftsfreunde in Dubai auch einen Schönheitssalon mit dem passenden Namen „Kings and Queens“. Als sie von den US-Ermittlungen im Jahr 2017 erfahren habe, habe sie den Salon und ihre übrigen Firmen in Dubai geschlossen, berichten die Reporter des Investigativ-Netzwerks ICIJ.

Dubai und OneCoin

Dubai war für OneCoin von Anfang an bedeutsam. Es gab ein eigenes Office im Platinum Tower. Viele Geschäfte liefen über Banken in Dubai. Ruja war mit dem Sohn eines Herrschers, Sheikh Saud bin Faisal al Qassimi, gut bekannt. Al Qassimi kaufte ihr ihre Dubaier Firmen und Konten im Wert von 50 Millionen Dollar ab und bezahlte mit 230.000 Bitcoin auf vier USB-Sticks (die NRWZ berichtete). Ende 2015 hatten die Behörden wegen Geldwäscheverdachts eine Sperre verfügt.

Im Juni 2020 hob die Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate die Sperrung der Konten unter anderem von Ruja Ignatova, Karl Sebastian Greenwood, Martin B., Ignatovas Anwalt aus München, OneCoin Limited und Prosperia, einer anderen Ruja Ignatova zugeordneten Firma, auf.   onecoin dubai greenwood kontenfrei 300620 levy det241121Aus dem Gefängnis in New York heraus konnte Greenwood im Juli 2020 gar eine Scheck über, 28,4 Millionen Dirhams (gut sieben Millionen Euro) an einen Anwalt auszahlen.onecoin grerenwood scheck dubai 28 m levy 241121

Geldwäsche für Terroristen?

Das Kuwaitische Innenministerium soll in einem Schreiben an die Kollegen in Dubai diese darüber informiert haben, dass Ruja Ignatova in Dubai eine Banklizenz erworben habe und „möglicherweise Teil einer internationalen Geldwäsche-Organisation für Terrororganisationen“ sei.

Das als „extrem vertraulich“ gekennzeichnete Dokument hatte der OneCoin-Opferanwalt Jonathan Levy zugespielt bekommen und veröffentlicht.

Sebastian Greenwood, der 2014 zusammen mit Ignatova OneCoin „erfunden“ hat, besaß ebenfalls ein großes Anwesen in Dubai. Das hatte bereits der BBC-Journalist Jamie Bartlett herausgefunden, und das bestätigen jetzt die Dokumente aus Dubai.

Seine Villa soll 5,4 Millionen Dollar wert gewesen sein als sie 2022 verkauft wurde. Laut Spiegel besitzt er eine weitere Villa in der Nähe des Montgomerie Golf Club .

Stephan St., einer der St.-Brüder aus Südtirol, die über Jahre blendend mit OneCoin-Verkäufen verdient haben, besitzt nach den Dubai-Unterlagen ebenfalls mehrere Immobilien dort.

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Stephan St. trat auch beim berühmt-berüchtigten „Coin Rush“ in der Wembley Arena am 11. Juni 2016 auf. Screenshot aus einem OneCoin-Video: him

Kari W., inzwischen ziemlich abgetaucht und mit einem anderen MLM-Projekt am Start, war zur Hoch-Zeit von OneCoin weltweit unterwegs und scheffelte Millionen. Er besitzt laut Spiegel sieben Apartments und eine Villa in Dubai.

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Dieses Bild von sich mit Ruja Ignatova hat Kari W. am 17. September 2015 auf Instagram gepostet.

Intensiv beschäftigt haben sich die Reporter mit Frank Schneider. Von ihm haben sie Daten einer Fitness-App gefunden. Demnach radelte Schneider am 21. März 2020 um die Mittagszeit bei Palm Jumeirah in Dubai. Er hatte 2018 für zwei Millionen Dollar sich ein Apartment in der Gegend gekauft.

Frank Schneider: vom Schlapphut zum Immobilienmanager

Nach seiner Zeit beim Geheimdienst gründete Schneider eine Sicherheitsfirma. Sandstone war für die ganz besonderen Fälle gedacht. Foto: Archiv him

Der Luxemburger Frank Schneider war in seinem Heimatland Operationschef des Luxemburger „Service de Renseignement de l’Etat“ (SRE) und wechselte Ende 2015 zu Ruja Ignatova als deren Sicherheitsberater. Die Empfehlung lief über einen CIA-Mann und einen hohen Beamten im bulgarischen Finanzministerium.

Schneider hat beispielsweise das Apartment von Ignatovas Geliebtem und Geldwäscher Gilbert Armenta in Florida anzapfen lassen. So konnte Ignatova im Sommer 2017 mithören, was Armenta gerade vorhatte – und erfuhr so, dass das FBI ihn umgedreht hatte. Sie beschimpft ihren Geliebten deshalb als „rückgratloses A. loch.“

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Aussage von Konstantin Ignatov zur Rolle von Frank Schneider.

Über Schneider soll sie auch erfahren haben, dass es eine internationale Zusammenarbeit von Ermittlern gab, um sie zu schnappen. „Operation Satellite“ hieß das Projekt, an dem auch bulgarische Behörden beteiligt waren.

Schneider hat in einem BBC-Interview behauptet, die Daten zu „Operation Satellite“ habe er von Ignatova erhalten. Sie sei immer von den bulgarischen Behörden informiert worden, was da in Brüssel bei Operation Satellite gerade besprochen worden war.

Im Herbst 2017 muss Ignatova gespürt haben, es wird brenzlig, und sie taucht unter.

Schneider investiert in Beton statt in Krypto

Schneider selbst hat in Dubai, aber auch in Indonesien nach seiner Zeit bei OneCoin große Geschäfte aufgezogen. Ignatova hatte seine Dienste großzügig entlohnt. Von vier Millionen Euro spricht er selbst. Das Luxemburger Magazin Reporter.lu berichtet, er habe Ferienwohnungen auf Bali vermietet. Seine Firma dort heißt White Orchid Management.

Bei AirBnB beschrieb er sich als „Bürger Luxemburgs“, der in Dubai ansässig und “travelling relentlessy (sic!)“ – ständig unterwegs sei.

Im April 2021 sorgten die französischen Behörden dafür, dass er einen festen Wohnsitz hatte. Es war erst einmal Schluss mit Reisen. Die USA hatten 2020 Schneiders Auslieferung beantragt. Erst kam er in Auslieferungshaft. Dann entließ man ihn mit elektronischer Fußfessel in Hausarrest.

Dort in seinem Haus in Nordfrankreich empfing er immer wieder Journalisten und gab Interviews. Er forderte, ein Verfahren in seiner Heimat, weil ihm in den USA 40 Jahre Gefängnis drohten. Das sei sein Todesurteil, jammerte er. Wenig subtil wies er aber auch in den Interviews darauf hin, er könne viel zu erzählen haben, sollte er in den USA vor Gericht gestellt werden (Wir haben berichtet).

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Frank Schneider in einem seiner Interviews im Frühjahr 2022. Screenshot: him

Schneider verschwindet Anfang Mai 2023 – aber wohin?

Er klagte bis in die höchste Instanz gegen seine Auslieferung. Kurz vor der Entscheidung dieser Instanz, Anfang Mai 2023 ist Schneider dann abgetaucht. Trotz elektronische Fußfessel ließen ihn die französischen Behörden entkommen.

Erst etliche Wochen später, nämlich Mitte Juni, meldeten Luxemburger Medien, Schneider sei verschwunden.

Daten, die die Investigativjournalisten von OCCRP erhielten, zeigen das Schneider noch bis Juli 2023 ganz legal nach Dubai einreisen konnte. Ob er sich dort versteckt? Wer hat ihm zur Flucht verholfen? Wie konnte ein per Haftbefehl gesuchter Mann einfach so entkommen?

Frank Schneiders Fußfessel aus einem Video. Screenshot: him

Am 8. September 2023 hat Schneider seine Anteile an White Orchid Management an seine Frau und seinen Sohn übertragen. Reporter von OCCRP spekulieren, Schneider könnte sich nach Indonesien abgesetzt haben. Das Land hat kein Auslieferungsabkommen mit den USA. Und die fahnden weiter nach Schneider, wie ein FBI-Sprecher dem Investigativ-Netzwerk bestätigt.

Ruja Ignatova ist noch am Leben, sagt das FBI

Auch nach Ruja Ignatova läuft die Fahndung weiter– trotz aller Gerüchte, sie sei tot und ihre zerstückelte Leiche in der Ägäis versenkt. „Bullshit“ sei das, zitiert der Spiegel Ignatovas alten Kumpan Kari W..  Er habe sogar ihre Telefonnummer.

Aber auch seriösere Quellen für die Annahme, dass die Kryptoqueen lebt, gibt es.  Die Berichte kenne man, teilt ein FBI-Sprecher OCCRP mit. Dennoch gehe das FBI davon aus, dass Ignatova am Leben sei. Jedenfalls solange, bis das Gegenteil bewiesen sei: „Und sie bleibt auf der Liste der zehn meistgesuchten Personen.“

Unbesiegbar

Währenddessen macht sich ihr jüngerer Bruder Konstantin Ignatov auf Instagram rar. Er hatte Ende April einen Ausflug nach Berlin unternommen. Dort hat er sich wohl erst eine Fastglatze rasieren und dann den Schädel tätowieren lassen. „Invincible“ steht da nun. Unbesiegbar.

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Instagram Post von Konstantin Ignatov aus Berlin.

Das ist sein bisher letzter Post. Seit Ende April herrscht Funkstille. Hat ihm der Besuch des Reporters zu denken gegeben? Wer mich sucht, der kann mich finden?

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.