Im Raum zwischen Schenkenzell, Lehengericht und Sulzbach ist seit einigen Tagen immer wieder ein Hubschrauber zu hören und zu sehen. In niedriger Höhe fliegt er über die Baumwipfel und lädt eine graubraune Masse ab. Die Gemeinden lassen den Waldboden zu seinem Schutz kalken.
Wrrrrattatatttatt. Mit dem typischen Geräusch kommt der Hubschrauber ums Eck beim Vogtsbauernhof im Sulzbachtal. Über einem größeren Platz steht er in der Luft still. An einem Drahtseil hängt ein großer Kübel, in den ein Raupenfahrer ein graubraunes Pulver füllt. Kaum ist der Ladevorgang beendet, kurvt der Pilot wieder davon und entlädt seine Ladung über den Baumwipfeln.
Saurer Regen wird gepuffert
„Das Pulver ist Dolomitkalk aus Empfingen“, erläutert Matthias Schupp, Sachgebietsleiter Privatwald im Forstamt im Landratsamt Rottweil, “es ist angefeuchtet, damit es nicht zu sehr staubt.“ Die Waldkalkung habe nichts mit einer Düngung zu tun, vielmehr verbessere sie das Bodenmilieu und puffere die Säure im Waldboden ab, die dort durch Umwelteinflüsse eindringe und die Kleinlebewesen schädige. Auch würden Schwermetalle im sauren Boden leichter ausgeschwemmt und ins Grundwasser gelangen. Dank der Kalkung verbessere sich die Humusbildung und die Waldgesundheit insgesamt, versichert Schupp. Revierförster Holger Wöhrle ergänzt, nach wie vor gebe es das Phänomen des Waldsterbens. Man sehe es nicht mehr so stark, weil die Forstleute befallene Bäume fällen. Es sei aber auch insgesamt besser geworden.
Der Hubschrauberpilot hat seine nächste Runde geflogen und ist an der Ladestation. Etwa drei LKW-Fuhren Kalk muss der Lader in den Behälter füllen, dann wechselt das Team zum nächsten Standort. Der Lader muss die genau richtige Menge wählen: Bei sehr heißem Wetter etwa 700 Kilogramm, bei kühleren Bedingungen gehen bis zu einer Tonne. „Wenn es kühl ist, hat der Hubschrauber besseren Auftrieb und kann mehr transportieren“, erklärt Schupp.
Um Gewicht zu sparen, ist der Hubschrauber sehr spartanisch ausgestattet, Mitfliegen unmöglich. Der Pilot hat einen genauen Plan, in welchem Gebiet er kalkt. Bäche und Biotope bleiben ausgeschlossen. Über GPS kann man später genau die Fläche bestimmen, die gekalkt wurde.
Nach kaum einer Minute ist der Hubschrauber schon wieder zurück. „Weil die Akkord schaffen, schauen sie, dass sie maximal 800 Meter zu fliegen haben“, berichtet Schupp.
Bevor eine Bodenkalkung auf den Weg gebracht wird, lässt die Forstverwaltung den Waldboden in der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg untersuchen. Wenn andere Mineralien neben Kalzium fehlen, wird beispielsweise auch Asche hinzugefügt, um einen Kaliummangel auszugleichen. Die Wissenschaftler bestimmen auch, wo gekalkt wird und wo nicht.
Mehrwertsteuer bleibt hängen
Träger der Kalkung sind die Gemeinden, so Rainer Betschner, in Lauterbach verantwortlich für das Finanzwesen und das Personalamt. An die 100 Waldbesitzer sind betroffen, bekäme da jeder einzelne seine Rechnung, wäre der Aufwand für die Hubschrauberfirma immens. Zumal die EU einerseits, der Bund und das Land andererseits die Kosten zum größten Teil übernehmen. Nur wer mehr als 30 Hektar Wald besitzt, muss zehn Prozent der Kosten tragen.
Und dennoch bleibe viel Arbeit an der Kommune hängen, so Betschner. Die 19 Prozent Mehrwertsteuer sind nämlich grundsätzlich nicht zuschussfähig. Dieses Geld müssen die Waldbesitzer schließlich doch bezahlen. „Eigentlich ist das falsch“, finden die Forstleute Wöhrle und Schupp. Den sauren Regen und damit die Versauerung der Böden verursache die Allgemeinheit über den Autoverkehr, Industrie, Heizungen, deshalb sollte auch die Gesellschaft die Kosten dafür tragen.
Nach drei Stunden ist der Kalkhaufen abgeräumt. Der Hubschrauber fliegt zum nächsten Standort, wo schon der nächste kleine Berg drauf wartet, über dem Wald verteilt zu werden.
Info: Im westlichen Teil des Kreises Rottweil werden in den kommenden Wochen insgesamt etwa 1200 Hektar Wald gekalkt. Je Hektar werden gut drei Tonnen Kalk verstreut. Das kostet etwa 350.000 Euro. Auf Gemarkung Lauterbach entfallen dabei etwa 130.000 Euro, in Schiltach und Schenkenzell jeweils etwa 90.000 Euro. Den Rest tragen Privatwaldbesitzer.