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Ritter aus Glatt glänzt bei Bauernkriegs-Ausstellung

Wer an oder nach Pfingsten Zeit für einen Ausflug hat, sollte Bad Schussenried in Betracht ziehen. Dort wird gerade die Große Landesausstellung „Uffrur!“ zum Bauernkrieg 1524/25 gezeigt – mit einem wichtigen Stück aus der Region. Die Schau hat Schwächen, ist aber sehenswert – zumal sich ein Abstecher ins schöne Oberschaben immer lohnt. Lesen Sie hier Teil Drei der losen NRWZ-Reihe zum Thema 500 Jahre Bauernkrieg.

Lange hat man sich um das Thema Bauernkrieg ein wenig herumgedrückt. Dazu trug – ähnlich wie bei der Revolution 1848/49 – der Umstand bei, dass er nicht zum großen Umbruch von Herrschaftsverhältnissen führte. Auch, dass die DDR den Bauernkrieg mit viel Getöse als „frühbürgerliche Revolution“ in ihre Ahnengalerie einreihte, förderte eine angemessene Würdigung nicht.

Umso wertvoller, dass 500 Jahre nach den Geschehnissen der Bauernkrieg nun beträchtliche Aufmerksamkeit auf sich zieht – und unter anderem im repräsentativen Format einer Großen Landesausstellung beleuchtet wird. Das ist auch nötig. Denn der Bauernkrieg war nicht nur die größte Aufstandsbewegung vor der französischen Revolution. Er war – obwohl es auch auf Seiten der Aufständischen Gewaltexzesse gab – ein wegweisender Versuch, angesichts bedrückender Verhältnisse Freiheit und Gerechtigkeit zu erkämpfen.

Die Landesausstellung im Kloster Schussenried – das 1525 selber von Aufständischen geplündert und verwüstet wurde – nimmt den südwestdeutschen Raum in den Blick und versucht, mit über 150 originalen Objekten, wichtige Aspekte aufzuzeigen. Mit dabei: eine imposante Ritter-Rüstung aus dem Kultur- und Museumszentrum Schloss Glatt. Sie veranschaulicht eine damals sterbende Welt, denn gepanzerte Reiter waren um 1500 bereits ein Auslaufmodell.

Was sehr gut gelingt, ist das Vorfeld des „Uffrurs“ anschaulich zu machen: Wie die ländliche Bevölkerung in den Jahrzehnten vor dem Aufstand in ihren Rechten zurückgedrängt und in eine immer schlechtere Lage gebracht wurde. Ja, wie der „Bauer“ regelrecht als Zerrbild gezeichnet, herabgewürdigt und verhöhnt wurde.

So kann man nachvollziehen, welche Wut letztlich explodierte und welches Unrecht nicht mehr zu ertragen war. Eine Stärke hat die Ausstellung auch darin, die Rolle der Frauen vielfach deutlich zu machen – deren Alltagswelt und auch deren Anteil an der Aufstandsbewegung.

Insgesamt wird die Alltagsperspektive betont und versucht, Lebensnähe zu vermitteln. Zentral ist hierbei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Mit deren Hilfe werden acht beteiligte Persönlichkeiten virtuell in Szene gesetzt: von der Bauernwitwe Margarete Renner, die den Aufstand unterstützte, bis Jörg Truchsess von Waldburg, der maßgeblich für die blutige, unbarmherzige Niederschlagung des Aufstands verantwortlich war.

Dass diese Zeitzeugen digital erstehen und ihre Sichtweisen darlegen, ist ein interessanter Ansatz. Aber die KI bleibt seltsam blass. Es wirkt eher hölzern, wenn die virtuellen Figuren referieren. Dass es damals um alles ging, um die Umwälzung von Lebenswelten, um Unterdrückung und Freiheiten, ja ums nackte Überleben – das nimmt man diesen spannungslosen Gestalten schlechterdings nicht ab.

Insgesamt fehlt es der Ausstellung an Energie. Das liegt auch an einer meist dezenten Inszenierung. Die bildstarke Chronik des Klosters Weißenau wird groß projiziert – das packt! Bleibt aber die Ausnahme. Druckgrafiken im Postkartenformat und teils noch kleiner, sind zwar in der Nahsicht enorm sprechend. Aber sie wirken in großen Räumen bei gedämpftem Licht kaum von sich aus. Und die Ausstellung traut sich kaum, Aspekte entschlossen herauszugreifen und ihnen einen großen Auftritt zu verschaffen.

Besonders deutlich wird das an den „Zwölf Artikeln der Bauernschaft in Schwaben“: einem Februar 1525 aufgestellten Forderungs-Katalog, der fundamentale Rechte proklamierte. Die „Zwölf Artikel“ werden daher immer wieder in Verbindung mit der Idee allgemeiner Menschenrechte und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gebracht.

Eine Fackel der Freiheit, könnte man sagen. Auch der Bundespräsident deutete es so, als er die „Zwölf Artikel“ und jene, die sich auf sie beriefen, am 15. März bei einem Festakt in Memmingen würdigte und forderte: „Aus der Erinnerung an ihre Kraft und ihre Entschlossenheit sollten wir heute Mut und Zuversicht schöpfen. Stellen wir uns in ihre Tradition, verteidigen wir heute das, wofür sie damals kämpfen mussten!“

Und die Ausstellung? Feiert die „Zwölf Artikel“ nicht. Hebt sie nicht als epochemachendes Dokument entschieden ins Sichtfeld. Man muss in Vitrinen und knappen Erklär-Texten mühsam nach ihnen suchen. In einem Ausstellungskatalog kann man ohnehin nicht recherchieren – den hat man sich gespart.

All das erscheint symptomatisch: Die Ausstellung bietet ein facettenreiches Sammelsurium, meidet aber kraftvolle Akzente. Wenn die „innovativen“ KI-Figuren als solche gedacht waren, darf der versuch als gescheitert gelten.

Eine Haltung, ein deutender Zugriff wird insgesamt kaum erkennbar. Versteht man die Erhebungen nun vor allem als Reaktion auf drückendes Unrecht? Als Teil einer Freiheitsgeschichte? Als Beispiel für Protest? Oder als etwas ganz anderes? Selbst wer von einer großen Ausstellung keine fertigen Antwortangebote, sondern eher Anstöße erwartet, um selbständig Fragen zu stellen, muss festhalten: Etwas mehr „Feuer“ im Umgang mit dem Thema Bauernkrieg, bei dem Zehntausende ihr Leben verloren, bräuchte es schon. Von „Uffrur“ ist in dieser Ausstellung jedenfalls wenig zu spüren.

Info: Die Große Landesausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ im Kloster Schussenried ist bis 5. Oktober zu sehen. Weitere Informationen unter /www.bauernkrieg-bw.de. 




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