Dienstag, 19. März 2024

Denkmalamt: kopierte Madonna „nicht genehmigungsfähig“

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Viele warten ungeduldig: Seit mehr als einem Jahr sind die Weichen dafür gestellt, dass eine Kopie der „Madonna von der Augenwende“ angefertigt werden kann. Sie soll am alten Platz der Figur in der Rottweiler Predigerkirche aufgestellt werden. Nun blockt jedoch das Denkmalamt: ein Duplikat sei „nicht genehmigungsfähig“. Die evangelische Kirchengemeinde freilich hält am Projekt fest. Baldmöglichst soll die Künstlerin den Auftrag zur Kopie erhalten.

Das bekräftigte Gabriele Waldbaur, Seelsorgerin im geschäftsführenden evangelischen Pfarramt Mitte, am Mittwoch im Gespräch mit der NRWZ. Auch ihr katholischer Kollege, Münsterpfarrer Timo Weber unterstrich, dass er keinen Grund sehe, von dem Vorhaben abzurücken: „Ich stehe voll hinter dem Projekt“, sagte er der NRWZ.

Die Erstellung der Replik zieht sich, obwohl sie von engagierten Gemeindemitgliedern mit viel Energie vorangetrieben wird, nun bereits seit über zwei Jahren hin. Im September 2017 hatte der evangelische Kirchengemeinderat in Absprache mit dem katholischen Schwester-Gremium von Heilig Kreuz dafür votiert, eine Kopie in Auftrag zu geben.

Man zog damit die Konsequenz aus der enormen ökumenischen Verbundenheit, zu der das „Kirchenasyl“ der Madonna in der Stadt geführt hatte. Wegen der Renovierung des Münsters war sie für anderthalb Jahre in die Predigerkirche zurückgekehrt. Dabei hatte sich gezeigt: Der Kirchenraum und die um 1520 geschaffene „Madonna von der Augenwende“ bilden ein Gesamtkunstwerk – ganz so, wie es bei der Barockisierung intendiert war, mit der man ein Jahrhundert nach der Errettung der Stadt vor feindlichen Truppen anno 1643 unter wundersamer Mitwirkung der „Madonna von der Augenwende“ erinnert hatte, ehe die Figur im Zuge der Säkularisierung 1802 ins Münster umziehen musste.

Zwar gab es auch kritische Stimmen. Aber letztlich gaben alle Gremien und Instanzen grünes Licht. Zeitgleich gingen aus ganz Deutschland Spenden ein – bislang rund 15000 Euro. Im Sommer 2018 trat man an mögliche Ausführende heran und fand mit Andrea Wörner aus Schiltach eine ausgewiesene Expertin für die heikle Aufgabe. Es schien eher eine Frage von Wochen als von Monaten, bis sie mit der Arbeit an dem Duplikat beginnen könnte – sogar geeignetes Holz lag schon bereit.

Dann jedoch addierten sich in dieser für die Ökumene bedeutenden und auch sehr sensiblen Sache verzögernde Faktoren: Der Weggang von Dekan Martin Stöffelmaier, Probleme mit einem Kostenvoranschlag und anderes. Verunsicherung keimte, Kritiker des Duplikats wurden lauter, und die Verantwortlichen hörten immer öfter die zweifelnde Frage: „Wollt ihr doch nicht?“

Am Willen fehlte und fehlt es nicht. Im Juli freilich kam es zu einem Paukenschlag: Bei einem Vororttermin im Münster, bei dem Details der Umsetzung im Mittelpunkt stehen sollten, äußerte die beim Regierungspräsidium Freiburg angesiedelte Denkmalschutzbehörde plötzlich grundsätzliche Einwände: Man solle doch statt einer Replik eine moderne Madonna in der Predigerkirche aufstellen. Und das, obwohl die übergeordnete Instanz, das Landesdenkmalamt in Stuttgart, bereits grünes Licht gegeben hatte.

Mehr als vier Monate dauerte es, bis nach intensiven Bemühungen seitens der evangelischen Kirchengemeinde und etlichen Fristsetzungen das Pfarramt endlich ein Schreiben aus Freiburg erhielt: In dürren Sätzen wurde mitgeteilt, die geplante Aufstellung des Duplikats sei „nicht genehmigungsfähig“. Argumentiert wird, die Figur sei im 19. Jahrhundert verändert worden, eine Kopie entspräche also gar nicht mehr dem Stand vor dem Umzug ins Münster 1802. Die angekündigte ausführliche Begründung ließ bis Mittwoch auf sich warten – „eigentlich eine Unverschämtheit“, kommentiert Pfarrerin Waldbaur das Gebaren der Behörde.

Die Argumente aus Freiburg überzeugen die Verantwortlichen in Rottweil nicht. „In sich widersprüchlich“ nennt Pfarrerin Waldbaur die Einwände. Zudem sei die Madonna denkmalrechtlich als „Einrichtungsgegenstand“ zu sehen. Und über einen solchen könne nur von kirchlich-religiöser Seite entschieden werden, nicht durch das Denkmalamt. Notfalls will man diesem Standpunkt auch juristisch Geltung verschaffen.

Pfarrerin Waldbaur sieht sich, wie auch Pfarrer Weber, an Beschlüsse gebunden und will das Projekt, das mit vielen Emotionen und Erwartungen verknüpft ist, nun entschieden vorantreiben. Ziel sei es, den Auftrag an die Künstlerin nun umgehend zu vergeben. „Die Öffentlichkeit erwartet, dass es vorangeht“, erklärt Waldbaur. Womöglich wird noch vor Weihnachten der gerade neu gewählte Kirchengemeinderat in einer Sondersitzung darüber befinden müssen, ob man zeitlich begrenzt die Finanzierungslücke überbrückt, die momentan im Raum steht. Etwa 15.000 Euro fehlen noch. Die aber sollten an Spenden zusammenkommen, wenn der Stillstand erst überwunden ist – in diesem Punkt ist Pfarrerin Waldbaur optimistisch. Es gibt wohl auch bereits entsprechende Zusagen.

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8 Kommentare

    • Das stimmt. Aber nicht als Heilige …. die Protestanten wollten sich ja von der katholischen Marienverehrung unterscheiden.

  1. Es ist ja schön, wenn die evangelische Gemeinde nun den “Wert“ des Gesamtbild erkennt. Vielleicht kommen die Seitenaltäre wieder an den richtigen Platz und die 2 verkauften werden ebenso als Diplomat wieder erschaffen. Näheres kann man bei H. Dr. Hecht erfahren.

  2. Tja, der „evangeliesierte“ Zustand hat nun mehr Jahre auf dem Buckel (über 200) als der „katholisch-barocke“ bestanden hat – nur so um die 50!
    Damit ist der heutige Zustand geschichtliches Dokument.
    – und was Luther und Brenz wohl zur Maria Himmelskönigin als Kirchenausstattung gesagt hätten?
    Nachdem die Kirche vom Land unterhalten wird, sollte man dem LANDESdenkmalamt umso mehr zugestehen, dass es hier ein Wörtchen mitzureden hat.

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